Alexander Ruhe: 1773 - Die Schlacht am Riederspieß. Mai 2022

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

 

 

Schon wiederholt habe ich in meinen "Zeitungsarchäologie"-Artikeln über Grenzstreitigkeiten zwischen Frankfurt und den angrenzenden Landesherrschaften berichtet. Da gab es Streit um das Weidenwörtchen, um den Räuber Teufel und um wildernde Soldaten. 1773 aber wuchs sich solch ein Konflikt zu einem richtiggehenden militärischen Kampf aus.

Seit hundert Jahren hatten sich Frankfurt und die Grafschaft Hanau um Frankfurter Gebiete gestritten, die noch vor der Landwehr lagen. Die Landwehren waren Erddämme, die mit dichtem Gestrüpp und ineinander verflochtene Weiden bepflanzt waren und Frankfurts Gemarkung umschlossen. Der Rebstock, der Diebsgrund und der Riederspieß ragten aber über die Landwehr hinaus und in Hanau war man der Meinung: "Na, dann gehört das alles wohl uns!". So ging das aber nicht und Frankfurt wollte mal wieder Fahne zeigen und veranstaltete am 04.Oktober 1773 gleichzeitig zwei Treibjagden, eine am Diebsgrund und eine andere am Riederspieß. Beide Jagdgesellschaften wurden von je 40 Frankfurter Soldaten begleitet. Dieser militärische Schutz erwieß sich aber als zu schwach, denn am Riederspieß stellten sich den Frankfurtern bewaffnete Fechenheimer Bauern entgegen und der Fechenheimer Cent-Graf, der 43 Jahre alte Phillipp-Heinrich Klee hielt dem Frankfurter Leutnant Seelig sein Gewehr vor das Gesicht und wollte ihn verjagen. Es sah gar nicht gut für Frankfurts Besitzansprüche aus, als plötzlich die Frankfurter Treiber, alles Bornheimer Bauern, auftauchten und mit ihren Flinten das Feuer eröffneten. Die Bornheimer schossen mit gehacktem Blei und kleingestoßenem Glas und versetzten den Fechenheimer Haufen in Unruhe. Diese Unruhe nutze Leutnant Seelig; er zog seinen Säbel und hieb ihm den Cent-Grafen um die Ohren (allerdings mit der flachen Seite des Säbels). Klee ging in die Knie und die Fechenheimer suchten das Weite. Klee, ein Hanauer Jäger und ein Fechenheimer Bauer, die es auch nicht mehr geschafft hatten, wanderten ins Frankfurter Gefängnis, Klee in die Konstablerwache, die anderen Beiden in die Hauptwache. Hier setzte man die Drei auf Wasser und Brot und ließ sie schmachten.

Der entkräftete und verwundete Klee hielt diese Haft nur vier Tage aus und erdrosselte sich dann mit seinem seidenen Schnupftuch in seiner Zelle. In Hanau wollte man nicht an einen Selbstmord glauben, man trat eine deutschlandweite Pressekampagne los (in der Frankfurt überhaupt nicht gut wegkam) und verlangte eine Autopsie des Leichnams. Diese ergab, das Cent-Graf Klee mit leerem Magen und Erhängungsmerkmalen aufgefunden worden war. Alles hatte also seine Ordnung und der Riederspieß blieb bis heute bei Frankfurt und Fechenheim kam dann 1928 auch dazu. Heute müssen also Bornheimer und Fechenheimer nicht mehr aufeinander schießen. Am Ort der "Schlacht", ein sumpfiges Gebiet, das später mit Frankfurts Hausmüll aufgefüllt wurde, befinden sich heute der Riederwald und der Abenteuerspielplatz. Zwischen Frankfurt und Hanau war in der Folge noch lange hin und her gemacht worden und es dauerte bis 1785, bis man sich auf einen lauen Vergleich einigen konnte.

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