Ballone 1785-1885-1985
Ein
Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie
1785 machte sich der französische Luftschiffer Jean
Pierre (oder auch Nicolas) F. Blanchard auf, Weltruhm zu erlangen. Als
Luftschiffer war das damals in Frankreich schon nicht mehr so leicht möglich,
weshalb sich Blanchard nach Westen wandte. Er wurde nicht nur der erste
Luftpionier Deutschlands, sondern einer ganzen Reihe von Ländern. Nachdem er als
erster den Englischen Kanal überflogen hatte, war er in aller Munde und auch im
Ballon-begeisterten Frankfurt (1783 und 84 waren hier schon eine ganze Reihe von
unbemannten Ballonen aufgestiegen) wollte man ihn haben. Zur Herbstmesse
1785 kam er dann nach Frankfurt. Vor 100.000 Zuschauern (ein Vielfaches der damaligen Einwohnerzahl der
Stadt), sollte hier erstmals eine Luftfahrt in Deutschland unternommen werden. Zumindest hatte Blanchard sich
das so gedacht. Im Frankfurter Magistrat aber, war man sehr vorsichtig was
Neues anging und hätte Blanchard gerne seine Luft-Akrobatik verboten, wenn
dieser nicht einen bedeutenden Fürsprecher gehabt hätte, den Pfalz-Grafen
Carl den II., und den Darmstädter Erbprinzen, der an dieser ersten deutschen Luftreise sogar teilnehmen
wollte. Zähneknirschend gestattete man
also das Unternehmen und man schien sogar Glück zu haben, denn von Lille nach
Frankfurt aufgebrochen, galt Blanchards Ballon-Karawane tagelang als
verschollen. Mit einer Woche Verspätung erschien er aber dann doch und
Blanchard durfte starten, allerdings nicht, wie er dies der besseren
Thermik und der größeren Fläche wegen
gewünscht hatte auf der Bornheimer Heide, auf Befehl des Rates musste er am Grindbrunnen
starten (eine große Wiese am Main, heute Westhafen), wofür von der
"Obrigkeitlichen Vorsorge" auch gleich ein
Verkehrsplan aufgestellt
wurde..
Blanchard war aber nicht nur Enthusiast, er wollte mit seinem Ballon auch Geld verdienen; ein Platz in der ersten Reihe, ganz nahe am Ballon kostete einen Carolinen (eine Goldmünze im Wert von 11 Gulden, ein Dienstmädchen verdiente damals in Frankfurt 10 Gulden im Jahr, ein einfacher Handwerker maximal 1 Gulden am Tag, eher aber weniger). Nachdem man schon am 25.September den ganzen Tag mit Vorbereitungen verbracht hatte, sollte es am 27. losgehen 100.000 Zuschauer waren zusammengeströmt um Augenzeugen dieses Ereignisses zu werden. "Das Zuströmen der Menschen und die Theuerung der Wohnungen waren in Frankfurt so groß, als je bey einer Kaiser-Krönung", konnte man in einer auswärtigen Zeitung lesen.
Leider verfügte Blanchard
damals noch nicht über die heutigen Druckgasflaschen und so musste er den Wasserstoff,
den er zur Füllung des Ballons benötigte, vor Ort selbst produzieren (die
Holzfässer auf dem Bild). Das dauerte Stunden. Als es dann endlich losgehen
sollte, Blanchard, der Prinz und ein französischer Offizier (der in Frankfurt
lebende Dragoneroffizier Schweitzer hatte Blanchard in die Stadt eingeladen)
waren schon in die Gondel gestiegen, kam ein starker Wind auf und 100 Männer,
die den von seinem Holzpflock losgerissenen Ballon halten wollten, wurden
hin und her gerissen, da riss ein gespanntes Seil ein Loch in die Stoffhülle des Ballons, das Gas entwich und
Blanchard fiel in Ohnmacht. Die zahlende Kundschaft war sehr unzufrieden und
deckte die drei mit einem Steinregen ein. Vor der wütenden Menge mussten sie
sich in Blanchards Gasthof, dem Goldenen Löwen auf der Fahrgasse
flüchten und dort verstecken (dort wo heute der Löwenbrunnen steht, im Haus
dahinter ist noch der Türsturz-Löwe des alten Gasthofs verbaut). Ein Wind hatte
also den Ballon, zerrissen. In Frankfurt wurde allerdings gemunkelt, es sei
doch wohl eher eine Windbüchse gewesen (heute würde man Luftgewehr dazu
sagen), denn Blanchard hatte auch Feinde. Einer dieser Feinde hat ihn dann auch
später im ersten Luftkampf der Geschichte über der Schweiz abgeschossen. Dieser
Feind hieß Jean Paul und schoss ihn glücklicherweise 1801 nur mit seiner
Feder ab; das liest sich so:
„Diese hehre heilige Gegend konnt' ich weniger, am
wenigsten den daher fliegenden Frosch, der sich gerade wie ein anderer im dünnern
Luftraum aufbläset, nämlich dem erbärmlichen Luft-Styliten Blanchard
vergönnen, der für Geld seinen Küstenhandel nahe an der Erde trieb, und der
jetzt mit dem tiefern Gegenwinde daher fuhr. Ich, zu einem Luft-Treffen fertig,
stieß wie ein Falke auf sein Schiff, sah' es aber leck nur langsam sinken; der
Sünder hatte manches an sich, was er hätte brechen mögen, den Hals kaum
gerechnet. Mög' einer diesem Windschiffer einmal hinter einer Windbüchse
nachschauen!“ –
Am 03.Oktober, Blanchard hatte glücklicherweise einen
Ersatzballon dabei, machte er sich an den zweiten Versuch, diesmal aber
nicht am Main, sondern jetzt doch von der Bornheimer Heide, der heutigen
Schopenhauerstraße aus. (Für die Konzession dazu musste er den dortigen
Landbesitzern 300 Gulden zahlen, an der Schopenhauerstraße erinnert heute ein
Wandgemälde an diesen ersten Aufstieg (allerdings mit zwei Passagieren statt
nur einem)). Leider hatte er jetzt nicht mehr genug Material um ausreichend Gas
für seinen Ballon herzustellen, so konnte er den grün-rot gestreiften Ballon nicht prall füllen und
der Prinz, als auch der Offizier mussten am Boden bleiben.
Um zwanzig nach zehn flog er dann los, in absoluter
Stille, die von den anwesenden 100.000 erzeugt wurde, so beeindruckt war man.
Gemütlich flog der nun nach Bockenheim, wo er über der dortigen Warte seinen
Hund an einem selbst konstruierten Fallschirm abwarf (mit der schriftlichen
Bitte um den Hals, ihn gegen Belohnung in den Goldenen Löwen zu bringen), also
hat Frankfurt auch den ersten Fallschirmabsprung Deutschlands zu verbuchen.
(Die schlechte Steuerbarkeit der Ballone war ein großer Nachteil und von Blanchards Flug inspiriert, schuf der spätere Frankfurter Großherzog Dahlberg schon 1785 die Pläne zum "Luftfisch", ein ovales Luftschiff mit starrem Gerüst, das durch einen Pedalen betriebenen Propeller angetrieben wurde. Gebaut wurde der Luftfisch aber erst 1898 von der Frankfurter Flugpionierin Kätchen Paulus.)
Blanchard blieb aber weiterhin geschäftstüchtig. Er
verfasste einen Reisebericht, ließ ihn ins Deutsche übersetzten, widmete ihn
dem Pfalz-Grafen Carl und machte auch damit ein gutes Geschäft. Auch Goethe-Mutter
Aja hat einen dieser Berichte gekauft und sie schrieb darüber an einen
Freund: „ ... Hier schicke ich Ihnen auch eine getreue und wahrhafte, von
Sternen und Ordensbändern unterzeichnete ausführliche Beschreibung des zuerst
zerplatzten, hernach aber zur Freude der ganzen Christenheit in die Luft
geflogenen Luftballons nebst allem Klingklang und Singsang, kurzweilig zu lesen
und andächtig zu beschauen.“
Im Sommer 1788 kam der Aerostate Blanchard
(wie er sich nun nennen ließ) nochmals auf der Durchreise nach Frankfurt. Hier
beauftragte er nun einen Anwalt für ihn beim Rat einen zweiten Aufstieg zu
beantragen. Er habe seine aerostatischen Kenntnisse derarten vervollkommnet,
schrieb er, dass er nun auch aus der Stadt heraus und auch zu günstigeren
Kosten aufsteigen könne, der Rahmhof sei der geeignete Startplatz (heute
die Börse). Diesmal wollte aber kein Prinz mitfliegen und so fiel es dem Rat
nicht schwer zu entscheiden: Abgelehnt !
In Frankreich brach im Jahr darauf die Revolution aus, in deren Folge es die nächsten beiden Jahrzehnte Krieg gab, aus Frankreich kamen also erst mal keine Aeronauten mehr nach Frankfurt. Unter Napoleon wurden die Zeiten zeitweise aber wieder ruhiger und auch die Ballonfahrt nahm wieder einen Aufschwung – auch in Frankfurt. Erst mal kamen zwei deutsche Mechaniker, der Karlsruher Friedrich Drechsler, der im November 1801, und der Potsdamer "Mechanikus und Physiker" Johannes Adam, der zur Ostermesse 1802 über Frankfurt aufsteigen wollte, beide in einem Heißluftballon, der von Adam bestand aus ölgetränktem Papier und das städtische Bauamt sah schon die ganze Fachwerkaltstadt in Flammen aufgehen : Abgelehnt ! Im April 1803 wollten fünf Straßburger auf der Pfingstweide aufsteigen: Abgelehnt ! Zur Herbstmesse 1803 will der Italiener Johannes Santi mit einem Gasballon aufsteigen : Abgelehnt ! Zur Ostermesse 1805 dann will der Mechanikus Josef Liebhard aufsteigen und über Frankfurt ein Luftfeuerwerk abbrennen; man hört das städtische Bauamt nach Luft schnappen : Abgelehnt ! Auch zur Ostermesse 1805 beantragt der französische Luftschiffer Garnerin ebenfalls einen Luftaufstieg über Frankfurt: Abge... aber halt, Garnerin zieht seinen Antrag zurück, er müsse jetzt nach Mailand, wo er bei der Krönung Napoleons aufsteigen solle; das saß! Am 12.September 1805 ist der Luftschiffer André Jacques Garnerin in Frankfurt mit einem Heißluftballon gestartet.
Er flog von der Pfingstweide (heute Zoo) bis
zur Sachsenhäuser Warte. Der Eintritt in der ersten Reihe kostete jetzt nur
noch 1,5 Kronentaler (4 Gulden). Ein wenig begabter Frankfurter Poet dichte
dazu, dass die schönen Bewohnerinnen des Mondes jetzt vor den kecken Angriffen
der Erdbewohner nicht mehr sicher seien. Aber dann:
Zur Hochzeit Napoleons war am 24.Juni 1810 die Witwe Blanchards, Madelaine-Sophie Blanchard in Paris aufgestiegen, ihre 18. Auffahrt sollte nun zur Herbstmesse in Frankfurt stattfinden. Vor dem Aufstieg hatte sie ihren Ballon zu Werbezwecken in der halbfertigen Paulskirche ausgestellt. Dazu hatte man einen Ballon aus weißer Seide, über und über mit Blumen und Girlanden geschmückt, an einem Haken aufgehängt und mit einem Schmiedeblasebalg aufgeblasen und Frankfurts bessere Gesellschaft konnte - sicher - im Korb des Luftgefährts possieren.
Der Aufstieg sollte am 16.September 1810 um 16 Uhr vom Klapperfeld
aus stattfinden, bis dahin war der Ballon - ein ganz ordinärer, gestreifter - allerdings noch nicht mit Gas
gefüllt. Als es abends begann dunkel zu werden, schnitt sie die Gondel vom
Ballon, knotete die Seile zusammen und stieg um 19 h, nur in einer Seilschlaufe
hängend, auf. Unter lautem Beifall startete sie. Dieser Beifall fehlte dafür Carl
Maria Weber, dessen Oper „Silvana“ zur gleichen Zeit im Frankfurter
Schauspielhaus uraufgeführt wurde und die vor leeren Bänken spielte.
Madeleine flog innerhalb von zwei Stunden bis in den
Taunus, wo sie bei Steinfischbach (Nähe Camberg) in einem Baum hängen
blieb. Es war kalt und es hagelte. Sie brauchte einige Zeit, um sich aus dem
Baum zu befreien und irrte dann durchnässt im Wald herum, bis sie um 3 Uhr
morgens Steinfischbach erreichte, wo ihre Erfrierungen behandelt wurden. Am
Nachmittag des folgenden Tages wurde sie
nach Frankfurt zurückgebracht. Hier wurde nun zwar keine Münze geprägt,
dafür aber ein Lied auf sie gedichtet:
nach der Melodie von: „lass doch die
Politiker sprechen“
willkommen auf dem Klapperfeld.
Was schert uns der profane Name,
wenn Ihnen das Lokal gefällt.
Sie wandeln um das Klapperfeld,
von nun an heißt es Luftfahrtwelt.
fuhr Blanchard glücklich bei uns auf;
dem Wind geziemend nachzufahren
so ging nordwärts hin sein Lauf.
Begrüßt von Jubel, Ehr und Glück,
kam er wie im Triumph zurück.
bei uns das große Schauspiel sich.
Herr Garnerin kam und erfreute
durch seine Auffahrt männiglich.
Ihm wies der Wind die Südbahn
zu seiner lustgen Reise an.
In den kommenden Jahrzehnten stiegen immer
wieder Ballone über Frankfurt auf, so zum Beispiel der berühmte britische
Luftschiffer Charles Green am 23.Mai 1852. Wegen eines
aufziehenden Gewitters landeten er und seine Begleiterin schon wieder in Neu
Isenburg. Die herbeieilenden Bauern zogen den Ballon an den heruntergeworfenen
Stricken zu Boden, hörten dann aber nicht auf, sondern zogen immer weiter an dem
den Ballon umgebenden Netz. Die beiden Luftschiffer wurden unter dem Ballon
eingepresst und Green gelang es nicht, das Gasventil zu öffnen, so dass
sein Ballon unter dem stetigen Druck auf seiner ganzen Länge aufplatzte. Kurz
darauf, am 01.August 1852 Eugene
Godard, der hinter der Stadtbibliothek aufstieg. Als Attraktion warf er
einen, in einem Käfig sitzenden Affen mit einem Fallschirm ab. Gefunden wurde
der Affe erst acht Monate später, in seinem Käfig verhungert in einer
Tanne des Stadtwaldes hängend. Damit war Frankfurt zur führenden Luftfahrtstadt
Deutschlands geworden und wurde auch von Ausland her beobachtet, zum Beispiel
von Jules Verne, der Frankfurt zum Ort des Geschehens seines Kurz-Romans "Ein
Drama in den Lüften" machte. Am 22. September 1867 kamen dann
die Gebrüder Berg, die vom Obermaintor aus startend eine besondere
Attraktion zu bieten hatten, sie nahmen nicht nur vier Personen mit, sondern
auch noch einen Elefanten (der Zeitungsartikel liest sich, als sei es
ein echter gewesen – nur schwer vorstellbar!), auf dessen Rücken nämlich war
der Korb mit den Passagieren befestigt.
Dann kam das Jahr 1885 und damit der
hundertste Jahrestag von Blanchards Frankfurter Luftfahrt. Inzwischen gab es auch
eine Reihe von deutschen Ballonfahrer und so musste zur Jahrhundertfeier
kein Franzose herangezogen werden, mit denen verstand man sich zwischenzeitlich
aber auch nicht mehr so gut. Für
Sonntag den 27.September war großes geplant: nämlich der 293. Ballonaufstieg
von Carl Securius, außerdem eine Gedenkausstellung mit Memorabilen zur
Blanchard-Fahrt hundert Jahre zuvor, beides im Zoo. Securius war in Deutschland
einer (der Handvoll) ganz großen der Luftschifffahrt. Es gab nur wenige, die
dafür aber oft und überall auftraten. Man wollte das hundertjährige Jubiläum in
Frankfurt also gebührend feiern; aber dann hat es geregnet und Securius’ 293.
Aufstieg fiel aus. Vielleicht hätte man sich besser für Hermann Lattemann
entschieden, auch einer der wenigen ganz großen Lattemann war mit seinem
Miniaturballon ‚Rotateur’ schon im Juli 1885 in Frankfurt aufgetreten. Der
Rotateur war nur halb so groß wie andere Ballone und hatte weder Anker noch
Gondel, sondern nur Steigbügel, in denen der Pilot stand. Auch mit Fallschirmen
sprang er, wobei er nicht immer einen gesonderten Schirm dabei hatte, sondern
der Ballon sich auch umstülpen konnte und dann selber Fallschirm wurde.
Spätestens 1891 war er in Frankfurt zu einer festen Institution geworden, als
er regelmäßige Aufflüge von einem Areal neben der Elektrotechnischen
Ausstellung (heutiges Bahnhofsviertel,)
veranstaltete und dabei auch Vertreter des Hochadels in die Lüfte über
Frankfurt brachte.
Am 29.Aug.1891 absolvierte er dabei seinen 500. Flug. Auf der Ausstellung war der Ballon an einem Seil befestigt und flog normalerweise nur über dem Ausstellungsgelände, am 26. Mai 1891 aber löste sich der Ballon vom Haken, gerade als die Passagiere aussteigen wollten und flog ungesichert über ganz Frankfurt bis zur Vilbeler Landstraße / Heiligenstock (neben dem Lohrberg) Einen Monat später flog er über Frankfurt und sprang mit einem Fallschirm ab. Durch eine Drehung des Ballons aber kam der Fallschirm an den Anker und riss auf. Er fiel nun wesentlich schneller aber er konnte trotzdem glücklich landen, wenn auch nicht wie geplant auf einer Wiese außerhalb, so doch mitten im Westend auf der Arndtstraße. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Kätchen Paulus, der Mutter seines Sohnes, lebte er in Frankfurt (die Legende sagt, bei einem Fallschirmabsprung sei er in ihrem Garten, in der Offenbacher Landstraße gelandet, wo sie sich kennen und lieben lernten). Beide traten aber in ganz Deutschland auf So auch 1894, als beide gemeinsam in Krefeld mit Fallschirmen absprangen. Hier verwickelte er sich in den Seilen und stürzte ungebremst zu Boden, zu seiner Beerdigung in Krefeld kamen 10.000 Trauergäste. Reich ist er durch seine Kunst aber nicht geworden, nach seinem frühen Tod mit 42 Jahren, nahm sich ein Konkursverwalter seiner hinterbliebenen Ballone an. Anders Kätchen Paulus. Erschüttert durch den Tod ihres Partners erfand sie den zusammenlegbaren Fallschirm und wurde damit während des ersten Weltkrieges richtig reich, allerdings fraß die anschließende Inflation alles wieder auf. Bis zur Beendigung ihrer aktiven Ballonfahrerinnen-Karriere 1914, als auch ihre Ballone zum Militär eingezogen wurden, ist Kätchen Paulus 516 Mal mit dem Ballon aufgestiegen und 147 Mal davon mit dem Falschirm abgesprungen.
Lattemann
stürzt auf die Diesemerstraße, K.Paulus muss es mitansehen
1907 schaffte sich der physikalische Verein, für meteorologische Messungen, einen eigenen Ballon an und taufte ihn "Ziegler"
Nur der Wissenschaft schienen die über 40 Fahrten des Zieglers aber nicht geschuldet zu sein. Gleich die ersten Fahrten standen voll im Dienste des Marketings. Begleitet von Frankfurter Pressevertretern brach man im Januar 1907, bei Eis und Schnee, zu einer Fernfahrt an die französische Kanalküste auf. Ganz soweit kam der Ballon aber nicht, an der Nahe, im heutigen Rheinland-Pfalz, endete die Fahrt schon, da das Schleppseil, das der Ballon hinter sich herzog, sich in neben einer Eisenbahnstrecke aufgestapelten Schwellen verheddert hatte.
Zur ILA, der Internationalen Luftschifffahrt
Ausstellung, von Juli bis Oktober 1909 machte man dann in Frankfurt
keine halben Sachen mehr, insgesamt 52 Ballone stiegen vom Gelände der
Festhalle auf (allerdings immer nur bis zu neun gleichzeitig).
Zur ILA hatte Frankfurt aber auch seinen ersten Ballon-Absturz zu verzeichnen. Die Fangleinen eines Parseval-Ballon-Luftschiffes, das zur Ausstellung Rundflüge über dem Rhein-Main-Gebiet machte, hatten sich in den Dächern der Häuser verfangen und der Parseval PL3 stürzte mit 11 Personen an Bord, nachdem er in der Nähe des Hauptbahnhofes nur mit Mühe die Stromleitungen der Straßenbahn überflogen hatte, direkt vor die Wache der Feuerwehr in der Frankenallee. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden. Der Parseval hatte die Schornsteine der Feuerwache abrasiert und war direkt neben zwei brennenden Asphaltkochern zu Boden gekommen - trotz der Gefahr umringten sofort hunderte von Schaulustigen das Luftschiff. Hätte der mit Wasserstoff gefüllte Parseval die Stromleitung oder einen der Kocher berührt, wäre es unweigerlich explodiert und hätte in Frankfurt eine Tragödie angerichtet und sicherlich zu einem frühen Ende der deutschen Luftschifffahrt geführt. Außerdem war die ILA auch nicht durch die Fliegerei entstandene Schäden versichert, da sich keine der vielen Berufsgenossenschaften dafür zuständig hielt.
Ein anderes Mal verhedderte sich ein Gymnasiast, der einen Aufstieg des Parsevals beobachten wollte, in einer der Fangleinen. Der Wind hatte ihm die Mütze vom Kopf geblasen und er hatte die Absperrung überstiegen. In diesem Moment stieg das Luftschiff auf und der Schüler wurde an seinem Bein hängend 200 Meter mit in die Höhe gerissen. Erst nach einer Viertelstunde landete das Gefährt wieder - der Schüler blieb unverletzt aber wer auf Nummer sicher gehen wollte, der fuhr lieber mit dem Luftschiff-Karussell auf dem Ausstellungsgelände und die ganz Vorsichtigen blieben am Boden und aßen am sicheren Küchentisch Frankfurter Zeppelin-Wurst, eine Leberwurst, die seit 1909 in Frankfurt verkauft wird.
das Luftschiffkarussell im Film
Auf diesen Ballon-Absturz zielte möglicherweise auch ein zeitgenössisches Fastnachtslied ab, das schon - prophetisch - einen kommenden Bombenkrieg besang. Und 1914, gar nicht mehr prophetisch, sondern ganz real, ließ eine deutsche Satirezeitschrift deutsche Bomben vom Zeppelinkarussell aus auf erschreckte Engländer, Franzosen und Russen fallen.
Die ILA-Begeisterung in Frankfurt war aber trotzdem enorm und so dichtete ein Frankfurter:
Wie sinn mer zor Ila gehippt und geloffe
unn hawwe gekrische unn hawwe gekräht !
Wie warn da die Frankforder Herzcher so offe !
Was hat for e Storm der Begeisterung geweht !
Die Mädercher hätte'n am liebste gefresse
de Zeppelin, vor Enzicke unn Glück !
Die Börs' unn der Hannel warn ääfach vergesse
So e großer Moment kehrt net mehr zurick!
Aber immerhin ist die ILA, anders als einige der in Deutschland und Europa parallel stattfinden Flugshows, ohne tote Zuschauer und Flieger von Statten gegangen (Tote Arbeiter beim Auf- und beim Abbau hatte es gegeben.) Kritisch wurde es allerdings, Als Graf Zeppelin mit einem seiner Luftschiffe nach Frankfurt gekommen war; Tausende strömten auf das ILA Gelände. Als dann die Feuerwehr, wegen eines eigentlich unbedeutenden Brandes auf das Ausstellungsgelände fuhr, war in der Stadt das Gerücht aufgekommen, LZ II stünde in Flammen und weitere Menschenmassen strömten zum Ausstellungsort, um mal zu schauen, was passiert. Nur mit Mühe wurde die Polizei des Menschenandranges Herr.
Auch mit Luftfahrt-Spionage konnte die ILA aufwarten. An Bord eines gasgefüllten Ballons, nahm die Tochter des Frankfurter Oberbürgermeisters Adickes an einem Passagierflug teil. Der Ballon wurde bis nach Luxemburg getrieben, wo der Ballon-Führer landen wollte. Allerdings wurde in einem nahegelegenen Stahlwerk gerade ein Abstich vorgenommen und tausende von glühenden Stahlstückchen erfüllten die Luft. Nur mit Not konnte der Ballon wieder aufsteigen und landete ein paar hundert Meter weiter - auf der französischen Seite der Grenze. Sofort wurde die vierköpfige Besatzung festgenommen und in einem Gasthaus interniert, bis man den Ballon und vor allem auch seine umfangreiche fotografische Ausrüstung untersucht hatte. Nach Zahlung eines Zolles von knapp 500 Francs (30 Gramm Gold) dürfte man wieder heimfahren. Im Gegenzug war ein Franzose, der Zeichnungen vom Zeppelin angefertigt hatte, von einem berittenen Polizisten in einer wilden Verfolgungsjagd über das ILA-Gelände verfolgt und verhaftet worden.
Nachdem die Ballonverfolgungsfahrten schon vor dem
ersten Weltkrieg stattgefunden hatten, bei der Ballonverfolgung im April
1914 nahmen sogar reguläre Militärflugzeuge an der Verfolgung teil, wurden Ballon-Verfolgungs-Fahrten
in den 1920er wieder
populär. Selbst zu der Verfolgungs-Fahrt von 1928, es regnete in Strömen und der
Himmel war wolkenverhangen, hatten sich 500 Teilnehmer an der Festhalle
eingefunden. Vier Ballone stiegen auf, jedem waren 125 Autos und Motorräder
zugeordnet worden. Für die Fahrer galt es, seinem Ballon so lange zu
folgen, bis er niederging, der erste, der zum Ballon kam erhielt einen Preis.
Es war gar nicht leicht den Ballonen zu folgen, denn über lange Zeit waren
diese über der Wolkendecke verschwunden, trotzdem war es einigen Fahrern
gelungen, die Ballone bis Rohrbrunn im Spessart zu verfolgen. Dort konnte
man sich gleich an der Rettung der Ballon-Fahrer beteiligen, denn die Ballone
waren alle in den Baumwipfeln eines Waldes hängen geblieben und die
Ballon-Besatzungen mussten sich durch das Geäst abseilen.
Kühler-Plaketten
zu den Begleitfahrten von1914 und 1929
Alles in Allem scheint aber der Ballon nach dem ersten Weltkrieg an Atraktivität verloren zu haben, den 1927 feierte der „“dienstälteste Frankfurter Ballonfahrer“ der Jurist Dr. Landmann erst seine 100. Auffahrt, obwohl er schon seit 1908 flog und zu den Ballonfahrern gehört hatte, die 1909 über der ILA aufgestiegen waren. 1911 war Landmann, Mitten während der Marokkokrise, als die Zeichen auf Krieg zwischen Deutschland und Frankreich standen, mit dem Frankfurter Ballon "Moenus" mit seiner Fotokamera über die Festung Verdun geflogen und dort verhaftet worden.
1985 dann, zum 200. Jahrestag des Ballonaufstieg
Blanchards, fand im Ostpark am 28.September
1985 ein Massenstart von, mit Wasserstoff gefüllten, Ballonen statt.
Oberbürgermeister Walter Wallmann hatte
einen Frankfurter Ballon antreten lassen, die „Frankfurt“ (vormals und nachher
auch wieder „Europa“). Für die Frankfurt wurde extra eine Zusatzumhüllung
genäht, auf der „Frankfurt“ stand.
Befüllt wurden die Ballone mit Wasserstoff, den
Messer-Griesheim zur Verfügung stellte (die Füllung eines Ballons kostete
zwischen 2500 und 3000 DM). Dafür waren 10 Tanklaster aus ganz
Deutschland herangeschafft worden, die die Ballone mit Feuerwehrschläuchen
befüllten.
Eigentlich hatte man vom Rebstockgelände, dem alten
Zeppelinflughafen aus starten wollen, das war aber von der Polizei abgelehnt
worden, da die Ballone die Autofahrer irritieren könnten.
Zum geplanten Starttermin um 10.30 h konnten die
Ballone nicht aufsteigen, da der Wind in Richtung Flughafen blies, der
Moderator Frank Lehmann unterhielt solange die 100.000 anwesenden
Zuschauer. Um 12.30 h stiegen die
Ballone dann auf, allerdings nur 29 von 30, Ballon Nummer 30, die „Frankfurt“,
blieb mit einem Leck am Boden und startete erst verspätet.. Damit waren über
Frankfurt 2/3 aller deutschen Ballone
in der Luft und zwar wesentlich höher als geplant, so dass die Flugzeuge beim
Landeanflug zum Flughafen unter den Ballonen hindurchfliegen mussten.
Gewonnen haben die beiden Fahrer des Ballons „Tecklenburger Land“, die eine
Reise für vier Personen auf die Malediven gewannen. Sie hatten Hassenroth im
Odenwald in 170 Minuten erreicht.
Die Flughafen AG ließ eine Medaille aus 1000er
Feinsilber zu diesem Anlass prägen, mit der alten Gedenkmedaille von 1785 auf
der einen und einem modernen Jumbojet auf der anderen Seite.