Alexander Ruhe : 1917-1923 – das Notgeld in Frankfurt und die Preise des Apfelweins. April 2020
Ein
Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie
Mit Münzen war es 1918 nicht mehr getan, als die Spanische Grippe auch Frankfurt erreichte - gerade wie jetzt die Corona. Zehntausende Frankfurter wurden krank und beantragten bei ihren Krankenkassen Krankengeld. Um dieses Krankengeld auch rechtzeitig vorrätig zu haben, beschloss die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung 5, 10 und 20 Mark-Scheine im Namen der Stadt Frankfurt herausgeben zu lassen. Die Fünfer sogar gekennzeichnet mit der Aufschrift "Stark im Recht", wie schon die Frankfurter Talermünzen zwischen 1859 und 1866. Man brauchte diese Geldscheine so dringend, dass sie noch feucht von der Druckerpresse weg ausgeliefert wurden.
Während des Krieges setzten sich dann auch kleinere Gläser durch. Der "Sachsenhäuser Schoppen" hielt 0,3 Liter, das "Salonschöppche" nur 0,25l.
1915 hatte es eine ausnehmend gute Apfelernte gegeben und so kostete im November 1915, als der "Neue" erstmals ausgeschenkt wurde, der Schoppen immer noch 12 Pfennige, während das Bier schon deutlich teurer geworden war.
Nachdem 1916 überhaupt kein Apfelwein hatte gekeltert werden dürfen, kostete er, wo es noch welchen aus dem Vorjahr gab, im Oktober 1916 25 Pf. pro Schoppen, im Dezember 1917 35Pf. im Januar 1918 38 Pfennige. Im Oktober also wahrscheinlich mehr. für solch einen Fünfmarkschein hat man also am Ausgabetag etwa einen zehner Bembel bekommen.
Aber auch diese Scheine reichten nicht, um den Mangel an Zahlungsmitteln zu beheben. Als dann im November 1918 auch große Unternehmen anfingen Notgeldscheine herauszugeben, zog die Stadt mit Ein- und Zweimarkscheinen nach.
1919 folgte dann nochmal ein weiteres 10 Pfennigstück, aber die Zeit der Münzen war im Zuge der fortschreitenden Inflation dann bald vorbei.
Im September 1919 verdiente ein Kellner in einer Apfelweinwirtschaft acht Mark am Tag, während der Schoppen 70 Pf kostete, im Oktober aber schon 85 Pf, Mitte Januar 1920 1,- Mark und Anfang Februar 1920 1,38 Mk, davon jetzt 13 Pfennige "Serviergeld".
Die Inflation schritt weiter voran. Erst mäßig, dann aber immer schneller.
Für den Anfang Novermber ausgegebenen 25 Pfennig-Schein bekam man also nicht viel, von denen musste man für einen Schoppen schon vier Stück auf den Tisch legen. Dafür zeigt er mit der - allerdings schon 1914 abgerissenen - Alten Brücke, ein Frankfurt Motiv.
Um den steigenden Apfelweinpreisen entgegenzuwirken, schlossen sich 1919 viele Frankfurter zu einem guten Dutzend "Apfelwein-Logen" zusammen. Diese finanzierten dem Logenwirt den Apfelwein vor und dieser schenkte das "Stöffche" nur den Logenmitgliedern gegen besondere Apfelwein-Marken aus. Die Logen nannten sich u.a. "Unserloge", "Stark im Recht", Jägerloge", "Masterloge", "Eulenhorst". Bis 1936 existierte die Loge Sachsenhausen "Schnockelloch", die die schöne Schoppenmarke unten ausgab.
Als im Dezember 1920 für Höchst und Sossenheim der Apfelweinboykott beschlossen wurde, ging es da auch dort um Glasgrößen von 0,25 und 0,3 Litern, für die die Wirte 1,50 bzw. 1,80 Mk verlangten. Tatsächlich war dieser Trinkerstreik erfolgreich und der Preis wurde zum Heiligabend 1920 wieder gesenkt - erst einmal! Schon bald musste wieder gestreikt werden. 11 Wochen blieben die Sossenheimer Vereine ihren Vereinslokalen fern, so dass die Wirte im Juni 1921 einlenkten und den Preis für das 0,3-Glas wieder auf 1,50 Mk senkten.
Ein Einlenken war vielleicht aber auch deshalb notwendig geworden, weil im Sommer 1921 die Brauereien zum ersten mal seit vielen Jahren wieder hochwertiges Bier brauen durften. Das dünne Kriegsbier, das zuvor ausgeschenkt wurde, hatte niemand trinken wollen und mancher Wirt in Frankfurt hatte seine Gäste gezwungen, erst mal zwei Biere zu trinken, bevor man einen Apfelwein bestellen durfte.
Im Februar 1922 hatte der Schoppen 2,50 Mark gekostet, im Mai 5,- Mark - im Herbst war er wahrscheinlich schon wieder teurer. Im September 1922 wurde das bereits wieder eingezogene Grippe-Notgeld vom Herbst 1918 erneut ausgegeben, so knapp waren die Geldmittel. Für einen Fünfmarkschein gab es jetzt aber nicht mehr zehn, sondern noch nicht mal mehr einen Schoppen. Im Herbst 1922 gab die Stadt Frankfurt dann 50, 100 und 500 Markscheine aus.
(auch interessant, was der Frankfurter Stadtadler auf den Notgeldscheinen für Metamorphosen durchmachte)
Aber jetzt nahm die Inflation an Fahrt zu. Kostete der Schoppen im Januar 1923 noch 50 Mark und Ende März 300 Mk, stieg der Preis für ein Glas Apfelwein Anfang August auf 35.000Mk, Ende August auf 120.000Mk. Für den unten abgebildeten 500.000 Markschein vom ersten August 1923 gab es also gerade einmal etwa 15 Schoppen.
Der Wechsel der Geldscheine ging jetzt immer schneller von statten, trotzdem wurden man in Frankfurt kreativ. Immer mehr Frankfurter Monumente und lokale Größen fanden ihren Weg auf die Bildseite der Scheine. So der Eschenheimer Turm auf den Schein zu 10 Millionen vom 15.August 1923
(auch bei diesem 5 Millionen-Markschein hat es anscheinend schnell gehen müssen, der Stadtadler schaut in die falsche Richtung)
und der Frankfurter Dom und Briggegickel auf den 20 Millionen-Schein von Ende August 1923 oder Römer, Dom und Paulskirche auf den 50 und 100 Millionen-Scheinen von Ende September des selben Jahres, Am 15.September kostete der Schoppen 1,5 Millionen Mark, am 02.Oktober aber schon 8 Mio., für den Hunderter gab es also vielleicht so etwa 15 Schoppen.
Goethe und das Goethehaus schafften es auf den Schein zu Einer Milliarde Mark von Mitte Oktober, da kostete das Glas Apfelwein schon 200.000.000Mk, für diesen schönen Schein gab es also am Ausgabetag gerade mal fünf Schoppen. Unser Goethe Nummer zwei - Friedrich Stoltze - brachte es auch hier nur auf den zweiten Platz. Er schaffte es auf den 500 Millionen-Schein.
Eine Woche darauf prangte Goethe schon auf dem 10 Mrd.-Schein, aber auch für den gab es nur fünf Gläser.
Auf den am gleichen Tag herausgegebenen 50 Mrd.-Schein hatten es der Dom und die Goldene Waage gebracht, der Römer nur auf den 5 Mrd-Schein, mit Salzhaus, Haus zum Schwan und dem Langen Franz, dem Rathausturm. Der Schoppen kostete da 1 Milliarde Mark.
Und als zwei Tage später ein 500 Mrd-Schein herauskam war der noch richtig was wert, da kostete der Schoppen 2 Mrd Mark, man durfte das Geld aber nicht zu lange aufheben, denn bis Ende November 1923 stieg der Preis für ein Glas Apfelwein auf unglaubliche 200 Milliarden Mark.
Die Eisenbahndirektion Frankfurt hat dann Anfang November noch Scheine über bis zu 10 Billionen Mark ausgegeben, aber am 20.November war Schluss! Die neue Rentenmark wurde eingeführt, das alte Geld wurde 1: 1Billion umgerechnet und die Preise normalisierten sich wieder. Allerdings auch nicht mehr auf die Preise von 1914. 1925 kostete der Schoppen in Frankfurt 20 Pfennige.
Bis heute aber hängt im Struwwelpeter, einer Frankfurter Apfelweinwirtschaft, ein Plakat auf dem die steigenden Schoppenpreise von 1923 verzeichnet sind.
Grundlage dieses, als auch all meiner anderen Artikel der Reihe Frankfurter Zeitungs-Archäologie, sind zum Teil jahrelange Recherchen in Bergen von uralten Zeitungen. Um so mehr freue ich mich ob dieser Mühen der vielen positiven Resonanz auf meine Veröffentlichungen, die ich von meinen Lesern bekomme. Ärgerlich ist es aber dann, was leider auch immer wieder vorkommt, wenn meine Artikel wortwörtlich in anderen Veröffentlichungen zitiert werden, ohne das ich als Quelle auch nur erwähnt werde.
Einen sehr groben Fall dieser Art kann man auf der Internet-Seite "Ebbelwoi Frankfurt" betrieben von Stefan Krämer finden, wo der Artikel "1803 - 1945: Schwere Zeiten fürs Stöffche" von 2023 zu mehr als 80% aus zum Teil wörtlichen Übertragungen meines obigen Artikels und meines Artikels zum Batzenbierkrawall von 1873 besteht, ohne das meine Artikel als Quelle angegeben werden - überhaupt nicht schön!