Alexander Ruhe:1844 - Goethe links geknöpft. 28. August 2013

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

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Johann Wolfgang Goethe – anderenorts auch „von“ Goethe, aber diesen Adelstitel hatte er sich im Ausland zugezogen und dann auch noch seine Frankfurter Staatsbürgerschaft zurückgegeben, um Steuern zu sparen, weshalb sein Titel in Frankfurt nicht anerkannt wurde, also – Johann Wolfgang Goethe war gestorben, war 1832 gestorben, mitten in die Frankfurter Frühjahrsmesse hinein. Das war ziemlich ungünstig. Natürlich wollte man hier in Frankfurt den berühmtesten Sohn der Stadt ehren, am besten mit einem Theaterstück aber das Frankfurter Theater hatte während der Messe sowieso jeden Tag Vorstellung und ein zusätzliches Goethe-Stück war jetzt nicht einzustudieren. Eine Ehrung blieb erst mal aus.

 

Mit Ehrungen Goethes hatte sich Frankfurt auch schon zuvor schwer getan. Bei seinem Besuch 1814 in Frankfurt war die öffentliche Ehrung nur bescheiden ausgefallen, zu bescheiden für den Bankier Willemer, bei dem Goethe gerade zu Gast war. Dieser nutzte eine dreitägige Abwesenheit des Dichters aus der Stadt erstens damit, dass er aus seiner bisherigen Ziehtochter Marianne, in die auch Goethe sich verkuckt hatte, seine Frau machte und zweitens schickte er an das "Morgenblatt für die gebildeten Stände" einen Bericht über ein rauschendes, erfundenes Goethefest in Frankfurt. Der Artikel wurde prompt von  einer ganzen Reihe deutscher Zeitungen nachgedruckt und beschämt veranstaltete die Stadt Frankfurt 1819  genau so, wie von Willemer erfunden, ein Goethefest, bloß ohne Goethe !

 

Nachdem ebenfalls auf einer Feier zu Goethes 70.Geburtstag, am 28.August 1819  in Sachsenhausen ein Kuchen in Form von Goethes Kopf verspeist worden war, wollte man ihm hier auch ein richtiges Denkmal widmen, der noch lebende Goethe winkte zwar zuerst ab, empfahl dann aber die neu errichtete Stadtbibliothek als Standort und auch gleich den Künstler Rauch für die Ausführung. Christian Daniel Rauch hatte inzwischen vier Denkmals-Entwürfe abgeliefert als 1826 der Bankier Simon Moritz von Bethmann, Hauptförderer des Projekts, starb und der Plan  zum Erliegen kam.

1821 reichte der dänischen Bildhauer Thorvaldsen einen Entwurf für ein Goethedenkmal und einen Goethe-Tempel auf der schmalen Maininsel des Müllermains ein (etwa da, wo jetzt vor dem Restaurant „Nizza“ am Main die Eisenbahnschienen verlaufen), die Stadt hatte sogar den Baugrund schon kostenlos zur Verfügung gestellt, aber es wurde doch nichts daraus, man hatte sich nicht einigen können, in welcher Reihenfolge die Namen der Geldspender verewigt werden sollten.

 

Nach der Juli-Revolution und erst recht nach dem Hambacher Fest, erkannte man in Frankfurt in Goethe aber dann doch einen Aristokraten, also doch von Goethe – und den sollte man ehren ?

Im Stillen aber wollten drei Frankfurter den Plan nicht ruhen lassen und beauftragten 1834 einen italienischen Bildhauer mit der Schaffung des Goethe-Denkmals. Als die Öffentlichkeit 1837 davon erfuhr, war es mit der Ruhe dahin; ein Italiener sollte den deutschen Heros schaffen ? Jetzt rührten sich auch weiter Goethe-Freunde und ein zweites, ein deutsches Goethe-Monument sollte geschaffen werden.  Es wurde Geld gesammelt, und gesammelt und langsam gesammelt, bis 1839 die Stadt Stuttgart ihr Schiller-Denkmal einweihte; das war ein Schlag ! Ging denn das ? Schiller war doch ein Frankfurter ! (zumindest wenn man es sehr großzügig auslegt, und dazu neigten damals Viele, war er doch in Frankfurt zum Star geworden, zu Goethe Nummer 2 !) Jetzt strömte das Geld und dass in einer Zeit, in der viele andere Denkmal-Projekte stagnierten, wurde doch gleichzeitig für den Bau des Kölner Doms gesammelt und dafür zu geben war für alle, die nicht als unpatriotisch gelten wollten, zu einer Pflichtabgabe geworden.

Eigentlich hatte man Bertel Thorvaldsen, der auch das Stuttgarter Denkmal gefertigt hatte, damit beauftragen wollen. Noch 1840 hat man bei ihm einen sitzenden Goethe, Schreibutensilien in der Hand, bestellt. Dieser sollte an der Hauptwache aufgestellt werden. Für den Theaterplatz plädierte der Münchner Bildhauer Schwanthaler. Beide Künstler waren im Juni 1841 in Frankfurt, um ihre Entwürfe zu bewerben. Da man mit Thorvaldsen nicht einig wurde, der Hauptvorwurf lautete, er habe Goethe nicht persönlich gekannt, erhielt Schwanthaler den Auftrag.

 

Angefeuert wurde der deutsche Denkmalsbau noch durch ein Husarenstück; der Frankfurter Afrikaforscher Rüppell, der auch einen Großteil des Geldes zugeschossen hatte, holte den italienischen Marmor-Goethe im Dezember 1839, mitten im Winter, über die Alpen (wie einst Hannibal, aber ohne Elefanten, dabei hätte Rüppell sich mit denen ausgekannt). Der italienische Goethe wurde am 15. April 1840 in der Eingangshalle der Stadtbibliothek aufgestellt. In den Sockel des Monumentes wurden eine große Zahl von Schriftstücken gepackt - bis zur Rechnung des Frankfurter Steinmetzes, des die Skulptur in der Stadtbibliothek aufgestellt hatte, aber auch zwei originale Briefe Goethes.

Der deutsche Goethe ließ noch bis 1844 auf sich warten, dann kam auch er nach Frankfurt und wurde hier auf dem Goetheplatz aufgestellt, wo er auch heute wieder steht (zu seinem diesjährigen Geburtstag ist er gerade frisch gewachst worden).Goetheplatz ist der Platz allerdings erst durch das Standbild geworden.

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Über den geeigneten Ort für das Denkmal wurde heftig diskutiert und da es nicht all zu viele Möglichkeiten gab, entschied man sich – obwohl die Frankfurter Polizei hier in Goethe ein Verkehrshindernis für den Wagenverkehr sah - für den Platz vor dem Schauspielhaus, direkt vor der französisch-reformierten Kirche, was dem Kirchenvorstand gar nicht recht war, den Heiden Goethe wollten sie nicht vor der Tür haben.

Für die Parade-Allee, jetzt Goetheplatz hatte gesprochen, dass dafür einige Bäume abgeholzt werden mussten, die empfand man als störend. Der Aufstellungsort war im Vorfeld in Frankfurts Zeitungen diskutiert worden. Auch im Gepräch war der Platz vor der Katharinenkirche und der jetzige Rathenauplatz, direkt vor dem Theater, die Hauptwache solle zugunsten des Goethe-Denkmals abgerissen werden, aber auch die Wallanlagen vor dem ehemaligen Galgentor waren im Gespräch, wo Goethe dann ja auch jahrzehntelang nach dem zweiten Weltkrieg stand.

 

Einweihen hatte man das Denkmal zu Goethes Geburtstag am 28. August wollen, aber der von sechs Pferden gezogene Wagen, der das Monument von der Gießerei in München nach Frankfurt brachte, traf erst am 16. Oktober 1844 hier ein und wurde – obwohl es in Strömen regnete und kalt war – von tausenden Frankfurtern am Sachsenhäuser Affentor empfangen und im Triumph über die Alte Brücke und die Zeil zu selnem Standort gebracht.

 

Ebenso wie die Organisation um den italienischen Goethe, war auch der deutsche Goethe aus einer reinen Privatinitiative entstanden und privat sollte das Ganze auch bleiben. Die Frankfurter "an die Oligarchie einiger Auserwählter gewöhnt, so das niemand etwas Arges dabei fand.", wie man 1844 in einer Zeitung lesen konnte, waren von den Feierlichkeiten zur Enthüllung des Goethedenkmals nämlich ausgeschlossen. Obwohl Tausende den Einzug nach Frankfurt begleiteten und die Kinder einen Tag schulfrei bekommen hatten - man hatte die Skulptur von drei Seiten mit einen Holzlattenzaun umgeben und nur Mitglieder des Senats und Personen, die Geld zum Denkmal gegeben hatten, kamen in das Innere hinein. Das große deutsche Volksfest, das sich viele erhofft hatten, war ausgeblieben. Eine liberale Großkundgebung hatte wohl auch der österreichische Staatskanzler Metternich erwartet und die Denkmalseinweihung deshalb von seinen Spitzeln überwachen lassen. Auch aus deren Berichten geht hervor, dass es sich wohl eher um eine langweilige und tröge Veranstaltung gehandelt hat. "Bei herrlichstem Herbstwetter" wurde unser Goethe dann am 22.Oktober 1844 hinter verschlossenen Türen eingeweiht. Die nichteingeladenen Frankfurter standen da eher am Main, wo buntgeschmückte Dampfboote auf- und ab fuhren.

 

Schon bald nach der Aufstellung machte man sich darüber lustig, dass Goethes Jacke falsch herum geknöpft sei, links, nicht wie bei Männer-Mode bis heute üblich, rechts. Vielleicht liegt das an den Widrigkeiten des Gusses. Der mit dem Guss beauftragte Münchner Gießer Johannes Stiglmaier lag während des Gusses gelähmt auf seinem Totenbett – er litt an Magenkrebs – und dirigierte von dort aus den Guss, den sein Neffe  Ferdinand Miller durchführte. Wenige Stunden nach dem am 03. März 1844 durchgeführten Guss starb Stiglmaier, da kann man die Knöpfe schon mal falsch rum gießen !

Aber auch das Goethedenkmal hatte nicht nur Freunde ! Es stand noch nicht ein Jahr, da wurde im Sommer 1845 von „frevelnder Hand“ Salpetersäure auf das Monument gegossen, allerdings ohne größeren Schaden anzurichten. Aber auch später rissen die Attentate auf Goethe nicht ab. 1854 und 1862 wurde er wieder mit Säure begossen und 1864 mit frischem Kalk beworfen.

 

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