Als im Dezember 1930 die
Hollywood-Verfilmung des Remarque – Romans „Im Westen nichts Neues“ in
deutscher Synchronisation in Berlin ihre deutsche Uraufführung erlebte, sorgten
die Nazis durch Stinkbomben und das Freisetzen weißer Mäuse in den Kinos und
Aufmärschen ihrer SA-Leute vor den Kinos dafür, dass schon eine Woche später
der Film in Deutschland verboten wurde. Erst durch ein eigens für diesen Film
geschaffenes neues Filmgesetz (Lex Remarque) gelang es den Film wieder in
deutsche Kinos zu bringen, aber dann auch nur für geschlossene Gesellschaften
und auch nicht für Jugendliche. Der Deutsche Gewerkschaftsbund brachte vom 10.
bis zum 16. Juli 1931 den Film dann auch in Frankfurt zur Vorführung, im Capitol
an der Hauptwache und im Roxy – Palast in der Großen Friedbergerstraße
26-28. Das Roxy war ein Großraum-Kino, das 1105 Besuchern Platz bot.
Die erste Vorstellung im Roxy am 10. Juli
war ausverkauft, die demokratischen Verbände in Frankfurt hatten ordentlich die
Werbetrommel gerührt (was die Frankfurter Post, zum Hugenberg-Konzern
gehörig, dazu brachte den Polizeipräsidenten Frankfurts aufzufordern dies doch
zu verbieten).
Als diese über tausend Besucher abends dann ins Kino strömten standen dort auch jugendliche SA-Leute, die die Kinogäste anpöbelten. Allein beim Pöbeln beließen sie es aber nicht, mitten während der Vorstellung warf der Küchenleiter des SA-Heims (Hohenstaufenstraße), der 26 Jahre alte Ernst Schuhmann, mit Sprengstoff gefüllte Bleirohre durch das Fenster der Damentoilette, wo diese auch explodierten und einen ordentlichen Schaden anrichteten.
Zu Schaden war allerdings niemand gekommen und die meisten Zuschauer hatten von diesem Bombenanschlag auch gar nichts mitbekommen; und als dann am nächsten Morgen noch nicht einmal die Zeitungen von diesem Anschlag berichteten, waren die Terroristen wohl recht enttäuscht und entschlossen sich, ein zweites mal zuzuschlagen.
Der SA-Führer und arbeitslose Architekt
Walter Hoffmann bestellte den Bombenwerfer Schuhmann nochmals zu sich.
(Hoffmann war ein Sohn des Offenbacher Laternenfabrikanten Ludwig
Hoffmann. In der Nazipresse wird er 1934 mit dem „Ehrennamen“ „Bomben-Hoffmann“
betitelt.). Hoffmann gab Schuhmann nun eine Handgranate, die dieser am
Abend des 11.Juli, über die Dächer der Nachbarhäuser kletternd, ins Kino warf.
Wieder gab es keine Verletzten, aber
diesmal war die Medienaufmerksamkeit groß und der Film wurde in der Folge nur
noch schwach besucht, so dass er vor der Zeit wieder abgesetzt wurde. Die
Terroristen blieben unentdeckt, zumindest vorerst. Im April 1932 gab es
innerhalb der SA Reibereien um Unregelmäßigkeiten bei der Essensverteilung und
Schuhmann musste um sein Leben fürchten. Er suchte jetzt den Schutz der
Frankfurter Polizei, wo er dem Kommissar der politischen Polizei Dr. Karl
Schäfer alles gestand (Schäfer, ehemaliger Freikorpskämpfer, war von
1933-45 Gestapo-Beamter, stand vor 1933 aber noch loyal zum
sozialdemokratischen Polizeipräsidenten Ludwig Steinberg).
Im Oktober 1932 kamen Schuhmacher und
Hoffmann in Frankfurt vor Gericht, wurden dort aber nur zu relativ geringen
Strafen verurteilt, die sie im Januar 1933 antreten sollten. Hoffmann entzog
sich der Haft, indem er unter falschem Namen im Taunus untertauchte.
Schuhmacher rückte ein und saß (immerhin) sechs Monate in der Festung
Ziegenhain ab, bevor er durch eine Amnestie frei kam. Viel Freude an der
neugewonnenen Freiheit dürfte er aber nicht mehr gehabt haben, denn aus Rache
über den Verrat an seinen „Kameraden“, brachten diese ihn um und er wurde
namenlos im Taunus verscharrt (was man 1934 als lustige Anekdote aus der
„Kampfzeit“ in der Zeitung lesen konnte.) Walter Hoffmann jedoch wurde belohnt;
kurz nach dem Anschlag mit einer SA-internen Beförderung und im März 1933 mit
einem Stadtverordnetenposten im Frankfurter Römer.