Ein
Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie
Jahrhunderte lang war Frankfurt ein Paradies der Kutscher.
Für größere Überlandstrecken nahm man die Postkutsche für den regionalen
Verkehr aber die Droschke. Bis in die 1830er Jahre waren zwar noch Portechaisen
- Tragestühle in Gebrauch und Kutschen konnten man nur tageweise, aber nicht
für einzelne Fahrten mieten, aber trotzdem, Goldene Zeiten für das
Kutscherhandwerk, die erstmals 1839, mit der Einführung des Eisenbahnverkehrs
einen leichten Einbruch erlebten, aber durch die Bahn kamen auch viele
Touristen nach Frankfurt, die ja in der Stadt auch mit der Droschke fuhren (
die es seit dem 25.Dezember 1839 erstmals gab, die Main-Weser Bahn hatte
auch 1839 eine erste, pferdebespannte, Omnibus-Linie zwischen der Altstadt und
ihrem Bahnhof eingerichtet), es war also weiterhin alles gut.
Selbst als 1878 die Pferdestraßenbahn eingeführt wurde, wurden da
immer noch Kutscher gebraucht und die waren ja sogar Beamte, immer noch war
alles gut. Aber dann: ab 1884 fuhr die elektrische Straßenbahn zwischen
Sachsenhausen und Offenbach. Das war schon nicht mehr so lustig für
Droschkenkutscher, war die Straßenbahn ja viel schneller als eine Droschke,
aber komfortabler waren immer noch ihre Droschken und – welcher Frankfurter
fuhr schon nach Offenbach, jedenfalls nicht die, auf die es den Kutschern ankam
und die anderen waren vorher eh zu Fuß gegangen. Die Zeiten waren also
zumindest noch ziemlich gut für Droschkenkutscher in Frankfurt.
Mit dem Hamburg-Frankfurter Opernsänger Theodor Wachtel (in seiner Jugend selber Droschkenkutscher), der in seiner Paraderolle mehr als tausendmal einen Droschkenkutscher sang, wurde der Klang einer Kutscherpeitsche als „Wachtelschlag“ zu einem richtiggehenden Kulturgut und die Frankfurter Presse fachsimpelte über die verschiedenen lokal in Europa gebräuchlichen Peitschenformen und deren Klang und Frankfurts Kutscher führten auf den Straßen - trotz umgehenden Polizeiverbotes - richtiggehende Peitschenknall-Konzerte auf. Der Philosoph Schopenhauer, dem durch das Peitschenknallen in der Stadt so mancher Gedanke verloren ging, forderte gar Prügelstrafen für die knallenden Droschkenkutscher. Posthum wurde ihm in einem Zeitungsartikel die Forderung in den Mund gelegt, die Peitschenknaller mit je 24 Peitschenhieben zu bestrafen.
Theodor Wachtel als Chapelou
Erste Wolken am klaren Himmel des Kutscherwesens
tauchten zu Weihnachten 1892 in Frankfurt auf, am 23.Dezember 1892 nämlich,
wurde einer Sachverständigenkommission das erste Auto in Frankfurt, ein Benz-Automobil
vorgestellt, das vor dieser auf dem Schaumainkai vor dem Städel auf und ab fuhr
und von dieser Kommission für den Straßenverkehr zugelassen wurde.
Damit war jetzt eine wirkliche Konkurrenz zur
Droschke entstanden. Allerdings waren die frühen Autos noch sehr teuer,
anfällig, laut und sie ölten und stanken und waren damit erst mal ein Spielzeug
für wenige Reiche, das – zudem – laut Polizeiverordnung, bei Strafandrohung von
60 Mark oder 14 Tagen Gefängnis, auch nicht schneller „als ein mäßig trabendes
Pferd“ sein durfte.
Schlimmer wurde es am 14.April 1895, von diesem Tage an fuhren die ersten 36 Taxameterdroschken in Frankfurt; oder besser: sollten fahren, den jetzt rückten die Frankfurter Droschkenkutscher zusammen, sie gründeten einen Droschkenkutscher-Verein, streikten teilweise und forderten eine Lohnerhöhung, denn durch das Taxameter befürchteten sie Einbußen von 20 %. Durch diese Aktionen und vor allem durch den passiven Widerstand der Kutscher wurde die flächendeckende Einführung des Taxameter mehr und mehr verschleppt, 1914 waren nur knapp 3 Prozent aller Pferdedroschken mit einem Taxameter ausgestattet (und das obwohl das Taxameter 1911 „obligatorisch“ geworden war). Mit diesem Streik betrat man übrigens kein Neuland, schon 1734 hatten die Tragestuhl-Träger sich zusammengeschlossen und gestreikt.
Außerdem musste jede Droschke zweimal im Jahr zu einer Art Droschken-TÜV, der immer im Mai am Palmengarten und im Oktober am Zoo stattfand.
Nachdem sich schon 1872 die Droschkenfahrer aus Mainz, Wiesbaden und Frankfurt verständigt hatten, sich nicht gegenseitig als Streikbrecher heranziehen zu lassen, hatten sich 1877 auch die Frankfurter Droschkenbesitzer erstmals zusammengeschlossen. Es galt das Frankfurter Standplatzgeld abzuschaffen. 1839 hatte die Stadt Frankfurt die Droschkenlizenzen als Monopol an nur einen Konzessionär vergeben (Herrn Keßler), dieses Monopol hatte man für 25.000 Gulden (Fl.) 1848 abgelöst, eine Summe, die die Droschkenbesitzer mit 25 Fl. pro Jahr abzahlen mussten, dazu kam noch ein Standgeld von 10 Fl. - um dieses ging es nun. Der Großteil der Frankfurt Droschkenbesitzer trat dem Frankfurter Droschkenverband bei, der jahrelang hartnäckig um die Abschaffung dieses Standgeldes kämpfte. nachdem man 1882 dann nur eine Senkung dieses Geldes von 17,14 Mark auf 10 M. erreicht hatte, löste dieser Verband sich wieder auf.
Im September 1901 aber wurde es richtig ernst: Der
Bielefelder Ingenieur Tebbe hatte eine Lizenz für den Betrieb einer Kraftdroschke,
eines motorbetriebenen Taxis beantragt. Tebbe forderte allerdings, dass seine
Autos genauso schnell fahren dürfen müssten, wie die elektrischen
Straßenbahnen, die mittlerweile die Pferdebahn abgelöst hatten. Aber
Forderungen an die Frankfurter Polizei zu stellen, das ging natürlich nicht und
so antwortete der Frankfurter Polizeipräsident Müffling Tebbe persönlich, dass
„ein Bedürfnis zur Inbetriebsetzung von Automobildroschken in hiesiger Stadt
nicht vorliegt.“
Aber der Fortschritt war wohl auch von der Polizei nicht aufzuhalten (zudem hatte die Stadt einen neuen Polizeipräsidenten, man munkelte, der Autofreund Prinz Heinrich habe auf seinen Bruder, den Kaiser, eingewirkt, Müffling austauschen zu lassen) und als 1905 die Frankfurter Adlerwerke eine Lizenz für ihre Autos beantragten, erhielten sie sie auch. Mit dem vereinbarten Tarif, 50 Pfennige für die ersten 600 Meter, 10 Pf. für jede weiteren 300 Meter kamen die Adlerwerke allerdings nicht klar und so wurde schon in den ersten Monaten mehrfach nachgekartet.
Die allererste Kraftdroschke, die durch Frankfurts Straßen fuhr, war allerdings ein Elektroauto der Betriebs AG für Motorenfahrzeuge in Köln, das anlässlich des internationalen Autorennens in Frankfurt ab September 1903 zeitweilig hier fahren durfte. Ihre rasanten 22 km/h Höchstgeschindigkeit mussten allerdings auf 15 km/h runtergedimmt werden.
Aber auch mit Werbung ließ sich schon damals Geld verdienen. Reichstagswahlkampf 1906 in Frankfurt "wählt Rudolf Oeser"
1906 fuhren durch Frankfurt auch Dürkopp-Motordroschken, die Konkurrenz hat also nicht geschlafen. Adler hat sein Monopol anscheinend nicht aufrecht erhalten können.
Anzeige von 1906
Der erste tödliche Unfall, in den eine Frankfurter Motordroschke verwickelt war, hat sich 1906 ereignet -zumindest der erste auf den ich bei meinen Recherchen bislang gestoßen bin. Am 27.Juni überfuhr das Taxi bei Heddernheim einen Neunjährigen. Die amerikanischen Touristen, die im Auto gesessen hatten, wurden von einem berittenen Polizisten zur Vernehmung begleitet - die Frankfurter Polizei war halt noch nicht motorisiert.
Als im Oktober 1908 Heinrich Scheele aus Köln eine Lizenz für den Betrieb für Elekrotaxis
beantragte, lehnte das Tiefbauamt erst einmal ab, aber die
ILA, die
Internationale Luftschifffahrtausstellung stand an und um der illusteren
Besucherschaft etwas Besonderes bieten zu können, fuhren die ruhigen und
nicht-stinkenden Elektromobile (mit einer Reichweite von 100 Kilometern) von da
an in Frankfurt (während des ersten Weltkrieges kaufte die Stadt sogar drei 5
Tonner-Elektro-Lastwagen).
Der Frankfurter Taxifahrer Leo Göltz in seinem Adler-Auto
Anders hatte man 1907 reagiert, als die Einrichtung
erster Buslinien in Frankfurt beantragt wurde, vom Rossmarkt zum
Forsthaus und von Rossmarkt nach Höchst sollten Linien gehen. Das städtische
Amt für Elektrizität und Bahnen riet aber dringend ab; Staub, Gestank und
“Beunruhigungen der Passanten“ gälte es zu vermeiden, außerdem müsse der
Promenadencharakter der Forsthausstraße (heute Kennedyallee) gewahrt werde und wenn es einmal eine
Buslinie nach Höchst gäbe, dann solle sie von der Stadt eingerichtet werden –
abgelehnt.
Aber die Kette der Anträge auf Einrichtung von
Buslinien riss nicht ab, immer wieder wurden welche gestellt und alle wurden
abgelehnt. Als sehr hartnäckig erwiesen sich die Benz-Werke in Gaggenau, die
über ihren lokalen Vertriebspartner von 1909 bis 1914 kontinuierlich bohrten,
aber alle Vorschläge wurden abgelehnt.
Die von den Adler-Werken unabhängigen
Automobildroschken-Fahrer hatten sich zu einem Verein zusammengeschlossen und
im Sommer 1910 eine Telefonzentrale, ein "Motordroschken-Bestellbüro"
eröffnet, über die man ihre Fahrer bestellen konnte. Im September 1911 wurden in Frankfurt, erstmals
in Deutschland, feste, mit Telefonanlagen ausgestattete Warteplätze für
Motortaxen eingerichtet , womit es in der Stadt eine erste Taxi-Zentrale
für alle Automobil-Taxis
gab (in der Münzgasse)
Den Plan, Telefonsäulen an den Droschkenwarteplätzen aufzustellen, hatte das Frankfurter Polizei-Präsidium schon im Januar 1897. Damals scheiterte das Ganze aber am Widerstand des Droschkenbesitzer-Vereins (und des "Vereins Frankfurter Droschkenbesitzer", den es mittlerweile auch gab), deren 200 Mitglieder sich einhellig dagegen aussprachen - sie sollten die Säulen nämlich bezahlen, mit 4,50 Mark pro Droschke. Eigentlich gar nicht so teuer und einen Telefon-Aufschlag hätten sie auch nehmen können, aber man fürchtete, dann auch für die Polizei zu gut erreichbar und kontrollierbar zu sein.
Ein Problem, an dem Frankfurts Pferdedroschker über dreißig Jahre nach Einführung der Straßenbahnen und auch noch fünf Jahre nach Einführung der komfortablen, luftreifengepolsterten Automobildroschken versäumt hatten zu arbeiten: die Ansprüche der Fahrgäste hatten sich geändert und die Pferdedroschken galten als unmodern und - schlimmer - als unbequem. Oft zogen auch nur ausgemergelte, heruntergekommene Pferde die Droschken, mit der Pferdedroschke zu fahren bedeutete also keinen Prestigegewinn mehr. Dabei waren die Droschken bei ihrer Einführung in Frankfurt eingeschlagen wie eine Bombe; waren zuvor alle Frankfurter, außer einigen Superreichen, zu Fuß unterwegs gewesen, fuhr man - wenn man sich das auch nur irgendwie leisten konnte - von Anfang der 1840er an mit Droschke durch Frankfurt, um sich eben von denen abzuheben, die sich solch eine Kutschfahrt nicht leisten konnten.
Einen harten Einschnitt für das Pferde-Droschken-Gewerbe, das 1914 den Frankfurter Markt noch immer dominierte, bedeutete der Ausbruch des Krieges, denn nicht nur die Droschkenkutscher, nein, auch die Pferde wurden zum Militär eingezogen (anders als die meisten Autos), für die nach dem Krieg zurückkehrenden Kutscher bedeutete dies eine einschneidende Notlage und den Anfang vom Ende. Wer es sich leisten konnte, versuchte seine Droschken-Lizenz in eine Taxi-Lizenz einzutauschen. Dieser Schritt bedeutete dann aber auch einen Schritt aus der Selbstständigkeit in die abhängige Beschäftigung, denn freie Lizenzen erteilte die Stadt nach dem Kriege erst einmal nicht mehr, sie wollte den Kraftdroschkenbetrieb mehr und mehr auf sich ziehen und kaufte deshalb 1919 85 Prozent der Frankfurter Autodroschken Gesellschaft, konnte sich damit aber auf Dauer nicht durchsetzen.
Als 1924 klar war, dass man das Taxi-Gewerbe nicht
komplett kommunalisieren könnte, trat man dem Gedanken, städtischer Buslinien
jetzt doch näher (der Unterschied der Personenzahl, die man mit einem Taxi oder
einem Bus befördern konnte, lag wesentlich näher beieinander als heute, die
damaligen Busse fassten maximal 18 Personen), es dauerte allerdings noch bis
zum Oktober 1925 das die erste Buslinie Frankfurts eingeweiht wurde
Frankfurter Omnibus Anfang 1926
Johann Heinrich Hugelschaffner 1925 Frankfurts ältester Droschkenkutscher. Stand seit 1863 im Beruf.
Gestorben 1927, im Alter von 78 Jahren.
Kaum noch pferdegezogene Droschken fuhren durch die Stadt, als man in Frankfurts Zeitungen auch diesen wenigen ihr baldiges Ende ankündigte. Im September 1927 traten in Frankfurt 60 neue Klein-Taxis, mit verbilligtem Tarif ihren Dienst an und machten mit ihrem billigeren Preis den einzigen Vorteil wett, den die Pferdedroschken noch hatten. Am 24. April 1930 fuhr die letzte Pferdedroschke durch Frankfurt. Später zog sie dann ins Historische Museum um, aus dieser Zeit stammt sicherlich auch die hakenkreuzgeschmückte Ansichtskarte unten, die Droschkenkutscher "Lampenfett" Heinrich Wenzel und sein Lieschen zeigt.
1949 sind dann wieder pferdegezogene Droschken durch Frankfurt gefahren, auf dem Bild unten stehen sie vor dem Hauptbahnhof. Allerdings waren diese mit einem Tarif von 10 DM pro Fahrt wohl nur für amerikanische GIs erschwinglich.
|
Pferdedroschken |
Kraftdroschken |
1840 |
25-30 |
0 |
1855 |
100-110 |
0 |
1858 | 150 | 0 |
1863 |
Mehr als
200 |
0 |
1879 |
Mehr als
310 |
0 |
1900 |
415 |
0 |
1903 |
? |
1 |
1911 |
320 |
? |
Jan.1913 | 275 | ? |
1914 |
240 |
114 |
1925,
Feb. |
100 |
160 |
1927 |
46 |
190+60 |
1930 |
1 |
? |
1932 | 0 | 292 |
1935, Sept. | 0 | 284 |
1935, Okt. | 0 | 174 |
Frankfurter Taxiverkehr beim Eisenbahnerstreik vom Februar 1922