Alexander Ruhe: Die Hyäne im Stadtwald. Frankfurt und die wilden Tiere. Januar 2012

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

 

Frankfurt war schon immer ein Sammelpunkt für exotische Tiere. Erst mal lebten die Tiere aber nicht dauerhaft in der Stadt, sondern Schausteller brachten sie jeweils zu den beiden Messen, zu denen sich zehntausende von zahlungskräftigen Kaufleuten in Frankfurt aufhielten, hierher.

Löwen, Straußen und vor allem Elefanten faszinierten die Leute. Wilde Tiere, speziell Elefanten nach Europa zu bringen, war sehr schwierig, weshalb die Frankfurter auch nur etwa alle 20-30 Jahre in den Genuss eines Elefanten kamen. Der erste von dem wir wissen, war 1443 hier zu sehen – da war noch kein Seeweg nach Indien bekannt, so dass dieser Elefant wohl nach Frankfurt gelaufen war.

1483 kam dann der nächste Elefant, diesmal sogar ein afrikanischer. Er sollte bis zur Kolonialisierung Afrikas einer von ganz wenigen afrikanischen Elefanten sein, den man in Europa zu sehen bekam. Das Tier kam auch nicht zur Messe, es wurde von seinem Führer Hans Filßhover als Geschenk des portugiesischen Königs an den deutschen Kaiser von den Niederlanden nach Wien gebracht. In Frankfurt wurde er in der Gallusgasse ausgestellt und in Lebensgröße auf die Wand eines nahegelegenen Hauses gemalt.

der Elefant Ferdinands III. 1483

Dann kam erst mal länger kein Elefant mehr, so dass der, der zur Frühjahrsmesse 1629 in die Stadt kam, wieder als der erste Elefant Deutschlands beworben werden konnte; der konnte dann aber auch schon Französisch, Kunststückchen und aus einem für Menschen gedachtem Glas Wein trinken.

       

Im April 1817 kam ein afrikanischer Elefant zur Messe und er wurde beworben als: "der einzige, welcher seit 50 Jahren aus Afrika nach Europa gebracht wurde.

Dem schwarzen Elefanten Baba, der zur Herbstmesse 1826 in Frankfurt war, gefiel es so gut hier, dass er gar nicht mehr weg wollte; nachdem bei seiner Ankunft in Frankfurt sein Transportwagen umgekippt war, weigerte er sich wieder in diesen Wagen hineinzusteigen. Man ließ ihn hungern und legte nach fünf Tagen sein Futter in den Wagen, Baba aber - auch nicht dumm - holte sich das Futter nachts, als sein Wärter schlief. Dieser wollte ihm jetzt mit Gewalt zwingen, danach aber brauchte der Wärter einen Arzt. Baba blieb in Frankfurt und ließ nur noch die zwölfjährige Tochter der Eigentümerin an sich heran. Die italienische Besitzerin (aus Lyon) meldeten den Sachverhalt der Polizei und sagten, sie müssten vorerst in Frankfurt bleiben. Da hier ihr Messegeschäft aber gar nicht gut gelaufen war, hatte sie außerdem einen Wechsel über 4000 Gulden nicht einlösen können. Die Polizeibehörde ordnete jetzt an, Baba solle erschossen werden. Da so etwas in Frankfurt aber nicht geht und man außerdem auch gar nicht wusste, wie man einen Elefanten erschießt, der Frankfurter Afrikaforscher Rüppell war noch auf Reisen, sammelten die Frankfurter Geld, der Wechsel wurde eingelöst und Baba zog um in den Garten des Vergnügungslokals Vauxhall auf der Zeil, wo er gegen 12 Kreuzer Eintritt zu bestaunen war. Aber Baba kam immer mehr herunter und die Anwohner beschwerten sich über den Gestank, so dass die Schaustellerin Madame Leclerf, die auch in Frankfurt geblieben war, mit ihrem Baba endlich weiterziehen konnte. Auch das Vauxhall hielt sich nicht 1830 machte es zu.  Frankfurt war wieder ohne Elefanten. Erst 1838 kam dann zur Messe der Elefant Kiouny, der in Rennen gegen Pferde antrat und auf Seilen balancierte und damit die Frankfurter sehr beeiendruckte: Den Koloss Kiouny gegen den Himmel wandern zu sehen, sei ein "fürchterklich schöner Anblick, konnte man lesen.

Mit Bären hatte man in Frankfurt auch nicht mehr Glück. Im April 1818 kaufte die Senckenbergische Naturforschungsgesellschaft für 34 Gulden einen „abgelebten“ Tanzbären, den man nun vor Publikum sezieren wollte. Um die Organe möglichst nicht zu beschädigen, wurde der in einer Kiste sitzende Bär, mit einem auf einer Stange befestigten Bajonette erstochen. Man ließ ihn eine Stunde lang ausbluten, um dann die Sektion an ihm vorzunehmen. Der für tot gehaltene Bär rappelte sich aber wieder auf, riss sich von der Kette los und jagte die zahlreiche, nicht zuletzt aus Damen bestehende Zuschauerschaft quer durch den Saal. Versuche, ihn mit Dolchen zu erstechen und ihn zu strangulieren schlugen fehl, so dass er von zwei anwesenden Jägern erschossen werden musste. Und als 1892 ein Kutscher einen in Oberrad untergestellten Tanzbären mit Brot füttern wollte, biß dieser ihm den Zeigefinger ab - undankbares Tier!

  Mit den schnellen Dampfschiffen und vor allem durch den Transport mit der Eisenbahn wurde der Bezug von wilden Tieren in Europa einfacher (in Antwerpen entwickelte sich eine richtiggehende „Wildtierbörse“ ), so dass nun ganze Menagerien die Frankfurter Messen besuchten, so zum Beispiel  immer wieder Kreuzbergs Menagerie die auch zur Frühjahrsmesse 1853 in der Stadt war.

Diese Menagerien zeigten den Frankfurtern: „ wie der Mensch durch Anwendung seiner Kräfte die von der Natur wildesten und grausamsten Geschöpfe aller Zonen sich unterwerfen und zur Folgsamkeit zwingen kann.“. Gottlieb Christian Kreuzberg zeigte im Hof des Gasthofs „zum gelben Hirsch“ : sieben Löwen, einen Königstiger, vier Panther, mehrere Jaguare, einen Leoparden, eine gefleckte Hyäne, eine Hyänenfamilie, zwei Strauße, einen Baribal (ein amerikanischer Schwarzbär), ein Nilkrokodil, zwei Boas, eine Riesenschlange, Klapperschlangen, einen Eisbären, sowie den indischen Riesenelefanten „Miß Baba“. Kreuzberg aber hatte in Frankfurt kein Glück, als er vor Zuschauern in den Käfig eines Löwenpaares gestiegen war, griff der Löwe ihn an. Kreuzberg konnte sich nur retten, indem er dem Tier seinen Arm in den Rachen stieß und es an der Zunge packte, was seinem Arm natürlich gar nicht gut tat. Kaum war Kreuzberg wieder abgereist, wurde eine wildernde Hyäne im Stadtwald gesichtet. Kreuzberg bestritt zwar, dass ihm ein solches Tier abhanden gekommen wäre, aber immer wieder wurde es gesehen, ja sogar ein Preis auf es ausgesetzt. Nachdem aber auch Hyänen-Sichtungen bei Liege und sogar aus Spanien gemeldet wurden, glaubten Frankfurts Journalisten doch eher an eine der typischen Sommerloch-Geschichten (die bis heute fast jährlich in Form des „Krokodils im Badeteich“ wiederaufleben), lagen damit aber falsch, denn im April des folgenden Jahres wurde ein verwilderter Hund, der einer Hyäne sehr ähnlich sah im Wald geschossen. Gegen Geld und ausgestopft konnten sich die Frankfurter ihre „Hyäne“ dann im Frankfurter Haus (bei Neu Isenburg) anschauen.

Schon 1833, wenige Tage nach dem Wachensturm, war zur Messe an der Hauptwache Politos Menagerie zu sehen gewesen, mit Löwe und Tigerin in einem Käfig vereint. Ein Anblick, der besonders "Naturforschern" empfohlen wurde.

 1854 kam zur Herbstmesse dann der Zirkus Renz in die Stadt und präsentierte den Frankfurtern seine beiden afrikanischen Elefanten, Jack und Jenny und als kurz darauf auch noch zwei lebende südamerikanische Seeschildkröten mit der Bahn ankamen und hier ausgestellt wurden, konnten die Frankfurter, zumindest was wilde Tiere anging, nicht mehr meckern. Die beiden Schildkröten verließen Frankfurt auch nicht mehr, sondern ihr Besitzer, der Pastetenbäcker Ferdinand Schneider servierte sie den Gästen seines Feinschmeckerlokals am Goetheplatz in Form von Suppe.

1858 wurde dann, nach längerem Vorlauf, endlich, als achter in Europa, der Frankfurter Zoo gegründet, erst mal als Aktiengesellschaft an der Bockenheimer Chaussee (heute B. Landstraße). In diesem neuen Zoo, durch die Erfahrung mit der Hyäne war man wohl vorsichtig geworden, war das Halten von fleischfressenden Großtieren allerdings polizeilich verboten, aber was ist schon ein Zoo ohne Löwen? Eben! – die Aktionäre kannten Mittel und Wege um dann doch Raubtiere zeigen zu dürfen.

1865 allerdings, ging einer der drei neuangeschafften Frankfurter Tiger, unter ungeklärten Umständen, seines Schwanzes verlustig und Friedrich Stoltze mutmaßte, dass wohl die Preußen sich an der Freien Stadt Frankfurt hätten rächen wollen.

Den Preußen sind Frankfurts Raubkatzen aber dann doch nicht entkommen. Im Juli 1866 besetzten preußische Truppen Frankfurt und fingen sofort an, die freie und eigentlich ja reiche Stadt, finanziell zum Weißbluten zu bringen. Jetzt fehlte den Frankfurtern auch das Geld für ihren Zoo und so musste der Zoo schon im August all seine Raubkatzen an den Hamburger Tierhändler Hagenbeck verkaufen - so dass Frankfurt jetzt noch nicht mal mehr einen schwanzlosen Tiger hatte.

Am 26 März 1866 wurde auf dem Main eine Nilgans gefangen, die ja seit etwa 10 Jahren jetzt ein dauerhafter Bewohner des modernen Frankfurts geworden ist. Da dem Zoo keines seiner fünf Exemplare fehlte und sich das Tier als wild und bissig erwies, wurde das Tier erst gegen Geld von den Schiffern und dann ausgestopft in der naturkundlichen Sammlung zur Schau gestellt.

 

Schon im Sommer 1864 war ein Lippenbär verendet. Eine Dame aus Celle hatte mit ihrem Sonnenschirm im Bärenkäfig herumgestochert, der Bär zerbiss den Schirm, verschluckte Teile davon und verschied. Zum Ausgleich biss noch im gleichen Jahr ein anderer Bär einem Besucher, der ihn necken wollte, einen Finger ab. Der Fingerbeißerbär kam ausgestopft ins Museum, der Dame mit dem Schirm aber wurde der Lippenbär mit 340 Talern in Rechnung gestellt (davon konnte man 2550 Eintrittskarten für den Zoo á 12 Kreuzer kaufen). 

Nur für den eigenen Schaden musste 1873 ein gerade aus Frankreich zurückgekehrter Offizier aufkommen, der mit den Bären „gespielt“ hatte. Die Bärin Katherine biss ihm die Mütze vom Kopf und fraß deren „fettiges Futter“.

Abbildung aus dem Jahre 1865. Das Käfigstochern mit Sonnenschirmen scheint nicht so selten gewesen zu sein.

An wirklich artgerechte Tierhaltung dachte man damals noch nicht (wenn man auch die zoologischen Gärten schon als Errungenschaft in Sachen Artgerechtigkeit gegenüber den Menagerien erachtete), die Belehrung und Unterhaltung des Publikums stand im Mittelpunkt. Das Ziel war, den Frankfurtern ganz besondere Seltenheiten zu bieten, so zum Beispiel Orang-Utans. Im Sommer 1873 war es endlich, nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen, gelungen, zwei lebende Tiere nach Frankfurt zu bringen, Zoodirektor Dr. Schmidt war zur Abholung der Beiden extra nach Holland gefahren.  Einer der beiden Menschenaffen starb gleich am Morgen nach der Ankunft, der andere war gesund, da man ihm aber kein adäquates Futter bieten konnte und die Tiere auch das Frankfurter Wetter nicht vertrugen, rechnetet man mit seinem baldigen Ableben und Frankfurts Zeitungen empfahlen ihren Lesern sich den Affen bald anzuschauen; ein guter Rat, vier Wochen später war das Tier tot. 1862 waren dem Frankfurter Zoo zwei junge siebenbürgische Bären geschenkt worden, die man promt zu den alten Bären, Jean und Katharina, sperrte - die die beiden umgehend zerfleischten. Und das in einem Zoo mit einem festangestellten Zoologen, wie eine Frankfurter Zeitung tadelte.

Länger ausgehalten hatte es in Frankfurt ein Kakadu. ebenfalls 1862 in den Zoo gekommen, war das Tier erst 1907 mit fast 70 Jahren gestorben. Generationen von Frankfurtern konnten sich an das Tier erinnern, denn der Vogel rief fortwährend: “Babett, koch Kaffee!“ und ließ sich auch kraulen.

 

 

der Zoo 1875

Als der Zoo 1874 an seinen heutigen Standort zog, war ein Bärenzwinger mit das Erste, was man dort auf der Pfingstweide errichtete (direkt auf den Massengräbern der Kriegslazarette von 1813/14, die man da schon ganz vergessen hatte und jetzt wieder fand). Für den neuen Zwinger, hat man auch einen neuen Bären kommen lassen, den Bier trinkenden Riesen-Bär Martin aus Straßburg. Auch für die Großkatzen hatte man gebaut und die Löwen und die Tiger, die es jetzt wieder gab, zogen am 30. Mai in den Eckpavillon des Raubtierhauses. Nicht mit umgezogen ist der Löwenwärter, dem hatte ein Löwe zehn Tage zuvor die Hand abgebissen. Als dann kurz nach dem Umzug auch noch ein Leopard aus seinem Käfig ausbrach, brach unter den Besuchern des Zoos eine Panik aus. Alle Besucher verließen den Zoo und das Militär umstellte den Leopardenkäfig, unter dem sich das Tier versteckt hielt. Auch eine größere Zahl von Frankfurter Jägern (die Jagd war damals, speziell in Sachsenhausen, Volkssport) strömte zur Leopardenjagd in den Zoo, kam aber nicht zum Zuge, vorher hatten Tierpfleger die verängstigte Katze unter dem Käfig hervorgezogen. Ein Zoowärter, der sich besonders mutig gezeigt hatte, wurde sogar mit einem Gedicht geehrt.

Schon 1863 hatte ein Mann verucht, den Wolf des Zoos, durch das Gitter des Käfigs hindurch zu streicheln. Dieser wollte sich aber nicht streicheln lassen und verbiß sich in die Hand des Mannes. Angefeuert durch das Geschrei des Mannes verbreitete sich im Zoo das Gerücht, der Eisbär sei ausgebrochen. Schwerbewaffnet zogen jetzt die Zoowärter unter Leitung des Direktors durch den ganzen Zoo, wo sich aber mittlerweile alles wieder beruhig hatte, so dass es nicht auch zu einer Frankfurter Eisbärenjagd kam.

 

Dann wurde es im Frühjahr 1899 mit dem Raubkatzenschießen aber doch ernst.  Der Schwager des Zirkusdirektors Schumann, der Star-Dompteur Julius Seeth, war aus Äthiopien mit 21 neuen Löwen zurückgekehrt.   Mit 10 von diesen und 10 seiner alten Löwen trat er nun in Frankfurt erstmals mit einer Mega-Dressur auf.   "Sultan", Louis", "Emir", "Romeo", hieß es da und die Peitsche knallte. Der Einzige, der nicht so wollte, war der siebzehnjährige Berberlöwe Romeo, der war gerade in der Brunst und schlecht gelaunt. Als schon alle Löwen den Käfig verlassen hatten, nur Romeo nicht, schwang Seeth wieder seine Peitsche und diesmal griff der Löwe ihn an. Der Dompteur warf Romeo einen Schemel an den Kopf und erreichte gerade eine Sekunde vor dem Tier die Türe. Hinter der Bühne erschoss Zirkusdirektor Schumann mit einem Revolver das Tier und als Seeth in der Manege dem aufgewühlten Publikum die Vollstreckung meldete, brandete ein rauschender Applaus auf.   Den gewaschenen Löwen-Kadaver konnten die Zirkusbesucher beim Herausgehen dann am Ausgang begutachten. Der ausgestopfte Romeo wanderte in Seeths Hamburger Löwenmuseum.

Seeth mit dem 225 Kg schweren Sultan auf der Schulter

Auch Tiger zeigten sich in Seeths Schumann-Theater eher rebellisch. Dafür blieben sie dann aber ein bißchen länger. Da der Dompteur Henrik Henricksen seine Außenstände nicht begleichen konnte, waren seine 16 Tiger 1907 hier in Frankfurt gepfändet worden. Henricksen hatte dem Hamburger Tierhändler ein Pony mit extrem langen Schwanz verkauft, als das Tier in Hamburg ankam, stellte man dort fest, dass der Pferdeschwanz nur angeklebt war und fand das überhaupt nicht lustig.

 

Vielleicht waren Henricksens Tiger der Ersatz für Seeths Löwen - die Glanznummer des 1905 gegründeten Schumann-Theaters in Frankfurt. 20 seiner Löwen waren nämlich im Sommer 1906 eingegangen, weil sie mit verdorbenem Pferdefleisch gefüttert worden waren. Glücklicherweise waren Seeths Löwen vorher noch vom Kolonial- und Wildtiermaler Kuhnert gemalt worden, kurz nach dem Ableben der Tiere gab es eine Sonderausstellung mit diesen Bildern im Foyer des Schumann-Theaters. Trotzdem ist Seeth mit seinen Löwen reich geworden. 1907 ließ er sich in der Nähe von Hamburg ein Herrenhaus errichten, für das er selbst zwei Bronzelöwen entwarf. Abdullah und Menelik, die äthiopischen Löwen, stehen dort bis heute.

Seeth handelte aber auch mit Tieren. So verkaufte er im November 1906 an den Dompteur Hamburger Schule "Mr. Albers" 14 Eisbären und einen riesigen Braunbären. Nach nur zwei Wochen Dressur dürfte Albers dann mit diesen Tieren im Schumann-Theater auftreten. Gleich am nächsten Morgen, nach dem ersten Auftritt, stürzte sich aber der Braunbär Nicola auf Albers und ein Ringkampf zwischen den beiden entspann sich, in dessen Folge Nicola erschossen wurde. Mit den verbliebenen Bären studierte er jetzt eine Ringkampfnummer ein, die Frankfurts Publikum in ein wohliges Schaudern versetzte. Aber Albers wurde immer waghalsiger und einer der Eisbären verbiss sich noch in der selben Woche während des Trainings in seinen Arm. Mit Tigern war Albers zuvor auch schon aneinander geraten, weshalb er "einen Begriff von der Falschheit und der Tücke der Tiere" hatte, wie man in einer Frankfurter Zeitung lesen konnte.

Nicht so viel Glück wie Albers hatte im Frühjahr 1908 ein 17-jähriger Tierpfleger (damals noch "Tierwärter" genannt). Mit seiner Menagerie, die im Gallus ihre Tiere präsentierte war er in die Stadt gekommen. Als er frisches Stroh in den Raubtierkäfig legen wollte, zerfleischte ihm ein Tiger den Arm und machte ihn wahrscheinlich für den Rest seines Lebens zum Krüppel.

Ebenfalls auch nicht hübscher geworden war in Frankfurt der Dompteur "Helios" dem 1924 im Zirkus Krone ein Tiger vor Publikum das Gesicht verschandelte. Helios ließ sich aber nicht abschrecken, änderte seinen Künstlernamen und wurde als "Togare" weltberühmt.

Ebenfalls im Gallus entkam im Herbst 1911 ein Bär aus der Menagerie der "Miss Tilly", die schon zum wiederholten Male in Frankfurt gastierte. Da ganz in der Nähe - unter regem Zuschauerandrang - die Frankfurter Polizei einen Ortstermin mit zwei Raubmördern am Tatort veranstaltete, fiel der Bär erst einmal nicht auf. Dieser plünderte mehrere Kuchenbuden auf dem Juxplatz und machte sich dann an ein unbeaufsichtigtes dreijähriges Kind heran. Erst dessen Geschrei alarmierte die Schausteller, die das Kind retteten und den Bären wieder einsperrten.

Aber Hamburg konnte auch anders, im Jahr 1900 gastierte  am Ort des Schumann-Theaters (allerdings noch in einem Zelt) der Zirkus Krembser, der eine Dressur mit zwölf Eisbären präsentierte,  anders aber als Seeths Löwen, nach der „sanften“, Hagenbeckschen Methode dressiert - ohne Schläge, dafür mit Belohnungen. Das kam aber in Frankfurt weniger gut an, man vermisste die „Nerverregung“, die Seeth zu bieten hatte.

Auch von Hagenbeck gelernt hatte "die Löwenbraut" Tilly Bebé (1879-1932), die Meisterin der sanften Dressur. In Hamburg war sie mit 14 Eisbären aufgetreten, nach Frankfurt kam sie 1903 mit etlichen Löwen, mit denen sie schmuste und auf einem der Löwen, die schwarz-weiß-rote Fahne schwingend, durch die Manege ritt.

 

Die Zeit um das Jahr 1900 schien überhaupt die Zeit der Superlativen gewesen zu sein, 20 Löwen, 12 Eisbären und im Herbst 1900 kamen gleich 16 Elefanten, die der amerikanische Mega-Zirkus Barnum & Bailey, zusammen mit 400 Pferden, mit Löwen, Tigern, Kamelen und allerlei anderem Getier vom Festplatz am Ende der Frankenallee über die Alte Oper, Hauptwache und zurück einmal quer durch Frankfurt paradieren ließ.

Das man von Hagenbecks Eisbären enttäuscht war, darf aber auch nicht verwundern, von Eisbären war man anderes gewohnt - der Eisbär war der Weiße Hai seiner Zeit.

Im Juni 1891 war zum Beispiel eine heiratslustige Mittvierzigerin, die vom 26 jährigen Bärenwärter Gailing einen Korb bekommen hatte, bei Nacht in den Eisbärenzwinger hinabgeglitten, hatte sich, bis auf ein um die Hüften geschlungenes Taschentuch, entkleidet und vom Bären zerfleischen und bei lebendigem Leibe verspeisen lassen ohne dass das Zoopersonal und die herbeigerufene Polizei das ernsthaft hätten verhindern können, worüber die Frankfurter Zeitungen, ganz entgegen ihrer Gewohnheiten, die Frankfurter detailreich informierten. Dieser Eisbär war der zweite von vielen in Frankfurt, der mehr als zwei Jahre im Zoo überlebt hatte (vielleicht weil 100 kg Lebertran jährlich an ihn verfüttert wurden), deshalb dürfte er auch weiterleben. Gleich am nächsten Tag, nach seinem mitternächtlichen Massaker, standen dutzende von Besuchern um den Eisbärenzwinger, ohne den Bären aber, wie sonst üblich, mit Zuckerstücken zu füttern.

  

Im offiziellen Zooführer konnte man später dann auch lesen, dass Bären, anders als Tiger und Löwen: "unberechenbare, heimtückische Gesellen" seien. Der Selbstmord mittels Eisbär beeindruckte so, dass sogar ein Ölgemälde dazu entstand; die nächsten zwanzig Jahre wurde es in Castans Panoptikum, einem Gruselkabinett auf der Kaiserstraße, ausgestellt.

Die nicht ganz artgerechte Ernährung der Tiere könnte auch zu deren kurzen Lebenszeiten beigetragen haben, so war schon am Tag nach der Zooeröffnung der damalige Eisbär von furchtbaren Koliken befallen, weil die Besucher des ersten Öffnungstages ihn mit Unmassen von Obst gefüttert hatten. Wer sich über eine Extraportion Obst sicherlich gefreut hätte, das wäre der Schimpanse, der 1871 im Zoo lebte gewesen, der aber wurde vor allem mit weißen Brötchen, Milch, Orangen, Fleischbrühe, gekochtem Sago und Rotwein gefüttert. Als der Schimpanse 1872 unerwartet starb, fand man bei der Autopsie dann auch eine vollkommen zersetzte Leber vor.

+Der erste Zooelefant Frankfurts kam 1863 in die Stadt, konnte Mundharmonika spielen und wurde zu einem nicht unwesentlichen Teil mit Brot gefüttert, zum Teil mit steinhartem Brot. Richtig satt wurde das Tier nur an Tagen mit ermäßigtem Eintritt, da warfen nämlich mehr Besucher Brot in das Gehege. Wenn es da eine Auswahl gab, bevorzugte das Tier Weißbrot vor Schwarzbrot - ein Feinschmecker! Bier und Wein, die ihm gereicht werden, verschmähte es aber. Für sein Brot musste der Elefant (die Elefantin) aber auch arbeiten und Kunststückchen vorführen; weigerte er sich, wurde er bestraft, auch schon mal mit der Peitsche. 1871 konnte man in der Zeitung lesen: "Der Elefant, der etwas wiederwillig Drehorgel spielte und Harmolika blies, wobei er sich drehend tanzte, vertilgte eine ungeheure Menge an Gaben, dabei sogar einige Zigarren, die in seinem Magen vielleicht das Gewürz vertreten." Anders als für den schwarzen Elefanten Baba, für den 1827 hinter der Vauxhall ein Badeteich gegraben worden war, reichte für den Elefanten von 1863 der Platz im Zoo für einen solchen Elefanten-Pool nicht aus.

Mit ihren Elefanten hatten die Frankfurter viel Pech, 1893 war die 45 Jahre alte Elefanten-Dame Betzi gestorben (Betzi (oder auch schon mal Bethsy geschrieben), seit 1863 in Frankfurt (also bestimmt der weißbrotessende Elefant von oben), war einem Menageriebesitzer abgekauft worden, dem das Tier immer wieder fortgelaufen war. 1874 war sie, von einem nächtlichen Fackelzug begleitet, in den neuen Zoo umgezogen. Die Weißbrot-Diät scheint ihr aber nicht geschadet zu haben, denn in ihren Frankfurter Jahren hat Bethsy an Höhe und Breite ganz ordentlich zugelegt, sie kam ausgestopft nach Darmstadt und im April 1894 misshandelte der Elefant Albert seinen Pfleger, der eine Münze aus dem Gehege holen wollte. Der Tierpfleger wurde entlassen, aber mit Albert wurde es immer schlimmer. 1893 war Albert mit dem Hagenbeck-Zirkus in die Stadt gekommen und der Hamburger Tier-Händler hatte den Elefanten dem Frankfurter Zoo geschenkt. Der Elefant erwies sich aber als „nicht-dressierbar“ und man ließ ihn 1896 vom „erfahrenen Limburger Elefantenjäger“ Josef Menges (1850 - 1910) erschießen. Dummerweise hatte Menges das Tier in seinem Stall erlegt, so dass man, um an den Kadaver heranzukommen, einen Teil des Gebäudes abreißen musste. Alberts Skelett kam nach Karlsruhe. Als 1898 dann auch noch die Elefantendame Fanny dem Tode nahe war, wollte man schon alle Elefanten-Hoffnungen fahren lassen, aber glücklicherweise erholte sich Fanny nach einer Cognac-Kur wieder. Dem Alkohol auch nicht abgeneigt, war ein Elefant, der 1908 im Frankfurter Zoo lebte. Eine Gruppe schwäbischer Bauern machte sich einen Spaß daraus, dem Tier eine verkorkte Flasche Likör zu geben. Als der Dickhäuter die Flasche nicht aufbekam, legte er sie auf den Boden, zertrat sie und schluckte die Scherben. Das Zoopersonal fütterte ihn sogleich mit großen Mengen von Heu und unbeschadet schied das Tier die Scherben in den kommenden Tagen wieder aus.

Auch die Elefantendame Fanny musste für ihr Brot was tun, auch sie spielte die Drehorgel und blies auf der Mundharmonika. Sie galt im Frankfurter Zoo als "sehr bösartig."

1911 galt es wieder einen Elefanten zu töten. Der indische Elefant Jack - oder Dick, da widersprechen sich die Zeitungen -, der seit zwanzig Jahren mit dem Circus Charles  (Karl Krone) reiste, hatte sich am Bein verletzt und das wollte nicht heilen. Zu seiner Einschläferung brachte man ihn in den Frankfurter Zoo. Vier Stunden brauchte das humpelnde Tier, bis es vom Gallus aus dort eintraf. Im Zoo wusste man aber immer noch nicht, wie man solch ein riesiges Tier tötet. Nachdem man ihm unglaubliche Mengen von Morphium, Cyankali, Skopalamin und Chroroform verabreicht hatte, war das arme Tier immer noch nicht tot und man schoss ihm noch durch das Auge ins Gehirn - oder schnitt ihm die Kehle auf, auch da widersprachen sich die verschiedenen Berichte. Einhellig aber sprach die Presse von einer Hinrichtung.

der Elefantenjäger Menges, der den wütenden Albert erschossen hatte, brachte aber auch wieder einen neuen Elefanten nach Frankfurt.  Kaum war im Sudan der Mahdi besiegt, ging der Limburger, im Hauptberuf Tierhändler, wieder dorthin und kehrte im Morgengrauen des 25.Juli 1899 in den Frankfurter Zoo zurück. Mit sich brachte er: ein Elefantenjunges mit riesigen Ohren, eine Giraffe, 36 Strauße, ein Dutzend riesige Affen "aus deren Augen eine unbeschreibliche Gier und Bestialität sprach", Löwen, Hyänen, Leoparden und anderes mehr. Der Frankfurter Zoo kaufte Menges die Giraffe, Gerthy, ab und auch der schwarze somalische Giraffenzucht-Experte in weißem Burnus blieb in Frankfurt. Die Giraffe war damals das Zoo-Mode-Tier und so musste man sehr tief in die Tasche greifen. Sicherlich bedauerte man jetzt die letzte von drei Giraffen, die 1878 in den Zoo gekommen waren, gegen den Cognac-trinkenden Elefanten Fanny eingetauscht zu haben. Gerthy lebte bis 1910 im Frankfurter Zoo, was man als Kuriosum betrachtete, denn: "die wenigsten der importierten Giraffen ertragen die Gefangenschaft länger als einige Wochen."

 Wäre nicht kurz vor Menges Eintreffen in Frankfurt, der Frankfurter Kolonialpionier und Straußenzucht-Experte, Carl Nolte (1863-1900), mangels lokaler Beschäftigung in die USA ausgewandert, hätte man auch ein paar von den Straußen kaufen können. Auf seine Strauße musste man in Frankfurt allerdings auch aufpassen, Straußenfedern waren richtig Geld wert und es kam auch schon mal vor, dass Leute nachts über den Zaun des Zoos kletterten und Strauße rupften. Menges reiste auch in den folgenden Jahren immer wieder zu Tierjagden in den Sudan und der Frankfurter Zoo wurde zu seiner Tier-Umschlag-Zentrale.

 

Drei "Menges-Giraffen" werden durch Frankfurt geführt

 

Der Frankfurter Zoo wuchs und wuchs. Aber die wilden Tiere, die nach Frankfurt kamen, waren nicht immer auch willkommen. Mit dem intensivierten Welthandel, kamen auch lebende Skorpione mit Holzlieferungen aus der Türkei, riesige Käferlarven und Bienen mit Holz aus Argentinien und japanische Heuschrecken befielen in Massen die Gewächshäuser der Sießmayerschen Gärtnerei.

 

1904 kam dann auch das erste Wiesent nach Frankfurt. Allerdings wäre das beinahe entkommen, denn auf seiner Bahnfahrt von Schlesien an den Main, drängten sich Eisenbahner mit Laternen in der Hand um die Transportkiste des Tieres, um auch mal zu gucken. Das versetzte den Wiesent-Stier in Panik und er zerlegte beinahe die Kiste und es wäre ihm auch gelungen, hätten die Männer nicht noch schnell zusätzliche Bretter auf die Kiste genagelt. Die Neugierde der Eisenbahner und unsachgemäße Behandlung waren immer wieder Probleme bei Tiertransporten. So war es im Sommer 1889 einem drei Meter langen Krokodil gelungen, aus seiner Transportkiste zu entkommen und den Frankfurter Südbahnhof (damals noch Bebraer Bahnhof) in Unruhe zu versetzen und als man 1863 im Zoo die Transportkiste eines Mandrills öffnete, fanden sich darin gleich drei Eisenbahnermützen.

Man unterhielt sogar einige Fremdenlegionäre, die in Nordafrika Schlangen und anderes Getier exklusiv für Frankfurt fingen und es war schon geplant, den Zoo an den Stadtrand zu verlegen und zu vergrößern, da kam der 1.Weltkrieg und aus der Verlegung wurde nichts. An neue Tiere zu kommen, wurde jetzt fast unmöglich, selbst ein Schlangenstorch, der am Tag der Mobilmachung aus Paraguay in Bremerhaven eingetroffen war, brauchte Wochen, bis er endlich in Frankfurt ankam. Dafür kamen die deutschen Soldaten jetzt in der Welt herum und der Frankfurter Tierbildhauer Karl Wagner (1886 - 1966) zum Beispiel, brachte 1917 einen, von ihm aufgezogenen, seltenen schwarzen Storch von der Ostfront im Handgepäck mit in den Frankfurter Zoo. (Karl Wagner hatte sein Atelier lange im Gesellschaftshaus des Zoos. Ab 1945 gab er hier seine "Bausteine für den Wiederaufbau des Zoos" heraus, hier die Bausteine 23 ,1 und 4.)

  

Im Winter 1914, noch kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, kam der Mega-Zirkus Carré nach Frankfurt. Bei grimmiger Kälte, sogar der Main war seit Langem mal wieder zugefroren, erfroren dem Zirkus zwei Lamas und ein Zebu. Um sich gegenseitig zu wärmen, hatte man einen Elefanten zusammen mit einem Pferd im Stall eingestellt. Das mochte der Elefant aber nicht und spießte das Pferd mit seinen Stoßzähnen auf.

Der Krieg brachte eine schwere Hungersnot über Frankfurt, die auch die Zootiere zu spüren bekamen. Wie bei den Menschen stieg auch die Sterblichkeit unter den Frankfurter Affen, fast alle starben an einer Lungenseuche. Auch der Stolz des Zoos, die 1911 nach Frankfurt gekommene Schimpansin „Basso“, für die extra ein gläserner Käfig gebaut worden war, war „in den Affenhimmel abgewandert“, wie 1919 in der Zeitung zu lesen stand. Seit dem Wunderschimpansen "Consul", der 1903/04 über die Variete-Bühnen Europas gezogen war, waren Schimpansen im Trend. 1909 stieg auch der Frankfurter Löwen-Dompteur Seeth in dieses Geschäft ein und dressierte das Pärchen "Monsieur et Madame X.", die dann in Südamerika auf Tour gingen und 1910 den Riesenschimpansen "Prince Charles", der im Schumann-Theater als Rollschuhläufer und Fahrradfahrer auftrat. Basso war ein Glück für den Frankfurter Zoo. Ihr Vorgänger, der von 1908 bis 1912 im Zoo lebende traurige August, galt als stur und "unbändigbar". Er starb, wie man heute annimmt, an einer Fehlernährung und kam ausgestopft ins Senckenbergmuseum.

Abbildung von 1915

1913 und 1925 waren sogar Filme über Bassos Rechenkünste gedreht worden und 1916 ist ein psychologischer Fachaufsatz darüber erschienen

 

Während des Krieges wurde der Zoo mehr und mehr von der Tierschau auf die Tierproduktion umgestellt. Nach dem katastrophalen Steckrüben-Winter 1916/17 gab es im Frankfurter Zoo eine Ziegen-, eine Kaninchen- und eine Hühner-Zuchtstation, auch das gesamte leerstehende Straußengehege war mit Hühnern belegt worden und im leerstehenden Hirschhaus, zog man chinesische Hängebauchschweine, deren Ferkel man vermarktete. Noch im Dezember 1920 waren die Zeiten so schlecht, dass, als im Zoo "ein alter, abgängiger Bär" geschlachtet wurde, sich vor der Metzgerei in der Börnestraße, in der das Fleisch verkauft werden sollte, sich schon vor der Öffnung des Ladens eine lange Schlange bildete. Bedingt durch die Inflation, entließ man im Frankfurter Zoo die Hälfte der Belegschaft und schloss auch einige Tierhäuser, aber anders als in Berlin oder in München, wurde der Zoo hier nicht komplett geschlossen. Aber die Zeiten wurden auch wieder besser und in den Goldenen Zwanziger Jahren war besonders die tropische Sumpflandschaft des Aquariums eine der Hauptattraktionen des Frankfurter Zoos.

 Ganz besonders stolz war man auf seine zahmen Reptilien. Der Bindenwaran "Bubchen", eine in freier Wildbahn extrem bissige Art, ließ sich von seinem Pfleger sogar auf der Schulter herumtragen und der brüllende Alligator "Jonathan" war so zahm, dass er von Filmteams oft zu Aufnahmen herangezogen wurde.

Im November/ Dezember 1921 gastierte der Zirkus Sarrasani in der Festhalle. Unter anderen war die Glanznummer, die aus zwölf Tieren bestehende Elefanten-Karawane. Wegen der engen freundschaftlichen Verflechtungen zwischen dem Polizeipräsidenten Ehrler und verschiedenen Theater- und Varietedirektoren, die einen Winterzirkus als unliebsame Konkurrenz ansahen, wurde dem Zirkus aber das Aufführungsrecht für den Dezember nicht erteilt und hunderte von Artisten und Tieren, drohten bei Eis und Schnee auf der Straße zu landen. In dieser Zeit starb einer der Elefanten - wegen des schlechten Futters, das er wegen der polizeilich bedingten Zwangspause nur erhielt, konnte man in der einen Zeitung lesen, in einer anderen stand, der Zirkusdirektor habe sich wegen der Rechtsstreitigkeiten nicht um das kranke Tier kümmern können. Die arbeitslosen Artisten unternahmen einen Elefanten-Trauermarsch durch Frankfurt und die öffentliche Meinung stellte sich ganz auf die Seiten des Zirkus und Sarrasani durfte in der Festhalle weitermachen.

In Frankfurt waren die Wilden Tiere derart zahm geworden, dass sich jetzt auch Frankfurts Honoratioren an sie heranwagten. Im Januar 1927, Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung der Frankfurter Altstadtfreunde im gerade in der Stadt gastierenden Zirkus Sarrasani übernahmen einige der Herren sogar Dompteur-Rollen, der Journalist Max Fleischer (Mittagsblatt der Frankfurter Zeitung) führte ein Nilpferd vor, der Messedirektor Satter indische Elefanten. Gar so zahm waren diese Tiere aber nicht, denn bei einer Vorstellung ein paar Tage darauf, verbiss sich das Nilpferd in einen der Elefanten. 

Aber trotz bissiger Nilpferde, wollte im Oktober 1927 die Elefantendame Katja Frankfurt gar nicht mehr verlassen. Nach dem Gastspiel des Zirkus Krone in der Stadt, sollte sie auf dem Güterbahnhof (heute Skyline-Plaza-Einkaufszentrum) verladen werden - das wollte sie aber nicht. Stattdessen riß sie sich los, stürmte bis nach Nied, wo sie einige Gärten verwüstete und sich dann ins Nieder Wäldchen zurückzog. Katja war auch nicht zu bewegen, das Wäldchen zu verlassen. 200 Polizisten umstellten nun den Wald und alle Zirkusmitarbeiter und auch alle verfügbaren Zoowärter versuchten Katja zu fangen, was auch gelang. Katja stand jetzt angebunden an einen Baum, zu dem man aber dummerweise nicht mit einem Lastwagen kam. Erst als man einen zahmen Kollegen Katjas in den Wald führte, beruhigte sich diese und ließ sich herausführen.

Zirkus Krone 1927 in der Altstadt

1933 konnte der Zoo sein 75 jähriges Jubiläum feiern. 

Dann kam der 2. Weltkrieg und nach dessen Ende lag der Zoo in Ruinen. Nach den Bombenangriffen im März 1944, liefen wilde Tiere, selbst Löwen, frei durch die Stadt und wurden erschossen. In  den Nachkriegs-Ruinen des Zoos lebten gerade noch 20 große Tiere, ein Nilpferd, ein Schimpanse, sechs Geier, zwei Kamele, zwei Paviane, zwei Wisente, zwei Lamas, ein Zebu und einige Ponys und Ziegen.  Die allermeisten kleineren Tiere, die von den Bomben verschont geblieben waren, wurden nach Kriegsende nachts gestohlen und geschlachtet. Der neue Zoodirektor, Bernhard Grzimek, unternahm jetzt einiges, um den Zoo wieder auf die Beine zu bringen, er fuhr durch ganz Deutschland, um wieder Tiere zu bekommen, so holte er zum Beispiel drei Elefanten aus Passau. Mit Elefanten, Kamelen und Panthern machte er Spaziergänge durch Frankfurts Ruinenlandschaft, um deren Bewohner wieder in den Zoo zu locken und eigenmächtig sperrte er die Fasanenstraße ab, um die Ruinengrundstücke links und rechts davon in seinen Zoo zu integrieren. Durch ihn, seine Filme und Fernsehsendung wurden er, der Frankfurter Zoo und auch einige von Frankfurts wilden Tieren weltberühmt.

Kamel vor der Hauptwache

Ob der Herr in bayerischer Tracht auch im Zoo gezeigt wurde ist nicht überliefert.

Über zoologische Gärten. Zitat von 1865:

"Der Mensch  aber wandelt als Herr der Schöpfung wie im Paradiese unter all dem tausenderlei Getier umher und wenn ihn hungert oder dürstet, so wendet er seine Schritte zur Restauration ... Da schlürft er seinen Mocca im Schatten exotischer Gewächse, raucht seine Havanna und lauscht den Klängen eines Strauß'schen Walzers; bei dem Brüllen des Löwen, dem Brummen des Eisbären, dem Wiehern des Zebras, dem Gequiek, Gepfeife, Geschnatter der zahllosen Vögel denkt er nach über den Fortschritt der Zeit, welcher die ganze Schöpfung dem Menschen dienstbar macht und uns die Geschöpfe der fernsten Zonen so nahe rückt, dass man so viele Herrlichkeiten der Natur jetzt für ein paar Kreuzer bequem zu Hause genießen kann, wozu sonst die Beschwerden und Gefahren einer Reise um die Welt und der Reichtum eines Krösus kaum ausreichten."

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