Alexander Ruhe:  1911 - Die Frankfurter Nachrichten und die Strandmode. Februar 2022

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

Seit 2008, als ich angefangen habe Rudolf Jäger, dem Millionendieb in der Rothschildbank nachzuspüren, lese ich mich durch ganze Jahrgänge der Frankfurter Nachrichten. Die Frankfurter Nachrichten waren ein fast 200 Jahre lang bestehendes Lokalblatt hier, das ich keineswegs auswählte, weil es die interessanteste Zeitung gewesen wäre - war es definitiv nicht! - ich wählte die Frankfurter Nachrichten aus, weil ich diese über dutzende von Jahrgängen in Papierform ausgehändigt bekomme. Anscheinend wurden die Frankfurter Nachrichten auf hochwertigerem Papier gedruckt, denn fast alle andere Zeitungen bekomme ich nur in Form von in den 60er Jahren abfotografierten Mikrofiches oder auf Mikrofilm gebannt zu sehen, oft kaum lesbar und nach einer halben Stunde anstrengender Bildschirmarbeit tun mir die Augen weh. Deshalb also die Frankfurter Nachrichten; die sind zwar deutlich langweiliger als die anderen Zeitungen, dafür kann ich aber stundenlang lesen, ohne das etwas wehtut.

Nachdem ich mit dem 19.Jahrhundert nun durch bin, bin ich jetzt - 2022 - beim Jahrgang 1911 angelangt und 1911 scheint man auch in der Redaktion der Frankfurter Nachrichten bemerkt zu haben, dass man viel langweiliger ist, als die anderen Frankfurter Tageszeitungen und hat etwas geändert. Nicht nur ist das Format größer geworden, das Blatt erhielt auch Schlagzeilen, war nach Blöcken sortiert, so dass man die Zeitung auseinander nehmen konnte und mehrere sie gleichzeitig lesen konnten. Sie erhielt erstmals einen Sportteil, in dem die damals populären Sportarten, wie Pferdesport, Rudern, Tennis, Fahrrad- Auto- und Flugzeugrennen, aber nicht zuletzt auch Fußball abgehandelt wurden. Außerdem hatten die Frankfurter Nachrichten jetzt auch erstmals einen großen Anzeigenteil, was andere Zeitungen wohl finanziell berührte und Fritz Matern, Direktor des Generalanzeigers startete sogleich eine "Fake News"-Kampagne gegen die Nachrichten. Da ihm sein Blatt dafür zu schade war, in Müller-Herfurths Schmuddelblättchen, der Fackel. Einmal in der Woche gab es auch ausführliche Berichte über Mode (Frauen waren jetzt wohl auch als Leserinnen erkannt worden) und das - auch erstmals - mit vielen Bildern. Für Zeitungsbilder brauchte man damals noch einen Xylographen, der Fotoaufnahmen mit einem Stichel auf eine Stahlplatte übertragen hat und das war teuer.

Hier kam die Redaktion der Frankfurter Nachrichten auf eine Idee, die auch heutigen Medienmachern nicht fremd ist - das Produktplacement. Gerade im Modeteil dieses Blattes war die Grenze zwischen redaktionellen Beiträgen und Werbung fließend.

Vor Beginn der Sommerferien 1911 ging es in der Moderubrik natürlich um Bade- und Wandermode - nicht anders als heute. Die Frankfurter Nachrichten ließen ihre Leser das Folgende wissen:

"Für uns Binnenländer hat schon die Erwähnung des Wortes 'Strandleben' einen ganz eigenartigen Reiz. Jeder, der das Leben im Seebad schon einmal aus eigener Erfahrung kennen lernte, schwärmt für den Strand". Und auch das hat bis heute seine Richtigkeit nicht verloren. Danach folgten Beispiele, was und wo Frau denn für sich und für ihre Lieben für den Urlaub noch kaufen müsste.

 

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