Alexander Ruhe: 1931 Im Westen nichts Neues.– Bomben auf’s Roxy. Februar 2011.

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

 

Als im Dezember 1930 die Hollywood-Verfilmung des Remarque – Romans „Im Westen nichts Neues“ in deutscher Synchronisation in Berlin ihre deutsche Uraufführung erlebte, sorgten die Nazis durch Stinkbomben und das Freisetzen weißer Mäuse in den Kinos und Aufmärschen ihrer SA-Leute vor den Kinos dafür, dass schon eine Woche später der Film in Deutschland verboten wurde. Erst durch ein eigens für diesen Film geschaffenes neues Filmgesetz (Lex Remarque) gelang es den Film wieder in deutsche Kinos zu bringen, aber dann auch nur für geschlossene Gesellschaften und auch nicht für Jugendliche. Der Deutsche Gewerkschaftsbund brachte vom 10. bis zum 16. Juli 1931 den Film dann auch in Frankfurt zur Vorführung, im Capitol an der Hauptwache und im Roxy – Palast in der Großen Friedbergerstraße 26-28. Das Roxy war ein Großraum-Kino, das 1105 Besuchern Platz bot.

Die erste Vorstellung im Roxy am 10. Juli war ausverkauft, die demokratischen Verbände in Frankfurt hatten ordentlich die Werbetrommel gerührt (was die Frankfurter Post, zum Hugenberg-Konzern gehörig, dazu brachte den Polizeipräsidenten Frankfurts aufzufordern dies doch zu verbieten).

Als diese über tausend Besucher abends dann ins Kino strömten standen dort auch jugendliche SA-Leute, die die Kinogäste anpöbelten. Allein beim Pöbeln beließen sie es aber nicht, mitten während der Vorstellung warf der Küchenleiter des SA-Heims (Hohenstaufenstraße), der 26 Jahre alte Ernst Schuhmann, mit Sprengstoff gefüllte Bleirohre durch das Fenster der Damentoilette, wo diese auch explodierten und einen ordentlichen Schaden anrichteten.

Zu Schaden war allerdings niemand gekommen und die meisten Zuschauer hatten von diesem Bombenanschlag auch gar nichts mitbekommen; und als dann am nächsten Morgen noch nicht einmal die Zeitungen von diesem Anschlag berichteten, waren die Terroristen wohl recht enttäuscht und entschlossen sich, ein zweites mal zuzuschlagen.

Der SA-Führer und arbeitslose Architekt Walter Hoffmann bestellte den Bombenwerfer Schuhmann nochmals zu sich. (Hoffmann war ein  Sohn des Offenbacher Laternenfabrikanten Ludwig Hoffmann. In der Nazipresse wird er 1934 mit dem „Ehrennamen“ „Bomben-Hoffmann“ betitelt.). Hoffmann gab Schuhmann nun eine Handgranate, die dieser am Abend des 11.Juli, über die Dächer der Nachbarhäuser kletternd, ins Kino warf.

Wieder gab es keine Verletzten, aber diesmal war die Medienaufmerksamkeit groß und der Film wurde in der Folge nur noch schwach besucht, so dass er vor der Zeit wieder abgesetzt wurde. Die Terroristen blieben unentdeckt, zumindest vorerst. Im April 1932 gab es innerhalb der SA Reibereien um Unregelmäßigkeiten bei der Essensverteilung und Schuhmann musste um sein Leben fürchten. Er suchte jetzt den Schutz der Frankfurter Polizei, wo er dem Kommissar der politischen Polizei Dr. Karl Schäfer alles gestand (Schäfer, ehemaliger Freikorpskämpfer, war von 1933-45 Gestapo-Beamter, stand vor 1933 aber noch loyal zum sozialdemokratischen Polizeipräsidenten Ludwig Steinberg).

Im Oktober 1932 kamen Schuhmacher und Hoffmann in Frankfurt vor Gericht, wurden dort aber nur zu relativ geringen Strafen verurteilt, die sie im Januar 1933 antreten sollten. Hoffmann entzog sich der Haft, indem er unter falschem Namen im Taunus untertauchte. Schuhmacher rückte ein und saß (immerhin) sechs Monate in der Festung Ziegenhain ab, bevor er durch eine Amnestie frei kam. Viel Freude an der neugewonnenen Freiheit dürfte er aber nicht mehr gehabt haben, denn aus Rache über den Verrat an seinen „Kameraden“, brachten diese ihn um und er wurde namenlos im Taunus verscharrt (was man 1934 als lustige Anekdote aus der „Kampfzeit“ in der Zeitung lesen konnte.) Walter Hoffmann jedoch wurde belohnt; kurz nach dem Anschlag mit einer SA-internen Beförderung und im März 1933 mit einem Stadtverordnetenposten im Frankfurter Römer.

 

                                                                                                                                                                                                               

 

 

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