Alexander Ruhe :  1917-1923 – das Notgeld in Frankfurt und die Preise des Apfelweins. April 2020

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

Geldscheine haben bis Kriegsausbruch 1914 in Deutschland eine eher untergeordnete Rolle gespielt, das Geld, das man im Alltag in die Hand bekam, war aus Metall. Staatsbeamte und gehobene Angestellte haben ihr Gehalt einmal monatlich in Goldmünzen erhalten (10 und 20 Mark-Stücke), kleinere Angestellte und Arbeiter einmal die Woche in Silber (5, 3, 2 und 1 Mark, 50 Pfennige), das Kleingeld bestand aus Kupfer und Nickel. Arbeiter-Wochenlöhne haben 40 Mark nur sehr selten überschritten, sie lagen meist deutlich niedriger. Ein Schoppen Apfelwein (damals auch schon 0,3l, in den 1880/90ern hatte der Schoppen noch 0,375 Liter = 3/8l gefasst, in den 1860/70ern 0,45l = 1/4 altes Maß), den ich hier zur Währungsrelation heranziehen möchte, kostete 1914 12 Pfennige, heute 0,3l. etwa 2,-€. Ein 20 Mk Goldstück kostet heute ca. 350,-€, für Gold und Apfelwein gilt also etwa eine Relation von 1x15 bis 1x20 für die Preise von 1914 und die von 2020 . Eine Mark damals hatte also in etwa die Kaufkraft von 15-20 Euro heute. Man musste allerdings 1914 für eine Mark länger arbeiten, als heute für 20 Euro.

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Schon in den ersten Kriegstagen 1914 waren Goldmünzen fast vollständig aus dem Umlauf verschwunden. Wer noch welche hatte hortete sie und gab sie bestenfalls auf dem bald entstandenen Schwarzmarkt aus und nach einigen Kriegsmonaten begann der Staat die Goldmünzen einzuziehen und durch Papiergeld zu ersetzen. Etwas zeitversetzt ging das auch mit den Silbermünzen so.

Als dann im Laufe des Krieges auch die kupferhaltigen Scheidemünzen aus dem Verkehr gezogen wurden, wurden diese zwar durch Eisenmünzen ersetzt, aber bei weitem nicht in dem Umfang, in dem dies notwendig gewesen wäre. Gleichzeitig vervierfachten sich während des Krieges auch die Preise.

Es herschte also ein großer Mangel an Geld und alle schauten ihr Papiergeld in Münzen umtauschen zu lassen, so dass es einen noch größeren Mangel an Münzgeld gab. Die Eisenbahnverwaltung und auch die Frankfurter Straßenbahnbetriebe hatten schon eigene Wechselgeld-Münzen herausgegeben, als im Mai 1917 auch die Stadt Frankfurt nachzog und 10 Pfennig-Stücke aus Zink und 50 Pfennig-Scheine aus Papier ausgab. Diese sahen den üblichen Münzen sehr ähnlich, auch dem Notgeld anderer Städte. Um sie von diesen anderen Münzen unterscheiden zu können, das Notgeld anderer Städte war in Frankfurt nicht gültig, war in die Frankfurter Münzen ein Dreieck eingestanzt.

Mit Münzen war es 1918 nicht mehr getan, als die Spanische Grippe auch Frankfurt erreichte - gerade wie jetzt die Corona. Zehntausende Frankfurter wurden krank und beantragten bei ihren Krankenkassen Krankengeld. Um dieses Krankengeld auch rechtzeitig vorrätig  zu haben, beschloss die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung 5, 10 und 20 Mark-Scheine im Namen der Stadt Frankfurt herausgeben zu lassen. Die Fünfer sogar gekennzeichnet mit der Aufschrift "Stark im Recht", wie schon die Frankfurter Talermünzen zwischen 1859 und 1866. Man brauchte diese Geldscheine so dringend, dass sie noch feucht von der Druckerpresse weg ausgeliefert wurden.

 

 

Während des Krieges setzten sich dann auch kleinere Gläser durch. Der "Sachsenhäuser Schoppen" hielt 0,3 Liter, das "Salonschöppche" nur 0,25l.

1915 hatte es eine ausnehmend gute Apfelernte gegeben und so kostete im November 1915, als der "Neue" erstmals ausgeschenkt wurde, der Schoppen immer noch 12 Pfennige, während das Bier schon deutlich teurer geworden war.

Nachdem 1916 überhaupt kein Apfelwein hatte gekeltert werden dürfen, kostete er, wo es noch welchen aus dem Vorjahr gab, im Oktober 1916 25 Pf. pro Schoppen, im Dezember 1917 35Pf. im Januar 1918 38 Pfennige, Ende Mai 45 Pf.. Im Oktober also wahrscheinlich mehr. für solch einen Fünfmarkschein hat man also am Ausgabetag etwa einen zehner Bembel bekommen.

Aber auch diese Scheine reichten nicht, um den Mangel an Zahlungsmitteln zu beheben. Als dann im November 1918 auch große Unternehmen anfingen Notgeldscheine herauszugeben, zog die Stadt mit Ein- und Zweimarkscheinen nach.

 

 

1919 folgte dann nochmal ein weiteres 10 Pfennigstück, aber die Zeit der Münzen war im Zuge der fortschreitenden Inflation dann bald vorbei.

 

 

Im September 1919 verdiente ein Kellner in einer Apfelweinwirtschaft acht Mark am Tag, während der Schoppen 70 Pf kostete, im Oktober aber schon 85 Pf, Mitte Januar 1920 1,- Mark und Anfang Februar 1920 1,38 Mk, davon jetzt 13 Pfennige "Serviergeld".

Die Inflation schritt weiter voran. Erst mäßig, dann aber immer schneller.

Für den Anfang Novermber ausgegebenen 25 Pfennig-Schein bekam man also nicht viel, von denen musste man für einen Schoppen schon vier Stück auf den Tisch legen. Dafür zeigt er mit der - allerdings schon 1914 abgerissenen - Alten Brücke, ein Frankfurt Motiv.

 

 

Um den steigenden Apfelweinpreisen entgegenzuwirken, schlossen sich 1919 viele Frankfurter zu einem guten Dutzend "Apfelwein-Logen" zusammen. Diese finanzierten dem Logenwirt den Apfelwein vor und dieser schenkte das "Stöffche" nur den Logenmitgliedern gegen besondere Apfelwein-Marken aus. Die Logen nannten sich u.a. "Unserloge", "Stark im Recht", Jägerloge", "Masterloge", "Eulenhorst". Bis 1936 existierte die Loge Sachsenhausen "Schnockelloch", die die schöne Schoppenmarke unten ausgab.

 

Als im Dezember 1920 für Höchst und Sossenheim der Apfelweinboykott beschlossen wurde, ging es da auch dort um Glasgrößen von 0,25 und 0,3 Litern, für die die Wirte 1,50 bzw. 1,80 Mk verlangten. Tatsächlich war dieser Trinkerstreik erfolgreich und der Preis wurde zum Heiligabend 1920 wieder gesenkt - erst einmal! Schon bald musste wieder gestreikt werden. 11 Wochen blieben die Sossenheimer Vereine ihren Vereinslokalen fern, so dass die Wirte im Juni 1921 einlenkten und den Preis für das 0,3-Glas wieder auf 1,50 Mk senkten.

Ein Einlenken war vielleicht aber auch deshalb notwendig geworden, weil im Sommer 1921 die Brauereien zum ersten mal seit vielen Jahren wieder hochwertiges Bier brauen durften. Das dünne Kriegsbier, das zuvor ausgeschenkt wurde, hatte niemand trinken wollen und mancher Wirt in Frankfurt hatte seine Gäste gezwungen, erst mal zwei Biere zu trinken, bevor man einen Apfelwein bestellen durfte.

 

Im Februar 1922 hatte der Schoppen 2,50 Mark gekostet, im Mai 5,- Mark - im Herbst war er wahrscheinlich schon wieder teurer. Im September 1922 wurde das bereits wieder eingezogene Grippe-Notgeld vom Herbst 1918 erneut ausgegeben, so knapp waren die Geldmittel. Für einen Fünfmarkschein gab es jetzt aber nicht mehr zehn, sondern noch nicht mal mehr einen Schoppen. Im Herbst 1922 gab die Stadt Frankfurt dann 50, 100 und 500 Markscheine aus.

(auch interessant, was der Frankfurter Stadtadler auf den Notgeldscheinen für Metamorphosen durchmachte)

 

Aber jetzt nahm die Inflation an Fahrt zu. Kostete der Schoppen im Januar 1923 noch 50 Mark und Ende März 300 Mk, stieg der Preis für ein Glas Apfelwein Anfang August auf 35.000Mk, Ende August auf 120.000Mk. Für den unten abgebildeten 500.000 Markschein vom ersten August 1923 gab es also gerade einmal etwa 15 Schoppen.

 

 

Der Wechsel der Geldscheine ging jetzt immer schneller von statten, trotzdem wurden man in Frankfurt kreativ. Immer mehr Frankfurter Monumente und lokale Größen fanden ihren Weg auf die Bildseite der Scheine. So der Eschenheimer Turm auf den Schein zu 10 Millionen vom 15.August 1923

 

(auch bei diesem 5 Millionen-Markschein hat es anscheinend schnell gehen müssen, der Stadtadler schaut in die falsche Richtung)

 

 

und der Frankfurter Dom und Briggegickel auf den 20 Millionen-Schein von Ende August 1923 oder Römer, Dom und Paulskirche auf den 50 und  100 Millionen-Scheinen von Ende September des selben Jahres, Am 15.September kostete der Schoppen  1,5 Millionen Mark, am 02.Oktober aber schon 8 Mio., für den Hunderter gab es also vielleicht so etwa 15 Schoppen.

 

Goethe und das Goethehaus schafften es auf den Schein zu Einer Milliarde Mark von Mitte Oktober, da kostete das Glas Apfelwein schon 200.000.000Mk, für diesen schönen Schein gab es also am Ausgabetag gerade mal fünf Schoppen. Unser Goethe Nummer zwei - Friedrich Stoltze -  brachte es auch hier nur auf den zweiten Platz. Er schaffte es auf den 500 Millionen-Schein.

 

 

Eine Woche darauf prangte Goethe schon auf dem 10 Mrd.-Schein, aber auch für den gab es nur fünf Gläser.

 

 

Auf den am gleichen Tag herausgegebenen 50 Mrd.-Schein hatten es der Dom und die Goldene Waage gebracht, der Römer nur auf den 5 Mrd-Schein, mit Salzhaus, Haus zum Schwan und dem Langen Franz, dem Rathausturm. Der Schoppen kostete da 1 Milliarde Mark.

 

 

Und als zwei Tage später ein 500 Mrd-Schein herauskam war der noch richtig was wert, da kostete der Schoppen 2 Mrd Mark, man durfte das Geld aber nicht zu lange aufheben, denn bis Ende November 1923 stieg der Preis für ein Glas Apfelwein auf unglaubliche 200 Milliarden Mark.

 

 

Die Eisenbahndirektion Frankfurt hat dann Anfang November noch Scheine über bis zu 10 Billionen Mark ausgegeben, aber am 20.November war Schluss! Die neue Rentenmark wurde eingeführt, das alte Geld wurde 1: 1Billion umgerechnet und die Preise normalisierten sich wieder. Allerdings auch nicht mehr auf die Preise von 1914. 1925 kostete der Schoppen in Frankfurt 20 Pfennige.

Bis heute aber hängt im Struwwelpeter, einer Frankfurter Apfelweinwirtschaft, ein Plakat auf dem die steigenden Schoppenpreise von 1923 verzeichnet sind.

 

Grundlage dieses, als auch all meiner anderen Artikel der Reihe Frankfurter Zeitungs-Archäologie, sind zum Teil jahrelange Recherchen in Bergen von uralten Zeitungen. Um so mehr freue ich mich ob dieser Mühen der vielen positiven Resonanz auf meine Veröffentlichungen, die ich von meinen Lesern bekomme. Ärgerlich ist es aber dann, was leider auch immer wieder vorkommt, wenn meine Artikel wortwörtlich in anderen Veröffentlichungen zitiert werden, ohne das ich als Quelle auch nur erwähnt werde.

Einen sehr groben Fall dieser Art kann man auf der Internet-Seite "Ebbelwoi Frankfurt" betrieben von Stefan Krämer finden, wo der Artikel "1803 - 1945: Schwere Zeiten fürs Stöffche" von 2023 zu mehr als 80% aus zum Teil wörtlichen Übertragungen meines obigen Artikels und meines Artikels zum Batzenbierkrawall von 1873 besteht, ohne das meine Artikel als Quelle angegeben werden - überhaupt nicht schön!

 

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