Alexander Ruhe: 1831. der Teufel und der Zensor - Ein verschollener Ramadier entdeckt? Januar 2016

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

 

Von den vielen Zeichnungen und Gemälden des Frankfurter Demokraten und Polit-Malers August Friedrich Ramadier (30.April 1790 - 21.Mai 1834), der Fritz Funck in seiner Zelle in der Frankfurter Hauptwache, der den Hauptwachensturm von 1833, Hausdurchsuchungen der Frankfurter Polizei uvm. in Aquarellen und in Öl verewigte, hat, wie man bislang annahm, nur ein einziges politisches Werk, "das Blutbad von Södel" von 1830, den Lauf der Zeiten überlebt. 2001 kaufte ein Butzbacher Archiv das Bild.

Bei meinen Recherchen in alten Zeitungen, bin ich nun im "Volks- und Anzeigeblatt für Mitteldeutschland", 1831 in Bockenheim erscheinend, auf das unten abgebildete Bild gestoßen. Zeitungen und Bild steckten als Beweismittel in der Kriminalakte des "Fräulein Emma", bei deren Vater 1834, im Zusammenhang mit der Gefangenenbefreiung aus der Konstablerwache, eine Haudurchsuchung durchgeführt worden war

Das "Volks- und Anzeigeblatt für Mitteldeutschland" erschien nur einige Monate lang im Jahre 1831, mitverantwortlicher Redakteur war Ludwig Braunfels (1810 - 1885), später Mitgründer der Frankfurter Zeitung und ähnlich wie diese war auch das Volksblatt ein demokratisches. Zu den Autoren gehörte auch Wilhelm Sauerwein, der Frankfurter Polit-Liedermacher, als solcher mit dem Polit-Maler eng bekannt, wie man in Sauerweins "Colleg-Zeitung" nachlesen kann.

Das Bild, das die Frankfurter Zensur auf die Schippe nimmt, ist nicht signiert, ein Signieren hätte wohl sicheres Einrücken in die Hauptwache, das Gefängnis für die politischen Gefangenen bedeutet. Trotzdem halte ich das Bild, wegen seiner Machart und der Bekanntheit Ramadiers mit den Zeitungsmachern, für einen Ramadier, nun das zweite bekannte politische Werk Ramadiers und das einzige, das ein Frankfurter Thema illustriert.

Das Bild zeigt die Hassia, die den Schlagbaum hebt, die Jahre 1830/31 waren Jahre der Erhebungen in Frankfurt und der Wetterau, gegen Mauten und Zölle gewesen, ein Thema, das auch schon "das Blutbad von Södel" behandelt. Die Hassia verbrennt außerdem mit ihrer Fackel die Karlsbader Beschlüsse von 1819, die auf dem Tisch des Frankfurter Zensors liegen. Der Frankfurter Zensor  (wie man im "Volks- und Anzeigeblatt für Mitteldeutschland" lesen konnte, war die Frankfurter Zensur "die ängstlichste" aller Zensuren) wird dabei vom Teufel unterstützt. Die Zensur der politischen Zeitungen wurde 1831 in Frankfurt von Dr. Johann Friedrich Fiedler (1795-1836) ausgeübt. (Als dieser: „nach einem kurzen Krankenlager und im kräftigsten Mannesalter“ starb, sorgte seine nach freimaurerischem, nicht im christlichen Ritus zelebrierte Beerdigung deutschlandweit für Aufregung. Fiedler war der ältere Bruder von Dr. Nicolaus Fiedler, der, ebenfalls 1831, als freiwilliger Arzt während des polnischen Aufstandes an kriegsverwundeten Polen Experimente mit Cholera-Erregern vornahm und somit wohl ebenfalls im Kontakt mit dem Teufel stand).

 

Im Hintergrund , zwischen Teufel und Zensor, sieht man "den Blitz Gottes" in den Römer, das Frankfurter Rathaus einschlagen, dessen Uhr ohne Zeiger zeigt keine Zeit, wie man im Begleittext lesen kann, "Dunkel und Dünkel ist rings verbreit". Der aufgeblasene Frosch auf dem Tisch stammte aus einem eingesandten, aber nicht veröffentlichten Artikel des Volksblattes, der  lebhafte Leserbriefe auslöste, mit über 20 Mutmaßungen, welcher der Frankfurter Honoratioren wohl mit dem Frosch gemeint sei. Der Krebs steht in Karikaturen für den Rückschritt. Der Turm rechts, ist der Pfarrturm, der Turm des Kaiserdoms.

Nach dem Erscheinen dieser Karikatur war Schluss mit lustig. Der Frankfurter Senat, der schon zuvor die Zeitung aus Frankfurter Wirtschaften hatte entfernen lassen, ließ am 29.Oktober das Vertriebsbüro hinter dem Römer, im Glaesernhof (dort ist jetzt der Parkplatz südlich des Römers) von Polizisten umstellen und schließen. Man verhaftete jeden, der mit dieser Zeitung zu tun hatte und sorgte nun dafür, dass diese in Bockenheim und damit im Ausland erscheinende Zeitung von den in Hessen-Kassel verantwortlichen Behörden verboten wurde. Diese Aktion war in Frankfurt erst durch die Verhängung des Kriegsrechtes, nach dem Sperr-Batzen-Krawall vom 24./25.Oktober (für den die Oberpostamtszeitung das Volksblatt verantwortlich machte), möglich geworden. Ob der Kreis um Freyeisen und Sauerwein tatsächlich etwas mit dem Sperrbatzenkrawall zu tun hatte, ist ungewiss, ganz bestimmt aber mit dem humorvollen Laternenprotest, der am 29.Oktober, dem Tag der Schließung des Redaktionsbüros laternenbewehrte Menschenmassen auf die Straßen brachte, "Anlass zu ausgelassenem Mutwillen und Verhöhnung", wie man in einer österreichischen Zeitung lesen konnte. Der Rat hatte nämlich angeordnet, dass jeder, der bei Dunkelheit ohne eine Laterne angetroffen würde, verhaftet werde. Jetzt zogen tausende von empörten Frankfurtern, eine Laterne in der Hand, über die Zeil und grölten das von Sauerwein gedichtete Laternenlied.

In den Artikeln des Volksblattes, die sich zu ihrem Großteil mit Frankfurt beschäftigen, wird Frankfurt als eben dies - als Frankfurt bezeichnet, in den - zum Teil humoristischen - Glossen aber immer als "Abdera" und die Frankfurter als Abderiten, so auch in dieser Karikatur. In der klassischen Antike hatte man in Griechenland einen Spießbürger aber auch einen Schildbürger als Abderiten bezeichnet.

Der Journalist Eduard Beurmann, der dabei Fiedler namentlich erwähnt in  "Frankfurter Bilder" von 1835: "Wenn die Zensur nicht ein zu inhumanes Ding wäre, ich könnte die Frankfurter Zensur wirklich human nennen." Beurmann ist dann aber auch im Jahr drauf als Agent des Mainzer Informationsbüros nach Paris gegangen, um Heine und Börne auszuspionieren. Und eben jener Ludwig Börne hatte im Oktober 1831 geschrieben: Frankfurt schmeckt wie Kamillentee. nichts frisch, alles getrocknet, alles zerstoßen, nichts frei.

 

Der Zensor

Der Zensor ist ein Ehrenmann,

er säubert uns die Welt.

Wer eines Zensors spotten kann

Ist mir ein schlechter Held !

Wilhelm Sauerwein, Oktober 1831

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