Alexander Ruhe: 225 Jahre Luftfahrt in Deutschland / Frankfurt. Oktober 2010

Ballone 1785-1885-1985

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

1785 machte sich der französische Luftschiffer Jean Pierre (oder auch Nicolas) F. Blanchard auf, Weltruhm zu erlangen. Als Luftschiffer war das damals in Frankreich schon nicht mehr so leicht möglich, weshalb sich Blanchard nach Westen wandte. Er wurde nicht nur der erste Luftpionier Deutschlands, sondern einer ganzen Reihe von Ländern. Nachdem er als erster den Englischen Kanal überflogen hatte, war er in aller Munde und auch im Ballon-begeisterten Frankfurt (1783 und 84 waren hier schon eine ganze Reihe von unbemannten Ballonen aufgestiegen) wollte man ihn  haben. Zur Herbstmesse 1785 kam er dann nach Frankfurt. Vor 100.000 Zuschauern (ein Vielfaches der damaligen Einwohnerzahl der Stadt), sollte hier erstmals eine Luftfahrt in Deutschland unternommen werden. Zumindest hatte Blanchard sich das so gedacht. Im Frankfurter Magistrat aber, war man sehr vorsichtig was Neues anging und hätte Blanchard gerne seine Luft-Akrobatik verboten, wenn dieser nicht einen bedeutenden Fürsprecher gehabt hätte, den Pfalz-Grafen Carl den II., und den Darmstädter Erbprinzen,  der an dieser ersten deutschen Luftreise sogar teilnehmen wollte.  Zähneknirschend gestattete man also das Unternehmen und man schien sogar Glück zu haben, denn von Lille nach Frankfurt aufgebrochen, galt Blanchards Ballon-Karawane tagelang als verschollen. Mit einer Woche Verspätung erschien er aber dann doch und Blanchard durfte starten, allerdings nicht, wie er dies der besseren Thermik  und der größeren Fläche wegen gewünscht hatte auf der Bornheimer Heide, auf Befehl des Rates musste er am Grindbrunnen starten (eine große Wiese am Main, heute Westhafen), wofür von der "Obrigkeitlichen Vorsorge" auch gleich ein Verkehrsplan aufgestellt wurde..

 

Blanchard war aber nicht nur Enthusiast, er wollte mit seinem Ballon auch Geld verdienen; ein Platz in der ersten Reihe, ganz nahe am Ballon kostete einen Carolinen (eine Goldmünze im Wert von 11 Gulden, ein Dienstmädchen verdiente damals in Frankfurt 10 Gulden im Jahr, ein einfacher  Handwerker maximal 1 Gulden am Tag, eher aber weniger). Nachdem man schon am 25.September den ganzen Tag mit Vorbereitungen verbracht hatte, sollte es am 27. losgehen 100.000 Zuschauer waren zusammengeströmt um Augenzeugen dieses Ereignisses zu werden. "Das Zuströmen der Menschen und die Theuerung der Wohnungen waren in Frankfurt so groß, als je bey einer Kaiser-Krönung", konnte man in einer auswärtigen Zeitung lesen.

Leider verfügte Blanchard damals noch nicht über die heutigen Druckgasflaschen und so musste er den Wasserstoff, den er zur Füllung des Ballons benötigte, vor Ort selbst produzieren (die Holzfässer auf dem Bild). Das dauerte Stunden. Als es dann endlich losgehen sollte, Blanchard, der Prinz und ein französischer Offizier (der in Frankfurt lebende Dragoneroffizier Schweitzer hatte Blanchard in die Stadt eingeladen) waren schon in die Gondel gestiegen, kam ein starker Wind auf und 100 Männer, die den von seinem Holzpflock losgerissenen Ballon halten wollten, wurden hin und her gerissen, da riss ein gespanntes Seil  ein Loch in  die Stoffhülle des Ballons, das Gas entwich und Blanchard fiel in Ohnmacht. Die zahlende Kundschaft war sehr unzufrieden und deckte die drei mit einem Steinregen ein. Vor der wütenden Menge mussten sie sich in Blanchards Gasthof, dem Goldenen Löwen auf der Fahrgasse flüchten und dort verstecken (dort wo heute der Löwenbrunnen steht, im Haus dahinter ist noch der Türsturz-Löwe des alten Gasthofs verbaut). Ein Wind hatte also den Ballon, zerrissen. In Frankfurt wurde allerdings gemunkelt, es sei doch wohl eher eine Windbüchse gewesen (heute würde man Luftgewehr dazu sagen), denn Blanchard hatte auch Feinde. Einer dieser Feinde hat ihn dann auch später im ersten Luftkampf der Geschichte über der Schweiz abgeschossen. Dieser Feind hieß Jean Paul und schoss ihn glücklicherweise 1801 nur mit seiner Feder ab; das liest sich so:

„Diese hehre heilige Gegend konnt' ich weniger, am wenigsten den daher fliegenden Frosch, der sich gerade wie ein anderer im dünnern Luftraum aufbläset, nämlich dem erbärmlichen Luft-Styliten Blanchard vergönnen, der für Geld seinen Küstenhandel nahe an der Erde trieb, und der jetzt mit dem tiefern Gegenwinde daher fuhr. Ich, zu einem Luft-Treffen fertig, stieß wie ein Falke auf sein Schiff, sah' es aber leck nur langsam sinken; der Sünder hatte manches an sich, was er hätte brechen mögen, den Hals kaum gerechnet. Mög' einer diesem Windschiffer einmal hinter einer Windbüchse nachschauen!“ –

Auf Blanchard haben die Frankfurter dann ganz direkt geschossen, allerdings nur in Form der unten abgebildeten Schießscheibe.

"Dir glückte Blanchard Deine Fahrt, Du brachst nicht Hals und Beine, wie Dein Colleg Pilaster seine. So geht es grad nach Schützen Art, der eilt, daß er durch Centrum  treibe und jener gleichen Muths verfehlet gar die Scheibe"

im Hintergrund sieht man die Bornheimer Johanniskirche, es wird hier also der zweite Aufstiegsversuch gezeigt

Blanchards direktem Konkurrenten um die Frankfurter Lufthoheit war es allerdings auch nicht besser ergangen. Drei Stunden nach diesem versuchte der Mechanikus Enslen aus Straßburg, der schon zur Herbstmesse im Jahr zuvor seine aus Rinderdärmen gefertigte, bunt bemalte "aerostatische Frauenzimmer" und Reiterfiguren hatte aufsteigen lassen, diesen Erfolg vom Rahmhof (heute Börse) aus zu wiederholen, aber auch seine Ballone blieben am Boden.

Am 03.Oktober, Blanchard hatte glücklicherweise einen Ersatzballon dabei,  machte er sich an den zweiten Versuch, diesmal aber nicht am Main, sondern jetzt doch von der Bornheimer Heide, der heutigen Schopenhauerstraße aus. (Für die Konzession dazu musste er den dortigen Landbesitzern 300 Gulden zahlen, an der Schopenhauerstraße erinnert heute ein Wandgemälde an diesen ersten Aufstieg (allerdings mit zwei Passagieren statt nur einem)). Leider hatte er jetzt nicht mehr genug Material um ausreichend Gas für seinen Ballon herzustellen, so konnte er den grün-rot gestreiften Ballon nicht prall füllen und der Prinz, als auch der Offizier mussten am Boden bleiben.

Um zwanzig nach zehn flog er dann los, in absoluter Stille, die von den anwesenden 100.000 erzeugt wurde, so beeindruckt war man. Gemütlich flog der nun nach Bockenheim, wo er über der dortigen Warte seinen Hund an einem selbst konstruierten Fallschirm abwarf (mit der schriftlichen Bitte um den Hals, ihn gegen Belohnung in den Goldenen Löwen zu bringen), also hat Frankfurt auch den ersten Fallschirmabsprung Deutschlands zu verbuchen.

Jetzt war der Zweck der Übung eigentlich erreicht und Blanchard wollte wieder landen, als ihn ein Wind erfasste und innerhalb von 39 Minuten über Bad Homburg (damals Homburg vor der Höhe, ohne „Bad“) nach Weilburg an der Lahn blies. Hier wollte er jetzt direkt auf dem Schlossplatz landen, was ihm aber nicht gelang. Er wurde über die Stadt hinweg auf eine Wiese an der Lahn getragen, wo er seinen Anker warf. Die anwesenden Lahnbauern zogen den Anker aber wieder heraus, Blanchard dachte, um ihm eine Freude zu machen, wahrscheinlicher aber hielten sie das Ganze für Teufelszeug. Der Wind blies seinen Ballon jetzt auf die andere Seite der Lahn, wo er seinen Anker in ein Gebüsch warf, wo er wieder freigemacht wurde. Jetzt flog er über die Lahn und warf direkt in  den Fluss seinen Anker, da konnte er nicht wieder freigemacht werden und mit einem Boot ließ der Landgraf von Weilburg ihn nun an Land holen und brachte ihn am nächsten Morgen (allerdings mit einer Kutsche) im Triumph nach Frankfurt zurück, wo, anlässlich dieses Großereignisses schon silberne Gedenkmünzen geprägt worden waren, von denen Blanchard nun einen ganzen Schwung zur Belohnung erhielt. 

(Die schlechte Steuerbarkeit der Ballone war ein großer Nachteil und von Blanchards Flug inspiriert, schuf der spätere Frankfurter Großherzog Dahlberg schon 1785 die Pläne zum "Luftfisch", ein ovales Luftschiff mit  starrem Gerüst, das durch einen Pedalen betriebenen Propeller angetrieben wurde. Gebaut wurde der Luftfisch aber erst 1898 von der Frankfurter Flugpionierin Kätchen Paulus.)

Blanchard blieb aber weiterhin geschäftstüchtig. Er verfasste einen Reisebericht, ließ ihn ins Deutsche übersetzten, widmete ihn dem Pfalz-Grafen Carl und machte auch damit ein gutes Geschäft. Auch Goethe-Mutter Aja hat einen dieser Berichte gekauft und sie schrieb darüber an einen Freund: „ ... Hier schicke ich Ihnen auch eine getreue und wahrhafte, von Sternen und Ordensbändern unterzeichnete ausführliche Beschreibung des zuerst zerplatzten, hernach aber zur Freude der ganzen Christenheit in die Luft geflogenen Luftballons nebst allem Klingklang und Singsang, kurzweilig zu lesen und andächtig zu beschauen.

Im Sommer 1788 kam der Aerostate Blanchard (wie er sich nun nennen ließ) nochmals auf der Durchreise nach Frankfurt. Hier beauftragte er nun einen Anwalt für ihn beim Rat einen zweiten Aufstieg zu beantragen. Er habe seine aerostatischen Kenntnisse derarten vervollkommnet, schrieb er, dass er nun auch aus der Stadt heraus und auch zu günstigeren Kosten aufsteigen könne, der Rahmhof sei der geeignete Startplatz (heute die Börse). Diesmal wollte aber kein Prinz mitfliegen und so fiel es dem Rat nicht schwer zu entscheiden: Abgelehnt !

In Frankreich brach im Jahr darauf die Revolution aus, in deren Folge es die nächsten beiden Jahrzehnte Krieg gab, aus Frankreich kamen also erst mal keine Aeronauten mehr nach Frankfurt. Unter Napoleon wurden die Zeiten zeitweise aber wieder  ruhiger und auch die Ballonfahrt nahm wieder einen Aufschwung – auch in Frankfurt. Erst mal kamen zwei deutsche Mechaniker, der Karlsruher Friedrich Drechsler, der im November 1801, und der Potsdamer "Mechanikus und Physiker" Johannes Adam, der zur Ostermesse 1802 über Frankfurt aufsteigen wollte, beide in einem Heißluftballon, der von Adam bestand aus ölgetränktem Papier und das städtische Bauamt sah schon die ganze Fachwerkaltstadt in Flammen aufgehen : Abgelehnt ! Im April 1803 wollten fünf Straßburger auf der Pfingstweide aufsteigen: Abgelehnt ! Zur Herbstmesse 1803 will der Italiener Johannes Santi mit einem Gasballon aufsteigen : Abgelehnt ! Zur Ostermesse 1805 dann will der Mechanikus Josef Liebhard aufsteigen  und über Frankfurt ein Luftfeuerwerk abbrennen; man hört das städtische Bauamt nach Luft schnappen : Abgelehnt ! Auch zur Ostermesse 1805 beantragt der französische Luftschiffer Garnerin ebenfalls einen Luftaufstieg über Frankfurt: Abge... aber halt, Garnerin zieht seinen Antrag zurück, er müsse jetzt nach Mailand, wo er bei der Krönung Napoleons aufsteigen solle; das saß! Am 12.September 1805 ist der Luftschiffer André Jacques Garnerin in Frankfurt mit einem Heißluftballon gestartet.

Er flog von der Pfingstweide (heute Zoo) bis zur Sachsenhäuser Warte. Der Eintritt in der ersten Reihe kostete jetzt nur noch 1,5 Kronentaler (4 Gulden). Ein wenig begabter Frankfurter Poet dichte dazu, dass die schönen Bewohnerinnen des Mondes jetzt vor den kecken Angriffen der Erdbewohner nicht mehr sicher seien. Aber dann:

Drei Tage darauf, am 15.September, sprang in einem Fallschirm eine "Luft-Nymphe" (in Form von Garnerins Frau Jeanne-Geneviève Labrosse) über Frankfurt ab. Sollte dieser Sprung tatsächlich stattgefunden haben, angekündigt war er, in den Zeitungen habe ich davon aber noch nichts gefunden, so war er der erste Fallschirmabsprung eines Menschen  Frankfurts.

Zur Hochzeit Napoleons war am 24.Juni 1810 die Witwe Blanchards, Madelaine-Sophie Blanchard in Paris aufgestiegen, ihre 18. Auffahrt sollte nun zur Herbstmesse in Frankfurt stattfinden. Vor dem Aufstieg hatte sie ihren Ballon zu Werbezwecken in der halbfertigen Paulskirche ausgestellt. Dazu hatte man einen Ballon aus weißer Seide, über und über mit Blumen und Girlanden geschmückt, an einem Haken aufgehängt und mit einem Schmiedeblasebalg aufgeblasen und Frankfurts bessere Gesellschaft konnte - sicher - im Korb des Luftgefährts possieren.

Der Aufstieg sollte am 16.September 1810 um 16 Uhr vom Klapperfeld aus stattfinden, bis dahin war der Ballon - ein ganz ordinärer, gestreifter -  allerdings noch nicht mit Gas gefüllt. Als es abends begann dunkel zu werden, schnitt sie die Gondel vom Ballon, knotete die Seile zusammen und stieg um 19 h, nur in einer Seilschlaufe hängend, auf. Unter lautem Beifall startete sie. Dieser Beifall fehlte dafür Carl Maria Weber, dessen Oper „Silvana“ zur gleichen Zeit im Frankfurter Schauspielhaus uraufgeführt wurde und die vor leeren Bänken spielte.

Madeleine flog innerhalb von zwei Stunden bis in den Taunus, wo sie bei Steinfischbach (Nähe Camberg) in einem Baum hängen blieb. Es war kalt und es hagelte. Sie brauchte einige Zeit, um sich aus dem Baum zu befreien und irrte dann durchnässt im Wald herum, bis sie um 3 Uhr morgens Steinfischbach erreichte, wo ihre Erfrierungen behandelt wurden. Am Nachmittag des folgenden Tages wurde sie  nach Frankfurt zurückgebracht. Hier wurde nun zwar keine Münze geprägt, dafür aber ein Lied auf sie gedichtet:

Das Frankfurter Madeleine Blanchard Lied

nach der Melodie von: „lass doch die Politiker sprechen“

Willkommen uns, ehrwürdige Dame

willkommen auf dem Klapperfeld.

Was schert uns der profane Name,

wenn Ihnen das Lokal gefällt.

Sie wandeln um das Klapperfeld,

von nun an heißt es Luftfahrtwelt.

Vor mehr bereits als 20 Jahren

fuhr Blanchard glücklich bei uns auf;

dem Wind geziemend nachzufahren

so ging nordwärts hin sein Lauf.

Begrüßt von Jubel, Ehr und Glück,

kam er wie im Triumph zurück.

Noch nicht so lange, so erneute

bei uns das große Schauspiel sich.

Herr Garnerin kam und erfreute

durch seine Auffahrt männiglich.

Ihm wies der Wind die Südbahn

zu seiner lustgen Reise an.

Am 03.Juni 1817 ließ ein "armer Invalide" vor den Toren Frankfurts einen Ballon aufsteigen. Es war der erste schöne Tag seit langem und so lockte der schon mehrfach verschobene Aufstieg die Frankfurter in Massen vor die Tore.  Um den Ballon am nächtlichen Himmel illuminieren zu können musste es allerdings erst mal dunkel werden und der für 19 Uhr angekündigte Aufstieg verschob sich immer weiter nach hinten. Als die Frankfurter dann spät abends wieder in die Stadt hinein wollten,  fanden sie die Tore verschlossen und jeder der trotzdem das Tor passieren wollte, musste einen Sperrbatzen (4 Kreuzer) entrichten.  Frankfurt befand sich gerade auf dem Höhepunkt einer der furchtbarsten Hungersnöte, die es je erlebt hat und die Stimmung war entsprechend gereizt, die vier Kreuzer wollte man sich nicht nehmen lassen und die Nachtschwärmer stürmten das mit zehn Mann besetzte Tor. Als sich dann auch in der Stadt  Leute um das Tor drängten, zog die Obrigkeit es vor, das Tor kostenlos zu öffnen. 

 In den kommenden Jahrzehnten stiegen immer wieder Ballone über Frankfurt auf, so zum Beispiel der berühmte britische Luftschiffer Charles Green am 23.Mai 1852. Wegen eines aufziehenden Gewitters landeten er und seine Begleiterin schon wieder in Neu Isenburg. Die herbeieilenden Bauern zogen den Ballon an den heruntergeworfenen Stricken zu Boden, hörten dann aber nicht auf, sondern zogen immer weiter an dem den Ballon umgebenden Netz. Die beiden Luftschiffer wurden unter dem Ballon eingepresst und Green gelang es nicht, das Gasventil zu öffnen,  so dass sein Ballon unter dem stetigen Druck auf seiner ganzen Länge aufplatzte. Kurz darauf, am  01.August 1852 Eugene Godard, der hinter der Stadtbibliothek aufstieg. Als Attraktion warf er einen, in einem Käfig sitzenden Affen mit einem Fallschirm ab. Gefunden wurde der Affe erst acht Monate später, in seinem Käfig verhungert in einer Tanne des Stadtwaldes hängend. Damit war Frankfurt zur führenden Luftfahrtstadt Deutschlands geworden und wurde auch von Ausland her beobachtet, zum Beispiel von Jules Verne, der Frankfurt zum Ort des Geschehens seines Kurz-Romans "Ein Drama in den Lüften" machte.  Am 22. September 1867 kamen dann die Gebrüder Berg, die vom Obermaintor aus startend eine besondere Attraktion zu bieten hatten, sie nahmen nicht nur vier Personen mit, sondern auch noch einen Elefanten (der Zeitungsartikel liest sich, als sei es ein echter gewesen – nur schwer vorstellbar!), auf dessen Rücken nämlich war der Korb mit den Passagieren befestigt.

Dann kam das Jahr 1885 und damit der hundertste Jahrestag von Blanchards Frankfurter Luftfahrt. Inzwischen gab es auch eine Reihe von deutschen Ballonfahrer und so musste zur Jahrhundertfeier kein Franzose herangezogen werden, mit denen verstand man sich zwischenzeitlich aber auch nicht mehr so gut.  Für Sonntag den 27.September war großes geplant: nämlich der 293. Ballonaufstieg von Carl Securius, außerdem eine Gedenkausstellung mit Memorabilen zur Blanchard-Fahrt hundert Jahre zuvor, beides im Zoo. Securius war in Deutschland einer (der Handvoll) ganz großen der Luftschifffahrt. Es gab nur wenige, die dafür aber oft und überall auftraten. Man wollte das hundertjährige Jubiläum in Frankfurt also gebührend feiern; aber dann hat es geregnet und Securius’ 293. Aufstieg fiel aus. Vielleicht hätte man sich besser für Hermann Lattemann entschieden, auch einer der wenigen ganz großen Lattemann war mit seinem Miniaturballon ‚Rotateur’ schon im Juli 1885 in Frankfurt aufgetreten. Der Rotateur war nur halb so groß wie andere Ballone und hatte weder Anker noch Gondel, sondern nur Steigbügel, in denen der Pilot stand. Auch mit Fallschirmen sprang er, wobei er nicht immer einen gesonderten Schirm dabei hatte, sondern der Ballon sich auch umstülpen konnte und dann selber Fallschirm wurde. Spätestens 1891 war er in Frankfurt zu einer festen Institution geworden, als er regelmäßige Aufflüge von einem Areal neben der Elektrotechnischen Ausstellung (heutiges Bahnhofsviertel,)  veranstaltete und dabei auch Vertreter des Hochadels in die Lüfte über Frankfurt brachte. 

 

Am 29.Aug.1891 absolvierte er dabei seinen 500. Flug. Auf der Ausstellung war der Ballon an einem Seil befestigt und flog normalerweise nur über dem Ausstellungsgelände, am 26. Mai 1891 aber löste sich der Ballon vom Haken, gerade als die Passagiere aussteigen wollten und flog ungesichert über ganz Frankfurt bis zur Vilbeler Landstraße / Heiligenstock (neben dem Lohrberg) Einen Monat später flog er über Frankfurt und sprang mit einem Fallschirm ab. Durch eine Drehung des Ballons aber kam der Fallschirm an den Anker und riss auf. Er fiel nun wesentlich schneller aber er konnte trotzdem glücklich landen, wenn auch nicht wie geplant auf einer Wiese außerhalb, so doch mitten im Westend auf der Arndtstraße. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Kätchen Paulus, der Mutter seines Sohnes, lebte er in Frankfurt (die Legende sagt, bei einem Fallschirmabsprung sei er in ihrem Garten, in der Offenbacher Landstraße gelandet, wo sie sich kennen und lieben lernten). Beide traten aber in ganz Deutschland auf So auch 1894, als beide gemeinsam in Krefeld mit Fallschirmen absprangen. Hier verwickelte er sich in den Seilen und stürzte ungebremst zu Boden, zu seiner Beerdigung in Krefeld kamen 10.000 Trauergäste. Reich ist er durch seine Kunst aber nicht geworden, nach seinem frühen Tod mit 42 Jahren, nahm sich ein Konkursverwalter seiner hinterbliebenen Ballone an. Anders Kätchen Paulus. Erschüttert durch den Tod ihres Partners erfand sie den zusammenlegbaren Fallschirm und wurde damit während des ersten Weltkrieges richtig reich, allerdings fraß die anschließende Inflation alles wieder auf. Bis zur Beendigung ihrer aktiven Ballonfahrerinnen-Karriere 1914, als auch ihre Ballone zum Militär eingezogen wurden, ist Kätchen Paulus 516 Mal mit dem Ballon aufgestiegen und 147 Mal davon mit dem Falschirm abgesprungen.

 

 

 

Lattemann stürzt auf die Diesemerstraße, K.Paulus muss es mitansehen

 

1907 schaffte sich der physikalische Verein, für meteorologische Messungen, einen eigenen Ballon an und taufte ihn "Ziegler"

Nur der Wissenschaft schienen die über 40 Fahrten des Zieglers aber nicht geschuldet zu sein. Gleich die ersten Fahrten standen voll im Dienste des Marketings. Begleitet von Frankfurter Pressevertretern brach man im Januar 1907, bei Eis und Schnee, zu einer Fernfahrt an die französische Kanalküste auf. Ganz soweit kam der Ballon aber nicht, an der Nahe, im heutigen Rheinland-Pfalz, endete die Fahrt schon, da das Schleppseil, das der Ballon hinter sich herzog, sich in neben einer Eisenbahnstrecke aufgestapelten Schwellen verheddert hatte.

 

Zur ILA, der Internationalen Luftschifffahrt Ausstellung, von Juli bis Oktober 1909 machte man dann in Frankfurt keine halben Sachen mehr, insgesamt 52 Ballone stiegen vom Gelände der Festhalle auf (allerdings immer nur bis zu neun gleichzeitig).

 

Zur ILA hatte Frankfurt aber auch seinen ersten Ballon-Absturz zu verzeichnen. Die Fangleinen eines Parseval-Ballon-Luftschiffes, das zur Ausstellung Rundflüge über dem Rhein-Main-Gebiet machte, hatten sich in den Dächern der  Häuser verfangen und der Parseval PL3 stürzte mit 11 Personen an Bord, nachdem er in der Nähe des Hauptbahnhofes nur mit Mühe die Stromleitungen der Straßenbahn überflogen hatte, direkt vor die Wache der Feuerwehr in der Frankenallee. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden. Der Parseval hatte die Schornsteine der Feuerwache abrasiert und war direkt neben zwei brennenden Asphaltkochern zu Boden gekommen - trotz der Gefahr umringten sofort hunderte von Schaulustigen das Luftschiff. Hätte der mit Wasserstoff gefüllte Parseval die Stromleitung oder einen der Kocher berührt, wäre es unweigerlich explodiert und hätte in Frankfurt eine Tragödie angerichtet und sicherlich zu einem frühen Ende der deutschen Luftschifffahrt geführt. Außerdem war die ILA auch nicht durch die Fliegerei entstandene Schäden versichert, da sich keine der vielen Berufsgenossenschaften dafür zuständig hielt.

 Ein anderes Mal verhedderte sich ein Gymnasiast, der einen Aufstieg des Parsevals beobachten wollte, in einer der Fangleinen. Der Wind hatte ihm die Mütze vom Kopf geblasen und er hatte die Absperrung überstiegen. In diesem Moment stieg das Luftschiff auf und der Schüler wurde an seinem Bein hängend 200 Meter mit in die Höhe gerissen. Erst nach einer Viertelstunde landete das Gefährt wieder - der Schüler blieb unverletzt aber wer auf Nummer sicher gehen wollte, der fuhr lieber mit dem Luftschiff-Karussell auf dem Ausstellungsgelände und die ganz Vorsichtigen blieben am Boden und aßen am sicheren Küchentisch Frankfurter Zeppelin-Wurst, eine Leberwurst, die seit 1909 in Frankfurt verkauft wird.

                                                                                                                                                                       das Luftschiffkarussell im Film

Auf diesen Ballon-Absturz zielte möglicherweise auch ein zeitgenössisches Fastnachtslied ab, das schon - prophetisch - einen kommenden Bombenkrieg besang. Und 1914, gar nicht mehr prophetisch, sondern ganz real, ließ eine deutsche Satirezeitschrift deutsche Bomben vom Zeppelinkarussell aus auf erschreckte Engländer, Franzosen und Russen fallen.

Die ILA-Begeisterung in Frankfurt war aber trotzdem enorm und so dichtete ein Frankfurter:

Wie sinn mer zor Ila gehippt und geloffe

unn hawwe gekrische unn hawwe gekräht !

Wie warn da die Frankforder Herzcher so offe !

Was hat for e Storm der Begeisterung geweht !

 

Die Mädercher hätte'n am liebste gefresse

de Zeppelin, vor Enzicke unn Glück !

Die Börs' unn der Hannel warn ääfach vergesse

So e großer Moment kehrt net mehr zurick!

Aber immerhin ist die ILA, anders als einige der in Deutschland und Europa parallel stattfinden Flugshows, ohne tote Zuschauer und Flieger von Statten gegangen (Tote Arbeiter beim Auf- und beim Abbau hatte es gegeben.) Kritisch wurde es allerdings, Als Graf Zeppelin mit einem seiner Luftschiffe nach Frankfurt gekommen war; Tausende strömten auf das ILA Gelände. Als dann die Feuerwehr, wegen eines eigentlich unbedeutenden Brandes auf das Ausstellungsgelände fuhr, war in der Stadt das Gerücht aufgekommen, LZ II stünde in Flammen und weitere Menschenmassen strömten zum Ausstellungsort, um mal zu schauen, was passiert. Nur mit Mühe wurde die Polizei des Menschenandranges Herr.

Auch mit Luftfahrt-Spionage konnte die ILA aufwarten. An Bord eines gasgefüllten Ballons, nahm die Tochter des Frankfurter Oberbürgermeisters Adickes an einem Passagierflug teil. Der Ballon wurde bis nach Luxemburg getrieben, wo der Ballon-Führer landen wollte. Allerdings wurde in einem nahegelegenen Stahlwerk gerade ein Abstich vorgenommen und tausende von glühenden Stahlstückchen erfüllten die Luft. Nur mit Not konnte der Ballon wieder aufsteigen und landete ein paar hundert Meter weiter - auf der französischen Seite der Grenze. Sofort wurde die vierköpfige Besatzung festgenommen und in einem Gasthaus interniert, bis man den Ballon und vor allem auch seine umfangreiche fotografische Ausrüstung untersucht hatte. Nach Zahlung eines Zolles von knapp 500 Francs (30 Gramm Gold) dürfte man wieder heimfahren. Im Gegenzug war ein Franzose, der Zeichnungen vom Zeppelin angefertigt hatte, von einem berittenen Polizisten in einer wilden Verfolgungsjagd über das ILA-Gelände verfolgt und verhaftet worden.

Nachdem die Ballonverfolgungsfahrten schon vor dem ersten Weltkrieg stattgefunden hatten, bei der Ballonverfolgung im April 1914 nahmen sogar reguläre Militärflugzeuge an der Verfolgung teil, wurden Ballon-Verfolgungs-Fahrten in den 1920er wieder populär. Selbst zu der Verfolgungs-Fahrt von 1928, es regnete in Strömen und der Himmel war wolkenverhangen, hatten sich 500 Teilnehmer an der Festhalle eingefunden. Vier Ballone stiegen auf, jedem waren 125 Autos und Motorräder zugeordnet worden.  Für die Fahrer galt es, seinem Ballon so lange zu folgen, bis er niederging, der erste, der zum Ballon kam erhielt einen Preis. Es war gar nicht leicht den Ballonen zu folgen, denn über lange Zeit waren diese über der Wolkendecke verschwunden, trotzdem war es einigen Fahrern gelungen, die Ballone bis Rohrbrunn im Spessart zu verfolgen.  Dort konnte man sich gleich an der Rettung der Ballon-Fahrer beteiligen, denn die Ballone waren alle in den Baumwipfeln eines Waldes hängen geblieben und die Ballon-Besatzungen mussten sich durch das Geäst abseilen. 

 

Kühler-Plaketten zu den Begleitfahrten von1914 und 1929

Alles in Allem scheint aber der Ballon nach dem ersten Weltkrieg an Atraktivität verloren zu haben, den 1927 feierte der „“dienstälteste Frankfurter Ballonfahrer“ der Jurist Dr. Landmann erst seine 100. Auffahrt, obwohl er schon seit 1908 flog und zu den Ballonfahrern gehört hatte, die 1909 über der ILA aufgestiegen waren. 1911 war Landmann, Mitten während der Marokkokrise, als die Zeichen auf Krieg zwischen Deutschland und Frankreich standen, mit dem Frankfurter Ballon "Moenus" mit seiner Fotokamera über die Festung Verdun geflogen und dort verhaftet worden.

1985 dann, zum 200. Jahrestag des Ballonaufstieg Blanchards, fand im Ostpark  am 28.September 1985 ein Massenstart von, mit Wasserstoff gefüllten, Ballonen statt.

Oberbürgermeister Walter Wallmann hatte einen Frankfurter Ballon antreten lassen, die „Frankfurt“ (vormals und nachher auch wieder „Europa“). Für die Frankfurt wurde extra eine Zusatzumhüllung genäht, auf der „Frankfurt“ stand.

Befüllt wurden die Ballone mit Wasserstoff, den Messer-Griesheim zur Verfügung stellte (die Füllung eines Ballons kostete zwischen 2500 und 3000 DM). Dafür waren 10 Tanklaster aus ganz Deutschland herangeschafft worden, die die Ballone mit Feuerwehrschläuchen befüllten.

Eigentlich hatte man vom Rebstockgelände, dem alten Zeppelinflughafen aus starten wollen, das war aber von der Polizei abgelehnt worden, da die Ballone die Autofahrer irritieren könnten.

Zum geplanten Starttermin um 10.30 h konnten die Ballone nicht aufsteigen, da der Wind in Richtung Flughafen blies, der Moderator Frank Lehmann unterhielt solange die 100.000 anwesenden Zuschauer.  Um 12.30 h stiegen die Ballone dann auf, allerdings nur 29 von 30, Ballon Nummer 30, die „Frankfurt“, blieb mit einem Leck am Boden und startete erst verspätet.. Damit waren über Frankfurt  2/3 aller deutschen Ballone in der Luft und zwar wesentlich höher als geplant, so dass die Flugzeuge beim Landeanflug zum Flughafen unter den Ballonen hindurchfliegen mussten.

Gewonnen haben die beiden Fahrer  des Ballons „Tecklenburger Land“, die eine Reise für vier Personen auf die Malediven gewannen. Sie hatten Hassenroth im Odenwald in 170 Minuten erreicht.

Die Flughafen AG ließ eine Medaille aus 1000er Feinsilber zu diesem Anlass prägen, mit der alten Gedenkmedaille von 1785 auf der einen und einem modernen Jumbojet auf der anderen Seite.

 

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