Alexander Ruhe: 1927 - Frankfurt und der georgische Napoleon- falsche Tscherwonzen aus der Nazi-Druckerei. Dezember 2015

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

 

1927. Hochbeliebt in aller Welt war der amerikanische Dollar, auch Frankfurt hatte gerade eine Millionen-Dollar Anleihe aufgenommen, die amerikanische Finanzwirtschaft brummte. Nicht ganz so rosig sah das in der Sowjetunion aus. Nach dem dortigen Bürgerkrieg hatte die sowjetische Wirtschaft nicht nur eine, sondern gleich drei gravierende Währungsreformen erlebt, seit 1925 aber blieb der Rubel ganz stabil und die Wirtschaft des Landes erholte sich wieder - sehr zum Missfallen aller, die auf einen baldigen Zusammenbruch des sowjetischen Regimes gehofft hatten. Nach dem gescheiterten August-Aufstand von 1924, dem die Exekution tausender georgischer Widerstandskämpfer gefolgt war, war klar, dass weiteren Aufständen eine Wirtschaftskrise vorangehen müsste, diese sollte nun künstlich erzeugt werden. Basilius Sadathieraschwili, im Kloster Ettal im Allgäu erzogener Exil-Georgier und der georgische Ex-Bankier Schalwa Karumidse, versuchten es erst im Großen: der Ölmagnat Henry Deterding, Chef von Shell und der deutsche General Max Hoffmann, Initiator des deutschen Sieg-Friedens von Brest-Litowsk wurden gewonnen. Mit deren Geld und strategischem Know-How sollte die sowjetische Ökonomie zu Fall gebracht werden, aber die Verhandlungen zogen sich hin und die beiden Georgier schritten nun auf eigene Faust zur Tat. Statt sich, wie bisher, Hilfe von der russischen Sozialdemokratie, den Menschewiken, zu erwarten, wandt man sich jetzt der NSDAP zu.

Mit Hilfe des SA-Mannes  Georg Bell, später Chef des SA-eigenen Geheimdienstes, wurden Kontakte zu der NSDAP nahestehenden Kaufleuten hergestellt, um das Kapital und die technischen Fähigkeiten zum Geldfälschen zu erlangen - mit Millionen von falschen 10-Rubel Scheinen (10 Rubel = 1 Tscherwonez) sollte die Sowjetunion aus den Angeln gehoben werden. Der Tscherwonez war eine - zumindest zum Teil - Gold und Devisen gedeckte Währung und im Februar 1924 hatte man 50 Milliarden Inflationsrubel gegen einen Tschernowez getauscht, ganz ähnlich wie das fast gleichzeitig in Deutschland mit der Rentenmark geschehen war.

Schnell fand man zum Frankfurter Buchhändler Karl Böhle, in dessen "deutscher Buchhandlung" vornehmlich rechtsradikales Schriftgut verkauft wurde. Dem strammen Nazi Böhle stellte man sich als "Müller und Schultze" vor und gab vor ein Buch mit dem Titel: "im Kampf mit dem Bolschewismus" drucken zu wollen. An Böhles Buchhandlung angeschlossen war auch eine Druckerei (in der Gluckstraße), die man jetzt von Böhle mietete um in aller Ruhe falsche Tscherwonzen zu drucken.

der Herr rechts mit Glatze ist der Buchhändler Böhle

Alle Zeit der Welt hatte man allerdings nicht, der Chef der in Berlin ansässigen Falschgeldzentrale, Erich Liebermann, war auf die beiden Georgier aufmerksam geworden. Georg Bell hatte sich nämlich mit den für dieses Unternehmen vorgesehenen 15.000 Mark nach Istanbul abgesetzt. Um jetzt ihre Gläubiger zu befriedigen, hinterlegten Sadathieraschwili und Karumidse ihr (zuvor schon in München und Paris) frisch gedrucktes Falschgeld als Sicherheit - keine gute Idee. Jetzt kam Liebermann nach Frankfurt und schlug zu, im August 1927 saßen beide hinter Gittern.

Den beiden Georgiern war es in Frankfurt gelungen in drei Tagen 120.000 Scheine Falschgeld zu drucken (und zwar in einer wesentlich besseren Qualität als ihre Münchner Scheine, aber das nutzte ihnen jetzt auch nichts mehr), Papier hätten sie noch gehabt, um 1,2 Millionen weite Scheine zu drucken, an  einer solchen Menge Falschgeld - ein Rubel war 2,10 Mark wert - hätte die sowjetische Ökonomie wohl schon zu schlucken gehabt, zudem die Sowjets selbst schon bis ans Limit Tscherwonzen druckten.

Alle kamen jetzt in Berlin vor Gericht, wo Bell noch tönte, wenn die beiden Georgier ihn eingeweiht hätten, in Frankfurt Tscherwonzen drucken zu wollen, dann wären die mit ihm auch gedruckt worden, aber man wäre nicht erwischt worden. Trotz dieser Anmaßungen und obwohl dem Frankfurter Böhle vom Richter schiere Geldgier attestiert worden war, kamen alle Angeklagten in den Genuss der Amnestie von 1928, die alle politisch bedingten Straftaten begnadigte, war doch in Deutschland kein Schaden entstanden und eventuelle Verbindungen zu Ölmagnaten und deutschen Generälen, Hoffmann hatte schon einen militärischen Invasionsplan für die Sowjetunion ausgearbeitet, wollte man auch nicht zu tief untersuchen, so ließ man die Täter lieber gehen und dies obwohl der Botschafter der Sowjetunion, Nikolai Krestinski (1883-hingerichtet 1938 ),  heftig protestierte. 

Krestinski (Mitte mit Brille) wenige Tage vor der Verhaftung der Fälscher beim Besuch der Musikausstellung in Ffm

Das preußische Innenministerium hatte sich durchgesetzt was aber dem deutschen Außenministerium gar nicht gefallen wollte, die Beziehungen zur Sowjetunion waren durch diese Begnadigung auf einen Tiefpunkt gefallen und so wurde der Fall wieder aufgerollt. Diesmal berichtete die überregionale Presse ausführlich, sogar Hoffmanns Invasionsplan wurde veröffentlicht und aus Basilius Sadathieraschwili wurde "der georgische Napoleon". Die Georgier Sadathieraschwili und Karumidse kamen ins Gefängnis, bei den deutschen Angeklagten blieb es bei der Amnestie und die deutsch-sowjetischen Beziehungen entspannten sich wieder.

Auf osteuropäisches Falschgeld schien man damals in Frankfurt spezialisiert gewesen zu sein. Schon 1919 war eine Bande um einen Kunstmaler ausgehoben worden, die falsche 1000 Rubelscheine gedruckt hatte und 1923 fand man in einem Schließfach im Frankfurter Hauptbahnhof eine große Menge falscher polnischer 10.000 Markscheine.

 

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