Ein Artikel aus der Reihe:
Frankfurter Zeitungs-Archäologie
Eine der schillernden Gestalten des Frankfurt des frühen 20. Jahrhunderts, war der Schauspieler, Selbstdarsteller, Dichter, Hungerkünstler, Naturapostel, Spiritist, Zeitungsherausgeber, Wunderheiler und Löwenbändiger Karl Sigmund Waßmann.
Waßmann 1913 um 1918 und 1924
Geboren wurde Karlchen, wie er weithin genannt wurde, 1885 in Karlsruhe (sagte er zumindest von sich selbst, andere sagen in Berlin), wo sein Vater Musiker am badischen Hofe war. Der frühe Tod seines Vaters beendete Karlchens schulische Karriere, denn er musste nun für die Mutter und die jüngeren Geschwister sorgen. Zu diesem Zwecke wurde er bei einem Anwalt als Bürogehilfe in Stellung gegeben. Neben der Arbeit her lernte er aber noch Sprachen und nahm Schauspielunterricht. Schon als 17 jähriger veranstaltete er Künstlerkonzerte (nach eigener Aussage sogar mit dem Prager Star-Violinisten Kubelik). Um eines dieser Konzerte vorfinanzieren zu können, verkaufte Wassmann ein nur geliehenes Klavier, wofür er erstmals für eine Woche ins Gefängnis einrückte.
1905 wurde dem in Karlsruhe polizeilich verboten weitere Vorträge zu halten, weil es immer wieder zu Krawallen unter den Zuhörern gekommen war. Der Karlsruher Polizeidirektor Seidenadel riet ihm: "Wenden Sie sich einer anderen Karriere zu!"
Die Bürogehilfen-Karriere könnte dann endgültig seine erste Verwicklung in einen Strafprozess beendet haben. 1907 war der amerikanische Star-Anwalt Karl Hau aufgrund eines reinen Indizienprozesses, wegen Mordes an seiner Schwiegermutter zum Tode verurteilt worden. (Nachzulesen in dem großen Frankfurt-Roman Jakob Wassermanns: der Fall Maurizius.) Eine Welle der Empörung schwappte durch Deutschlands Presse und auf dieser Welle begann nun auch Waßmann zu schwimmen. Karlchen warf dem Staatsanwalt (der im Fall Maurizius durch diesen Prozess zum Oberstaatsanwalt aufsteigt) vor er habe mit der Geliebten Haus, dessen Schwägerin Olga Molitor, wohl ebenfalls eine Affäre gehabt und das Fräulein Molitor selbst habe ihre Mutter ermordet. Das hörte die Schwägerin nicht gerne und sie verklagte Karlchen – zum ersten mal genoss er deutschlandweite Aufmerksamkeit. Um der Strafe zu entgehen, unterschlug er seiner Vermieterin mehr als 100 Mark, hinterließ einen Zettel mit der Notiz, er ginge jetzt zum Zirkus nach Rumänien. Ein paar Tage darauf wurde er verhaftet, allerdings nicht in Rumänien, sondern in Stuttgart, dafür handelte er sich zusätzliche vier Wochen Gefängnis ein, zusätzlich zu den acht Monaten wegen Beleidigung, die er aber nicht absitzen musste, das Fräulein Moltor hatte nämlich Mitleid mit ihm und zog ihre Klage zurück. Als jetzt aber Karlchen auch noch Olga Molitors Rechtsanwalt wegen Beleidigung verklagte, musste er die acht Monate doch absitzen. Man hatte ihn in Stuttgart leicht finden können, denn er hatte Anzeigen für einen Vortragsabend dort geschaltet. Um nicht einrücken zu müssen, nahm sich Waßmann nun das Leben - konnte man zumindest im September 1908 in vielen deutschen Zeitungen lesen; er selbst hatte sie telegraphisch über sein Ableben informiert.
Ob er damals auch schon die Aufmerksamkeit der beiden reichen Frankfurter Brüder Jean Babtist Müller-Herfurth und Gustav-Adolf Müller-Czerny errang, ebenfalls laute Empörer wegen des Falles Hau, die ihn beide später förderten, weiß ich nicht, aber 1909 kam er nach Frankfurt.
Seinen Abschied aus Karlsruhe beging er, indem er Zeitungsanzeigen schaltete, in denen er ankündigte, von seiner Wohnung bis zur Kaiserstraße zu fliegen und dies mit reiner Muskelkraft. Tausende von Schaulustigen hatten sich in strömendem Regen eingefunden um dieses Spektakel zu sehen, Waßmann indes saß schon im Zug nach Frankfurt. Auf dieser Zugreise lernte er Danny Gürtler kennen, den Deutschlandweit anerkannten König der Boheme, der Frankfurt 1908 ein Heinedenkmal hatte spendieren wollen.
In Frankfurt scharte Karlchen nun seine Jünger um sich. In den Zeitungen wurde angekündigt, Waßmann lasse nun seine sieben Jünger nach Frankfurt kommen und von hier aus sollten sie in ganz Deutschland seine Naturapostel-Lehren verbreiten. Als die Sieben dann am 12.Oktober 1909 auf dem Frankfurter Hauptbahnhof eintrafen, wurden sie von Menschenmassen erwartet und ein Polizeieinsatz wurde nötig, um die Jünger sicher aus dem Bahnhofsgebäude zu geleiten.
Förderung haben sein jüngerer Bruder Hermann und er hier
in Frankfurt allerdings erst mal nicht erfahren und sie verlegten sich auf ausgedehnte und
öffentliche Hungerkuren. Ausschließlich gehungert haben die beiden aber nicht,
denn schon 1910 rückte Karlchen in Frankfurt für zweieinhalb Wochen ins
Gefängnis ein, weil er einem Wirt vorgegaukelt hatte er würde sich – gegen 30
Mark am Tag – in Castans Panoptikum auf der Kaiserstraße 45 Tage lang lebendig einmauern lassen. Um
gut gestärkt hinter die Mauer zu gehen, hatten die beiden drei Monate lang
jeden Mittag bei dem Wirt anschreiben lassen. Ganz aus der Luft gegriffen war
diese Idee übrigens nicht; schon in Karlsruhe hatte er sich 1905 einmauern
lassen. Hier musste er allerdings schon nach 18 Tagen, ohnmächtig und mit
hohem Fieber, aus seinem Verlies befreit werden. Um an Geld zu kommen, zog er
durch Frankfurts Wirtschaften und verkaufte selbstverfasste Gedichte – die aber
niemand haben wollte. Karlchen war aber kein Dummer, er besorgte sich (1909) eine dunkle
Kutte und Sandalen und nur damit bekleidet zog er von da an durch Frankfurt
und war jetzt wesentlich erfolgreicher beim Verkaufen und auch seine Vorträge,
die er hielt waren jetzt gut besucht.
Er kam zu viel Geld, verjuxte es aber gleich wieder,
nicht zuletzt für Zeitungsanzeigen, die er in eigener Sache schaltete. 1911
gewann er wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit der Presse, als er den Papst
beleidigte und deshalb in Gießen vor Gericht kam. Er wurde zu einer Geldstrafe
verurteilt und im Anschluss von jubelnden Studenten , auf einem Pferd sitzend,
im Triumphzug durch die Stadt geleitet. Waßmann kündigte an, seinen Anti-Rom-Kampf
jetzt erst richtig aufzunehmen und machte sich auf eine Vortagsreise durch
Deutschland. So gut wie in Gießen wurde er aber nicht überall aufgenommen,
schon eine Woche später war es in Göttingen bei einem seiner Vorträge zu
Krawallen und Massenverhaftungen gekommen. Ein Student zeigte Karlchen
wegen einer Ohrfeige, die er von ihm erhalten hatte, an und er musste wieder
für einen Tag einrücken.
Zurück in Frankfurt, gründete er eine Zeitung, den Freigeist, den er als Redakteur, Drucker und Zeitungsverkäufer in einer Person herausgab.
Als er im Mai 1911 abfällig über einen russischen Boxer, der einen Kampf im Schumann-Theater verloren hatte schrieb, passte dieser ihn auf der Kaiserstraße ab, nahm ihm seinen Zeitungs-Packen und verhaute ihn.
Jetzt wand er sich Danny Gürtler zu. Danny war recht
wohlhabend und die nächsten zwei Jahre gingen die beiden “Apostel“ kreuz und Quer durch
Deutschland auf Tour. "Das ist ein ungleiches Gespann, das nicht
zusammengehört", wie man in einer Frankfurter Zeitung lesen konnte. 1913 - Gürtler war, nachdem er vom Fenster seiner
Hamburger Wohnung aus eine Rede gehalten hatte und seine Zuhörer mit Orangen
bewarf, in eine Geistesheilanstalt eingewiesen worden, die er auch nie wieder
verließ - kehrte Waßmann endgültig nach Frankfurt zurück, wo er gleich
wieder von sich reden machte. Er behauptete in seinem Freigeist, am städtischen Krankenhaus Frankfurts sei das
Anti-Syphilis Medikament Salvarsan zwangsweise an Prostituierten als
„Versuchskaninchen“ erprobt worden, 15 Todesfälle und viele Lähmungen habe es
gegeben. In den folgenden Nummern seiner Zeitung und in Vorträgen in der
Stadt
machte er sich zum Anwalt der entrechteten Prostituierten und reihte
sich ein in die Phalanx der Gegner des „Salvasan-Syndikats“, das die
sozialdemokratische Volksstimme in Frankfurt am Wirken sah. Der Klinikleiter
Dr. Herxheimer verklagte ihn nun wegen Beleidigung (das Salvasan zwangsweise an
Prostituierten angewandt wurde stand gar nicht in Frage). Waßmann wurde bei
diesem Prozess vom sozialdemokratischen Anwalt Paul Levi vertreten.
Karikatur des KPD-Vorsitzenden Levi von 1919
Levi hatte ein Vierteljahr zuvor Rosa Luxemburg in Frankfurt verteidigt, 1912 die Frankfurter Nachrichten gegen den Schmuddeljournalisten Müller-Herfurth und später noch den Frankfurter Matrosenführer Stickelmann. Der prominente Anwalt schien Waßmann aber eher geschadet als genutzt zu haben; statt der von der Staatsanwaltschaft geforderten sechs Monate wurde er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Aber Waßmann hatte Glück (wenn man es so sehen will und Karlchen sah es so), der Krieg brach aus und er wurde begnadigt. Statt der Sträflingskluft, bekam er jetzt eine Uniform.
Er zog aber nicht
gleich in den Krieg, sondern führte in seiner Zeitung den Kampft gegen
Salvarsan weiter – als Paul Ehrlich 1915 starb, schrieb der Leiter der
psychiatrischen Klinik Hohemark in einem Zeitungsartikel, das respektlose
Auftreten Waßmanns beim Salvarsanprozess in Frankfurts habe zu Ehrlichs zu
frühem Tod beigetragen.
1916 wurde er dann doch eingezogen. Zuvor heiratete er noch im Frankfurter Römer.
An die Front musste er wohl nicht, denn selbst während des Krieges erschienend weitere Ausgaben des Freigeists, der mittlerweile zum "deutschen Freigeist" geworden war. 1917 kehrte Waßmann endgültig aus Frankreich zurück .
Auch scheint er Zeit zum Schreiben gehabt zu haben, denn noch 1918 erschien seine Autobiografie „die Abenteuer des Karlchen Ungeraten“. Nach dem Krieg startete er mit seiner Frau Hanni, einer Künstlerin die er im Zuge seiner Salvarsan-Kampagne kennengelernt hatte, eine Anti-Antisemitische Bewegung, mit regelmäßigen Kundgebungen am Heine-Denkmal im Frankfurter Anlagenring, aufmerksam verfolgt von Müller-Herfurth, unter dessen Protektion er jetzt zu stehen schien, jedenfalls wurden akribisch die Aktivitäten von Karl und Hanni Waßmann, ja selbst deren Ehekrisen in Müller-Herfurths „Fackel“ besprochen. Müller-Herfurth ist dadurch allerdings auch eines der „Sonnenkinder“ geworden, zumindest wurden auch seine Gedichte im Rahmen der Auftritte dieser Waßmann’schen Künstlertruppe von Hanni und Karlchen in Frankfurter Varietes vorgetragen. Das hatte auch bei Müller-Herfurth schon einmal anders geklungen, 1910 schrieb er noch, dem übelriechenden Schnorrer gehöre auf die Schweißfüße gespuckt und er in ein Toilettenhäuschen eingesperrt - so hatten sich die Zeiten geändert, Waßmann wurde zum Star. Im April 1918 – noch während des Krieges - gründeten Waßmann und einige seiner Freunde und Mitstreiter die Sozialaristokratische Partei. Das schien der Obrigkeit nicht zu gefallen. Um ihn dafür abzustrafen wollte man ihn zwangsweise zur Arbeit in einer Munitionsfabrik schicken. Mit der Begründung, er habe einen Herzklappenfehler, verweigerte er dies. Wegen Beleidigung des Frankfurter Hilfsdienstausschusses erhielt er sechs Wochen Gefängnis. Als Vorsitzender der Sozialaristokraten kandidierte Karlchen Anlässlich der Wahlen zur Nationalversammlung 1919 um einen Abgeordnetensitz. Mit einem fahrbaren Rednerpult zog er durch Frankfurt und hielt an den Straßenecken Wahlreden. Seine Position als Parteichef kam ins Wanken, als Karlchen eine Ergebenheitsadresse an den eben abgedankten Kaiser nach Holland geschickt hatte und der auch noch dankbar geantwortet hatte (Wilhelm konnte ja auch nur froh sein, über jeden Freund den er noch hatte), aber auch diese Krise überstand er. Seine Partei hatte in Adolf Plessener (1889-1943 Auschwitz), mit dem Wassmann während des Krieges in Frankfurt zusammengearbeitet hatte, sogar eine Ortsgruppe mit eigener Zeitung (der Galgen) in Berlin.
Als er sein Wahlziel verfehlte, witterte er
Betrug und focht die Wahl an, allerdings ergebnislos. Das war dann auch das
Ende der Partei und aus den Sozialaristokraten wurden die Christsozialisten.
Im April 1919 firmierte dann auch der Freigeist zur
Liebe um und von nun an zog er – mit seiner Kutte bekleidet – durch Frankfurts
Wirtschaften und fragte die Gäste, ob sie nicht seine Liebe kaufen
wollten.
Durch jahrelange Erfahrung geschult wusste er auch
auf jeden bissigen Kommentar eine Antwort und so wurde er zu einer Frankfurter
Institution und Karlchen hatte offensichtlich viel Spaß daran. Um diese Zeit
herum muss dann auch Waßmanns Adoptivsohn Manfred auf die Welt gekommen sein
(Manfred hatte im Teenageralter mit einem Vater wie Karlchen nicht viel zu
lachen, wie man bei Valentin Senger lesen kann, ist später im Krieg gefallen ).
1920 wandt Karlchen sein Augenmerk mehr und mehr auf Bad Homburg, dort wirkte der jüngere Bruder Müller-Herfurths, der schwerreiche Wunderheiler , Spiritist und Zeitungsherausgeber Müller-Czerny, mit dem Karlchen sich nun anfreundete (erstaunlich, denn 1918 hatte Müller-Czerny ihn bei der politischen Polizei, als mit dem Feind in Kontakt stehend denunziert). Er hielt in Bad Homburg in dortigen Wirtschaften gut besuchte Werbevorträge für den Heiler und kündigte an , bei guter Führung in der Geisterwelt, werde er selbst bald in der Lage sein Tote wiederzuerwecken, das habe ihm der Geist von Martin Luther versprochen.
Waßmann-Karikatur 1921
Anzeige von 1926
Ob es tatsächlich zu Totenerweckungen gekommen ist, ist nicht überliefert. Dummerweise starben beide Müller-Brüder 1922, so dass ihm seine Presseplattform ein wenig abhanden kam, als aber der Frankfurter Generalanzeiger 1925 eine Umfrage nach dem prominentesten Frankfurter startete, brachte er es auf Platz fünf – immerhin.
Mittlerweile hatte er sich auch ein anderes Kostüm zugelegt,
seine Kutte war wohl
diskreditiert - wegen einiger
exibizionistischer Auftritte Waßmanns 1924, für die er wieder ins Gefängnis
ging. Statt der Kutte
trug er jetzt eine Wandervogelkluft mit kurzen Hosen (sommers wie winters) und
zog mit der grünen Fahne der Hoffnung, seine Zeitung verkaufend, durch
Frankfurts Kneipenwelt. Seinen Schwerpunkt legte er dabei auf den
Rotlichtbezirk der Frankfurter Altstadt und die Apfelweinwirtschaften
Sachsenhausens und wer ihm einen Schoppen oder einen Brezel (frankfurterisch der
Brezzel, bayerisch die Breezel) ausgab, bekam eines seiner Gedichte
vorgetragen. Gelegentlich zog auch seine Frau Hanni los und fragte in den
Wirtschaften , ob man nicht das „Organ ihres Mannes“ kaufen wolle.
Karl Waßmann 1928
In seiner Liebe hatte sich Waßmann selbst zum deutschen
Rasputin erklärt und er druckte (die Druckerpresse stand in seiner Wohnung
im Riederwald) in seiner Zeitung nicht nur seine Gedichte und viele Anzeigen,
sondern er teilte den Frankfurtern auch mit, was er so von der Welt dachte, und
was Karlchen Waßmann so dachte, das war oft völkisch-braun.
1925 versammelte er 800 "Vagabunden" - vor allem ziehende Handwerkerburschen und Straßenmusikanten - auf dem Römer und ließ sich von diesen zum König der Vagabunden wählen.
Zu den Kommunalwahlen 1928 und 29 trat er wieder mit
einer eigenen Partei an, dem Waßmann-Bund. Karlchen eiferte in seinem Wahlkampf
unter dem Slogan „Gegner des Flachdachs wählt Waßmann“ gegen das
Triumvirat Landmann-May-Asch und erzielte jeweils um die 1300 Stimmen (0,5%).
Als 1933 die Nazis an die Macht kamen, begrüßte er dies mit lobhudelnden Gedichten, aber die Nazis fanden einen, der eine Druckerpresse zu Hause stehen hatte wohl suspekt, bei denen fand er keinen Anklang. 1934 versuchte er nochmals aufzutrumpfen, wie mehr als dreißig Jahre zuvor schon sein Vorbild Müller-Herfurth, stieg auch Karlchen nun - als Schutzpatron Frankfurts - in einem Frankfurter Variete in einen Löwenkäfig. Der Dompteur konnte ihn nur schwer davon abhalten, dem Löwen seinen Kopf ins Maul zu stecken.
Waßmann und Löwe im Schumanntheater
Auch auf dem Mainzer Fastnachtszug 1935 kam er
nochmals groß heraus, aber dann wurde es still um ihn. 1939 wurde ihm, nachdem
man ihm zuvor schon sein Praktizieren als Heilpraktiker verboten hatte
nahegelegt, sich eine produktive Arbeit zuzulegen und nicht mehr mit seiner
Fahne auf Kneipentour zu gehen. Wütend schrieb Karlchen einen bitteren
Beschwerdebrief an den Gauleiter. Karl
Waßmann, der auch gerne mal auf der Straße vor seiner Haustüre auf die Nazis
schimpfte, wurde von diesen kurz nach Kriegsausbruch verhaftet und 1941 in
die hessische Euthanasieanstalt Hadamar
verschleppt, wo man ihn noch
am Tag seiner Ankunft dort, den 14.März 1941, ermordete.
Deutliche Parallelen gibt es zwischen dem Leben und Wirken und leider auch Sterben Waßmanns und dem des "Naturphilosophen" Carl Pitschaft, der sich ebenfalls in Frankfurt seinen Ruf als Paradiesvogel erarbeitet hatte, allerdings 100 Jahre vor diesem.
Sein Grab fand Karl Waßmann auf dem Frankfurter Hauptfriedhof. Es befand sich, von der Ratbeilstraße kommend, an der Gruftenreihe vorbei gleich links. 1958 wurden etwa 500 Frankfurter Euthanasieopfer auf ein Ehrenfeld auf dem Hauptfriedhof umgebettet, Karlchen Waßmann allerdings nicht.
Waßmann hat in Frankfurt auch ein Denkmal erhalten (ein kleines), zu sehen ist er, zusammen mit Streichholz-Karlchen, an der Wand der Saalgasse 11. Vor seinem Haus, Am Erlenbruch 10, gibt es außerdem einen Stolperstein.
"Wirke so lang es Tag ist, denn es kommt die Nacht, da niemand wirken kann"
Karl Waßmann 1913 (Bibelzitat)