Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie
Gottlieb von der Lahr, Tuchhändler in der Goldenen Waage, vis a vis des Frankfurter Doms, war Oberhaupt einer angesehenen Familie in Frankfurt. Man verkaufte der anspruchsvollen Frankfurter Kundschaft die erlesensten Stoffe, zum Teil aus eigener Produktion, aber soviel Sonne über der Familie von der Lahr auch schien - da gab es auch einen Schatten.
Gottlieb von der Lahr hatte einen Erstgeborenen aus erster Ehe, den tüchtigen Johann Jakob, der ein fähiger Kaufmann war und die Tuchhandlung einmal übernehmen sollte. Außerdem gab es da - neben anderen - auch noch einen Sohn aus zweiter Ehe, Adolf Albert von der Lahr, ein Nichtsnutz, der seinem Vater nur Kummer machte (die Sicht der Dinge Adolfs ist allerdings nicht überliefert). Eigentlich hatte der Vater Adolf zu den Soldaten stecken wollen, was eines verkürzten Armes wegen aber nicht ging, so ließ er ihn ebenfalls die kaufmännische Laufbahn einschlagen. Wohin Gottliebs Zweitgeborener aber auch kam , er eckte überall an, ergab sich dem Trunk und dem Glücksspiel und machte Schulden.
Die letzte kaufmännische Station Adolfs war Heilbronn. Auch hier arbeitete er wenig und feierte viel. Der Vater, der für die Schulden seines Sohnes nicht weiter aufkommen wollte, wußte sich nicht weiter zu helfen und beantragte bei der württembergische Regierung die Schuldinhaftierung seines Sohnes. Im Spätherbst des Jahres 1791 sah sich Adolf in Heilbronn einem Militärkommando gegenüber, das ihn auf die Festung Hohenasperg verbrachte, das Intelektuellen- und Demokratengefängnis Süddeutschlands.
Aber trotz der harschen Bedingungen auf dem Hohenasperg, Adolf Albert befand sich dort in Luxushaft. Er dürfte sich innerhalb der Festung und auf den Wällen frei bewegen und erhielt ein Unterhaltsgeld von 500 Gulden, das vierfache Jahreseinkommen eines Lehrers. Adolf fand bald heraus, wo es auch auf dem Hohenasperg gegen Geld Unterhaltung und Alkohol gab.
Nach vier Jahren Haft erhöhte Vater Gottlieb im August 1795 Adolfs Unterhaltgeld, in der Hoffnung und mit der Mahnung, dass er sich nun aber bessern sollte. Wenn mehr Geld überhaupt ein Weg gewesen wäre, Adolf auf einen besseren Weg zu bringen, der Herbst 1795 war sicherlich nicht die richtige Zeit dafür. Massenhaft kamen damals französische Offiziere in Kriegsgefangenschaft und diese verbrachten ihre Zeit dort mit Glücksspiel und Alkoholorgien. Adolf hielt eifrig mit und als ihm das Geld ausging, verkaufte er seine Kleidung an die französischen Häftlinge. Festungskommandant von Hügel und der für Adolf zuständige Major von Schwarzwälder wollten jetzt auf Adolf einwirken. Schwarzwälder bestellt ihn ein, Adolf war aber zu betrunken, um zu diesem Termin erscheinen zu können. Der Kommandant sperrte daraufhin Adolf Privilegien und ließ die bislang offene Tür seiner Zelle nun verriegeln. Als der betrunkene Adolf bemerkte, dass er eingeschlossen war, zertrümmerte er den Kachelofen seiner Zelle und versuchte durch den Kamin in die Freiheit zu klettern. Dies gelang ihm, betrunken wie er war, allerdings nicht und - vom Ruß kohlrabenschwarz - schlief er seinen Rausch auf seinem Bett auf.
Als Adolf am nächsten Morgen erwachte, sah er den zornroten Kommandanten über sich stehen, der ihn nun erstmals zu einer Körperstrafe verurteilte. 25 Stockhiebe wurden Adolf erteilt und der Festungskommandant fügte mit seinem privaten Rohrstock noch ein paar Schläge hinzu. Adolfs Zellennachbar und Freund, der Stuttgarter Wirt Schnabel, setze nun ein Schreiben an den Rat der Stadt Frankfurt auf, das diesen über diese Prügelszenen informierte. Im Dezember 1795 bestellte der Frankfurter Rat Gottlieb von der Lahr auf den Römer ein. Dieser schickte erst einmal seinen Erstgeborenen, damit gab sich der Rat aber nicht zufrieden und Gottlieb musste persönlich erscheinen und Bericht über seinen Sohn Adolf erstatten. Nachdem man auch auf dem Hohenasperg um Aufklärung gebeten und ein denkbar negatives Zeugnis über Adolf von der Lahr erhalten hatte, ließ der Rat der Stadt Frankfurt die Sache auf sich beruhen.
In den Wirren des Kriegsjahres 1796, gelang es Adolf aus dem Hohenasperg, auf dem der nun 30 Jährige fünf Jahre zugebracht hatte, zu enkommen. er ging nach Mainz, nun schon seit Jahren nicht mehr Residenz, sondern eine reine Soldatenstadt, und machte dort auf den Namen seines Vaters Schulden. Gottlieb weigerte sich, diese Schulden zu bezahlen und Adolf wanderte in Mainz ins Gefängnis. Gottlieb ließ seinen Zweitgeborenen aber dann doch wieder nach Frankfurt kommen und nahm ihn in der Goldenen Waage im Kreise der Familie auf. Adolf aber gab seinen gewohnten Lebenswandel nicht auf, bis er auf Bitten seines Vater in der Windmühle, einem Gasthaus in der Allerheiligengasse verhaftet wurde und ins Schuldgefängnis, in die Mehlwaage eingesperrt wurde. Über den weiteren Lebensweg Adolfs ist nichts überliefert.