Alexander Ruhe: 1927 - "Illusion zu Dritt" - Der erste Frankfurter Spielfilm. Dezember 2023

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

Es hatte in den 1920ern schon einige Anläufe gegeben, in Frankfurt einen Spielfilm für das Kino zu drehen, aber alle Versuche waren bislang gescheitert. Jetzt, 1927, wurde das dann ganz anders aufgezogen. Frank Arnau, bekannter Enthüllungsjournalist, erfolgreicher Krimiautor und, nicht zuletzt, Werbechef der Autosparte der Frankfurter Adlerwerke, damals der größte Autoproduzent Deutschlands, hatte eine eigene Produktionsfirma gegründet und zusammen mit seiner Frau, der bekannten Schauspielerin Ruth Rickelt, das Werbegesicht der Adler-Autos, drehte er einen Film, in dem auch ganz markant ein Adler-Auto eine Rolle spielt; es ist also anzunehmen, dass man in den Adlerwerken einen Werbepartner gefunden hatte und damit finanziell für den Dreh auf sicherem Boden stand.

In "Illusion zu Dritt", einem ca. einstündigen Stummfilm für den Arnau auch das Drehbuch geschrieben hatte, ging es um eine frischverheiratete junge Frau, Imogene, die schon bald nach der Hochzeit mit einem anderen Mann anbandelt (selbstverständlich in einem Adler-Auto), sich von ihrem Ehemann scheiden läßt und den Anderen heiratet. Auf der Hochzeitsreise trifft Imogene im Zug ihren ersten Mann wieder, der sich - auch wiederverheiratet - auch auf seiner Hochzeitsreise befindet. Noch im Zug betrügen die Beiden ihre frischangetrauten Ehepartner miteinander. Hämisch führt nun Mann Nummer 1 Mann Nummer 2 vor und während die Beiden Männer miteinander beschäftigt sind, bandelt Imogene noch im Zug mit einem Mann Nummer 3 an, indem sie ihm, wie zufällig, ihren Ehering vor die Füsse rollen läßt, eine Einstellung, die man auch schon zu Beginn des Films zwischen Imogene und Mann Nummer 2 sehen konnte.

Das Setting klingt für uns heute, fast hundert Jahre später, vertraut und irgendwie so hat man das auch im Kino und im Fernsehn oder auf dem Komödienstadl mehrfach gesehen. Damals aber wirkte eine derart frivole Frauendarstellung skandalös. Viele Zeitschriften hatten schon wohlwollend über den Film und seine baldige Aufführung berichtet, aber da war die Deutsche Filmprüfstelle vor!

1918, nach Abdankung des Kaisers war in Deutschland die Zensur abgeschafft worden. Zum ersten Mal sein Jahrhunderten durften die Deutschen denken, sagen, schreiben und auch filmen, was sie wollten und die Pornografie erblühte. Die erste nackte Frau stand auf einer Frankfurter Theaterbühne, nur mit einem Muff bekleidet und Aufklärungsfilme überschwemmten die Kinos.

Schon 1920 war damit aber wieder Schluß und über den Umweg der Filmprüfstelle (die es bis heute gibt), war die Zensur in Deutschland wieder präsent.

Die Werbekampagne für den Film lief schon, aber die Filmprüfstelle verbot den Film kurzerhand. Eine derartige Darstellung untergrabe das Wesen der Ehe, verleite zu Leichtfertigkeit und Treulosigkeit und sei damit geeignet, "entsittlichend" zu wirken - Abgelehnt! Tatsächlich ist der Film nicht in die Kinos gekommen und die Ehe von Millionen von Deutschen war gerettet. Frankfurts Kinopublikum musste auf seinen ersten Spielfilm also noch warten.

Als 1930 der Hollywood-Film "Im Westen nichts Neues" ein Antikriegsfilm nach dem Roman von Remarque in die deutschen Kinos kommen sollte, verhinderter dies die Filmprüfstelle ebenfalls, so dass extra ein eigenes Gesetz geschaffen werden musste, damit wenigsten sittlich gefestigte Menschen sich diesen Film anschauen dürften.

Arnau stieg um auf das Genre des Kriminalfilms und war damit erfolgreicher. 1932 enthüllte er exorbitant hohe Hotel- und Restaurantrechnungen Hitlers und zog sich damit dessen persönliche Feindschaft zu. die Nazis überzogen ihn mit einer Schmutzkampagne, er aber drehte den Spieß um und führte - anonym - eine Schmutzkampagne gegen sich selbst und verklagte dann die Zeitungen, die arglos, die von ihm selbst erfundenen Behauptungen abgedruckt hatten. Danach traute sich an ihn niemand mehr heran -bis zum Januar 1933. Ruth und er flohen ins Ausland und er schob noch einen Roman nach, "die braune Pest", woraufhin er dann, zusammen mit Albert Einstein, Tony Sender und Edward Stilgebauer aus der deutschen Staatsbürgerschaft entlassen wurde.

 

 

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