Alexander Ruhe:  1907 - Spielautomaten erobern die Kneipen Frankfurts. Juni 2022

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

"Etwas Neues", "Noch nie dagewesen", "10 mal höhere Gewinne als bei Schießbuden", konnte man in einer Werbeanzeige für den Spielautomaten Imperator lesen, wohl das erste Gerät seiner Art in Deutschland. 10x höhere Gewinne - dieses Werbeversprechen hatte viele Frankfurter Wirte überzeugt und 1907 hingen schon in vielen Wirtschafte solche Geräte; mit "Kleeblatt", "Jupiter" und "Komet" waren im Nu weitere solche Apperate auf den Markt gekommen, so dass der Wirt sogar eine Auswahl hatte. Die Gäste der Wirtschaften konnten 5 oder 10 Pfennig-Stücke (nach heutiger Kaufkraft 1 bzw. 2 Euro) in diese Geräte schnicken, dann tanzte die Münze über mehrere Metallstäbe und fiel dann in ein Loch um dort dann entweder endgültig zu verschwinden oder um unten wieder herauszufallen, gemeinsam mit einer Wertmarke, die man gleich wieder einwerfen oder beim Wirt gegen Zigarren oder Bier eintauschen konnte - der Wirt verdiente also doppelt.

Im April 1907 schritt die Frankfurter Polizei dann gegen diese Apperate ein und beschlagnahmte hunderte davon. Das heißt, sie beschlagnahmte sie nicht, sondern sie verschloss sie mit einem Polizeisiegel, bis eine endgültige Entscheidung getroffen sei, ob diese Kästen Geschicklichkeits- oder Glücksspielautomaten seien - Geschicklichkeit war erlaubt, Glücksspiel verboten. Mit dieser endgültigen Entscheidung ließ das Reichsgericht in Leipzig aber auf sich warten und so strömten immer mehr Spielautomaten nach Frankfurt. Die Polizei verhängte zwar Strafen von je drei Mark gegen die Wirte, die hatte so ein Gerät aber schnell wieder eingespielt, das war keine wirkliche Abschreckung.

Nachdem das Reichsgericht dann im März 1908 den Automaten Imperator als Glücksspielgerät eingestuft hatte, beschlagnahmte die Frankfurter Polizei das ganze Jahr 1908 hindurch Spielautomaten, ohne das diese wirklich weniger geworden wären. Im März 1909 kamen zwei Automatenbesitzer aus Berlin nach Frankfurt. In Berlin hatten sie eine regelrechte Spielhalle betrieben (vielleicht die von der Karikatur unten?), die ihnen aber von der Polizei geschlossen worden war. Jetzt mieteten sie in der Kaiserstraße ein Ladenlokal und hängten dort 20 Spielautomaten auf und erlebten einen Massenzulauf. Vor allem Jugendliche und "Minderbemittelte" strömten in diese erste Spielhalle Frankfurts und versenkten dort ihre Groschen. Schon nach drei Tagen schloss  die Polizei dieses Etablissement, aber die beiden Betreiber hatten wohl auch nicht mit einem ewigen Betrieb ihrer Einrichtung gerechnet und den Laden vorsorglich auch nur für zwei Wochen angemietet.

Die Gerichte griffen jetzt härter durch, beschlagnahmten die Geräte und schickte dutzende von Wirten für jeweils mehrere Tage ins Gefängnis. Das scheint etwas mehr Wirkung gezeigt zu haben, denn im Jahr 1910 verschwindet das Thema "Glücksspielautomaten" wieder aus den Zeitungen. Der erste Ansturm eines legalen Glücksspiels schein also erst einmal gebremst worden zu sein. 

 

Auch der große Heinrich Zille hat sich 1908 in der Karikatur oben der Glücksspielautomaten angenommen, weshalb ich -ausnahmsweise- ein nichtfrankfurter Bild in meinen Artikel aufnehme.

Hörbuch vom gleichen Autor

 

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