Alexander Ruhe: 1898 - Frankfurt feiert den Wäldchestag
gleich vier mal. April 2013
Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie
Seit vielen Jahrhunderten feiern wir Frankfurter einen dritten Pfingsttag. Der Pfingstdienstag ist der Frankfurter Wäldchestag, zu dem sich ursprünglich jeder Frankfurter Haushalt einen Baum aus dem Wald holen durfte. Die Sitte mit dem Baum ist mittlerweile ein bisschen verschütt gegangen, in den Wald gehen die Frankfurter aber noch immer, feiern dort, trinken dort und verhauen sich auch manchmal. Wie man ja weiß, ist Frankfurt das mediterrane Herz Deutschlands, hier scheint immer die Sonne und es regnet nie. Früher war das allerdings nicht so, da waren die Zeiten noch härter, und 1898, anders als es die Postkarte aus eben diesem Jahr vermuten lässt, regnete es den ganzen Dienstag lang, der Besuch war entsprechend mäßig - nur einige wenige, hartgesottene Apfelwein-Geschworene fanden sich ein ("...Un wer getrotzt dem Schicksal kih - der sitzt gar weich im Nasse..."! wie mal in einem viel zu langen Gedicht danach in der Zeitung lesen konnte)- und die Wirte blieben auf ihren Vorräten sitzen - das war natürlich dumm.
Die enttäuschten Wirte trafen sich umgehend im Storch (am Dom) und beratschlagten, was da zu tun sei und man kam überein, von der Stadt zu fordern, den Wäldchestag am Sonntag darauf (05.Juni 1898) wiederholen zu dürfen. Gesagt getan. Bei wesentlich besseren Wetter wurde der Wäldchestag also zum zweiten mal gefeiert und diesmal strömten die Frankfurter in den Wald, nur leider waren kaum Wirte da und bei den wenigen anwesenden bildeten sich endlose Schlangen und die Besucher wanderten in die Niederräder Wirtschaften ab. Die anwesenden Wirte wurden zudem noch bestraft, da die Polizei diesen zweiten Wäldchestag gar nicht genehmigt hatte.
Jetzt waren aber die Wirte, die nicht im Wald gewesen waren stinkig und man traf sich noch mal im Storch und forderte noch einen dritten Wäldchestag abhalten zu dürfen, an dem sich nun alle Wirte beteiligen könnten; entweder sollte dies der 26.Juni oder der 03.Juli sein. Diesmal stimmte auch die Polizei zu und so konnte am 26.Juni der Wäldchestag zum dritten mal stattfinden - und wieder regnete es in Strömen und niemand kam.
Auf allen drei Wäldchestagen war es zu Schlägereien gekommen, auf dem ersten sogar zu einer Messerstecherei, die schönste Schlägerei fand aber zum dritten Festtag statt, da schlugen sich die Wirte, die den 03.Juli bevorzugt hatten, mit den Verfechtern des 26.Juni. Diese .Schlägerei hätten die Wirte sich allerdings sparen können, denn am 03.Juli fand der Wäldchestag auch noch zum vierten mal statt, diesmal bei bestem Wetter. Allerdings hatte der Wäldchestag diesmal mit gleich einer ganzen Reihe von Veranstaltungen zu konkurrieren, nicht zuletzt mit einem vom Jean-Babtist Müller-Herfurth organisiertem Radfahrer-Blumenkorso, dem Vorläufer des späteren Auto-Blumenkorsos, so das diesmal wieder kaum jemand ins Wäldchen ging.