Alexander Ruhe: Robert Blum und die schwarze Fahne. 09.November 2011

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

 

Am 09.November 1848 war der republikanische Abgeordnete des Paulskirchen-Parlaments Robert Blum in Wien zum Märtyrer der demokratischen Bewegung geworden, wo sein Grab lag, war weithin unbekannt. In den folgenden Jahren gedachte man seiner in Frankfurt – wenn dies von der Obrigkeit erlaubt war – mit würdigen  Gedenkveranstaltungen, so zum Beispiel das Montagskränzchen 1849. Aber meist gestattete die Obrigkeit solche Gedenkveranstaltungen nicht und so schritt die Arbeiterjugend zur Tat. Regelmäßig wurden jetzt schwarze Fahnen zu Blums Todestag in die Bäume gehängt.

Angefangen damit hatte man schon 1849 mit einer einfachen schwarzen Fahne. Aber 1850, da war das ja noch neu, da musste man noch ein bisschen üben, hatte man die schwarze Fahne mit einem kunstvollen doppelköpfigen weißen Drachen bemalt, der vom Drachentöter Blum mit der Lanze durchbohrt wurde, außerdem mit dem weißen Schriftzug:

„O Blum, du theurer Held, ersteh, ersteh bald wieder, und tritt die Drachenbrut im Vaterlande nieder. Doch du, der an dies Mal die Hand du legst verrucht, wie Robert’s Mörder sei vom Volk und Gott verflucht!“.

Das war alles sehr schön, nur leider konnte man die filigranen Beschriftungen nur lesen, wenn die Fahne im Wind flatterte und man außerdem ein Fernglas dabei hatte. Für alle anderen erschien sie einfach als eine schwarz-weiße – preußische – Fahne. Aber zumindest mit dem Fluch des Volkes hatte man es genau genommen. Als ein Sachsenhäuser, dem man einen Gulden dafür versprochen hatte (der Tagelohn eines Handwerkergesellen) auf der Brückeninsel auf den Nussbaum kletterte, um die Fahne herunter zu holen, stand eine wütend schimpfende Volksmenge auf der Brücke und schaute ihm dabei zu. Der Fahnenholer hielt es nun für besser sein Tun bleiben zu lassen und wieder herunter zu kommen. Den Gulden hat er nun nicht bekommen, verprügelt worden ist er trotzdem. Ein anderer Sachsenhäuser hat die Fahne dann für zwei Gulden heruntergeholt, auch der wurde verprügelt, allerdings doppelt.

 

1853 hatte man schon dazugelernt, auf der Bornheimer Heide, in der Nähe des Ortes, an dem am 18.September 1848 der Fürst von Lichnowsky erschossen worden war, (heute Merianstraße) hing am 09.November eine riesige schwarze Fahne, auf der in blutroter Farbe ein schräg liegende Kreuz und der Schriftzug "Robert Blum" zu sehen war. Wieder ließ die Polizei die Fahne herunterholen.

 

Zum Todestag Blums im Jahre 1861 hatte man sogar eine Fahne an einem der Bäume des Goetheplatzes befestigt und zwar so dauerhaft, dass die Polizisten sie nicht vom Baum herunter bekamen. Wieder stieg ein mit einem Gulden entlohnter Arbeiter in den Baum. Als dieser später aber erfuhr, was er da eigentlich gemacht hatte, wollte er das Geld nicht mehr haben und stiftete es einer guten Sache - der der armen Schleswig-Holsteiner.

 

Das folgende Gedicht stand 1905 in einer Frankfurter Zeitung – auf hessisch. Da aus dem Hessischen ja bekanntlich das Hochdeutsche entstanden ist, lasse ich es unübersetzt.

 

Zum Andenken an Robert Blum

Von unserem alten Frankfurter Demokraten

 

Am Todestag von Robert Blum

War frieher hier un drum erum

Ae schwarze Fahn’ zu sehe

That kühn erhabe wehe.

 

Bald war se hier, bald war se dort,

Se wechselt’ alle Jahr den Ort,

an dem se war gehisse;

Wer’s dhat, konnt’ Niemand wisse.

 

Gar oft ä hoher Babbelbaam

Zur Fahnenträger Ehre kam

Wo die Fahn`gebunne fest

War in seine höchste Aest.

 

Un Anno 69 war

Der Parrthorm * ausersehen gar,

Die schwarze Fahn’ zu trage

Als letzte Trauerklage.

 

Der ausgebrannte Thorm**, der alt’

Der gab der Fahn’ de letzte Halt

Un ohn`Geläut den Manen

Von Robert Blum ein stilles Ahnen

 

Hoch owe an der Kuppel hing

Die fahn’ fest in’er eisern Schling’,

Doch wer se kühn dhat hisse,

Des konnt`halt Niemand wisse.

 

Un jeder hat die Fahn’ bedracht’,

Die in der Nacht war aagebracht,

Ja selbst die liewe Polizei,

Die kam aus Neugier schnell ebei.

 

Doch bis die Fahn’ war „dislociert“

Verschwunne und dann „konfisziert“,

Da wa e halwe Dag vergange,

Solang ‚die Fahn’  dhat drowe hange.

 

Seitdem da prangt kaa Fahne mehr,

Die Zeite sinn halt anders sehr:

Ganz zahm sinn unsere „Demokrate“,

Gen’ sie „braucht man nicht mehr Soldate“.

 

Die Heid’ge Demokrateblos ***,

Se drauert nur mehr fassungslos,

Wenn se die Hurra Festlichkeide

Net  darf in vollem Wichs begleide.

 

Viel mehr als wie der Robert Blum,

Entzickd heut’ dieses Publikum

Ae große Milidärparade –

O Gott, wo sinn mer hin gerade ...

:      1869 steht im Gedicht, tatsächlich aber hing die Fahne 1868 am Domturm

* Pfarrturm = Turm des Kaiserdoms

** 1867, am Abend vor dem ersten Besuch des preußischen Königs Wilhelm in seiner neuen Stadt Frankfurt niedergebrannt.

*** Demokratenblase, Blase = abschätzig: Anhang, Familie

 

1872 hatte man eine schwarze Fahne zu Blums Todestag an einem der frisch erbauten und noch ohne Fahrbahn im Main stehenden Brückenpfeiler der Untermainbrücke festgemacht und das, obwohl für die Frankfurter Polizei und auch für die Nachtwächter erhöhter Wachdienst befohlen worden war. Nach dieser Aktion erhielt die Polizei aber einen Brief vom Fahnen-Aufhäng-Komitee,  1848, so schrieb man, hätten sich 24 junge Männer zusammengetan, um alljährlich an Blums Todestag zu erinnern, jetzt seien 24 Jahre vergangen, einige Komitee-Mitglieder gestorben, andere fortgezogen, jetzt hätte man die Aufgabe des Erinnerns nach Köln weitergegeben. (Trotz dieser Ankündigung, hing aber auch 1873 eine schwarze Fahne, diesmal am Gallustor ,dort, wo gerade der Taunustorturm entsteht).

 

Aber ganz vergessen wurde das Fahnehissen  auch nach 1872 nicht, nur der Anlass und die Farbe hatten sich geändert. Aus dem 09. November wurde der 18.September , der Tag des Volksaufstandes und der Barrikadenkämpfe 1848 in Frankfurt und aus schwarz wurde rot.

1883 zum Beispiel wurde eine rote Fahne direkt vor dem Verlagshaus des Generalanzeigers am Rossmarkt befestigt. Eine mehrere Meter lange rote Fahne flatterte an einem Telefondraht.  Das mit der Fahne wurde auf Anordnung von Polizeipräsident Hergenhahn in der Frankfurter Presse vertuscht (obwohl hunderte Frankfurter die Fahne gesehen hatten), denn man wollte den Kaiserbesuch einige Tage später nicht  im letzten Moment riskieren, bei dem Hergenhahn dann in den Adelsstand erhoben wurde. 1885 dann, wurde wie Fahne wieder in einen Baum auf der Maininsel gehängt, diesmal zahlte die Polizei dem Sachsenhäuser, der sie runterholte  fünf Mark.

Und wieder änderten die Zeiten sich: In den 1890ern wurde aus dem 18.September der 01.Mai und jetzt war die ganze Stadt voll mit Telefondraht-Masten, die gleich Straßenweise zum Flaggen benutzt wurden.

Hörbuch vom gleichen Autor

 

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