Alexander Ruhe: 1743 - Kampf um die
Weideninsel im Main . Februar 2020
Jahrhundertelang war die Staatsgrenze zwischen dem freien Frankfurt und
dem Kurfürstentum Mainz fest vermessen und - auch
weitgehend unangefochten, bis sich zu
Anfang des 18. Jahrhunderts genau auf dieser Grenze im Main (etwas östlich
von da, wo heute die Eisenbahnbrücke vor dem S-Bahnhof Niederrad den Main
quert) eine Sandbank
bildete, ein sogenanntes Wörtchen. dieses Mainzer Wörtchen war schon
bald mit Weiden bepflanzt und wurde so zum Weidenwörtchen.
Als sich dann noch eine zweite Sandbank auftat dachte man wohl in Mainz "ein
Wörtchen ist kein Wörtchen" und beanspruchte das zweite Wörtchen ebenfalls -
obwohl dieses jetzt eigentlich im Frankfurter Gebiet lag.
Der Mainzer
Zollverwalter in Höchst schuf aber vollendete Tatsachen. Trotz Protesten aus
Frankfurt, verpachtete er diese Weidenpflanzungen an Griesheimer,
Schwanheimer und Sossenheimer Korbflechter. Bedrohlich wurde die Situation
nun aber, als die beiden Wörtchen sich zu einem richtigen Wort entwickelten
und zusammenwuchsen und eine Fläche von 1,75 Morgen (etwas weniger als ein
Fußballfeld) einnahmen. Jetzt nämlich drohte die Mainzer Insel mit dem
Frankfurter Festland zusammenzuwachsen - dies dürfte nicht geschehen! Und so
wurden die Griesheimer Bauern zu regelmässiger Fronarbeit herangezogen um
den nurmehr schmalen Wassergraben zwischen Insel und Ufer auszubaggern und
freizuhalten. Penibel wurde auch darauf geachtet, dass keine Weidenzweige
auf das Frankfurter Ufer hinüberwuchsen.
In Frankfurt aber
ignorierte man diese Mainzer Ansprüche. Sachsenhäuser Fischer kamen des
Nachts und plünderten die Pflanzungen und auch der Hofverwalter des
Gutleuthofes kam und schnitt nach Gutdünken Weiden.
Ganz hörte jede Rücksichtnahme dann auf, als wieder ein Krieg über das
Land kam; Preußen und Österreich stritten sich erneut um Schlesien.
Eigentlich war Schlesien ja ziemlich weit entfernt, aber in Frankfurt
residierte der Kaiser, der nach seiner Wahl in Frankfurt von den
Österreichern nicht mehr in sein heimisches München zurückgelassen wurde,
und gar nicht weit von Frankfurt, bei Karlstein am Main hatten die
Engländer und die Österreicher im Sommer 1743 eine große Schlacht gegen Preußens Verbündete
gewonnen, so dass man - im eigentlich ja neutralen Frankfurt - unruhig wurde
und daran ging, die Stadtbefestigungen zu verstärken. Sehr zuversichtlich
war man da aber in Frankfurt anscheinend nicht, denn ein Wirt benannte sein
neuerbautes Gasthaus in der Fahrgasse, das zuvor "Krachbein" geheißen hatte
nun in "König von England" um - sicher ist sicher.
Zur Verstärkung der Mauern brauchte man
Fachinen, mit Erde gefüllte Körbe, zum Schutz gegen Geschosse. Zum Bau
dieser Körbe brauchte man nun Weidenzweige und so schickte man am Morgen des
02.November 1743, einem Sonntag, als die katholischen Griesheimer alle in
der Kirche waren, Ein Kommando Soldaten unter ihrem Offizier und einen Trupp
Frankfurter Arbeiter, die nun die Ernte auf dem Weidenwörtchen einbrachten.
Erst als die Griesheimer Miliz und wütende Bauern anrückten, zog man sich,
mit reicher Beute, hinter die Grenze zurück. In den folgenden Jahren
kamen nun immer wieder Soldaten zum Weiden-Plündern. Schon 1744 kamen die
Hannoveraner, dann später die Österreicher und bald kamen immer wieder die
Franzosen, so dass das Inselchen immer unrentabler wurde und sich wohl
niemand mehr die Mühe machte, den Wassergraben freizuhalten, so dass die
Insel mit dem Festland verwuchs. Und zwar langsam, noch auf der
Umgebungskarte Ravensteins von 1853 kann man einen Rest dieser Sandinseln erkennen - und zwar nun ganz klar auf Frankfurter Gebiet!
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