Alexander Ruhe: 
1796 - Frankfurt, die brennende Stadt . September 2020
 
	
	
	Seit 1792 hatte es im Umfeld Frankfurts immer wieder Kämpfe mit den 
	revolutionären Franzosen, damals die "Neu-Franken" genannt,  gegeben 
	und schon 1792 hatte die französische Armee die Stadt besetzt - 1796 
	drohte dies wieder. Nachdem das Heer des deutschen Kaisers bei Friedberg und 
	dann an der Nidda, bei Vilbel, geschlagen worden war, strömten die 
	österreichischen Truppen in die Stadt und verschanzten sich nach weiteren 
	Kämpfen vor den Stadttoren in Sachsenhausen, auf der anderen Seite des 
	Mains. Auch die meisten Kanonen, die auf den Stadtmauern gestanden hatten, 
	wurden über die Alte Brücke nach Sachsenhausen gebracht und die Brücke 
	unpassierbar gemacht. Man bereitete sich auf eine Schlacht innerhalb 
	Frankfurts vor! Die neutrale Stadt Frankfurt war damit auf einen Schlag 
	nicht mehr neutral, sondern stand unter österreichischer Besatzung. 
	
	(Im September 1795 hatte man preußische Adler malen lassen, die man als 
	Zeichen der Neutralität an Frankfurts Warten hatte aufhängen wollen.
	
	Die preußische Neutralitätserklärung für Frankfurt hatte die Stadt den 
	ganzen Herbst 1795 tatsächlich geschützt, keines der zahlreichen Gefechte im 
	Umland berührte das Territorium der Stadt). Hatte 
	man sich vorher in Frankfurt vor allem um die Verwundetenversorgung 
	gekümmert (siehe Bild), wurde es jetzt ernst. Tausende Frankfurter, fast die 
	Hälfte der Bevölkerung, verließen 
	nun ihre Stadt und hunderte von Karren, vollgepackt mit Hausrat und 
	Wertgegenständen zogen ins neutrale Hanau.
	
	
	
Der 
	österreichische Stadtkommandant Oberst Montsroi, der im römischen Kaiser auf 
	der Zeil residierte (die gelbe 3 auf dem Plan oben), hatte von seinem 
	Vorgesetzten, dem General Wartensleben, der sein Hauptquartier in Offenbach 
	aufgeschlagen hatte, den Befehl erhalten, Frankfurt bis zum letzten Mann zu 
	verteidigen. Der Frankfurter Rat, der ja wusste, dass aus Offenbach nie 
	etwas Gutes kommt, schickt Delegation über Delegation, mit der Bitte um 
	Kapitulation zu Wartensleben, aber erfolglos.
	
	Der französische General Kleber richtete sich derweilen in Bornheim, im 
	Gasthaus zum goldenen Adler ein (Bergerstraße /Ecke Gronauer, die gelbe 2), 
	ließ seine Kanonen im heutigen Nordend auffahren (die gelben Einsen) und - 
	nach Ablauf der Frist, die er den Österreichern gesetzt hatte - auf 
	Frankfurt feuern. 
	
	
	Gleich eine der ersten Granaten, die Frankfurt trafen, schlug in die 
	Konstablerwache ein (gelbe 6). Sie zerschellte allerdings nicht an der 
	Außenmauer, sondern flog durch die Gitter hindurch in eine der 
	Gefängniszellen und riss dem Insaßen, einem Weinpanscher, beide Beine ab.
	
	Eine Granate nach der anderen folgte und da Frankfurts Kanonen ja nicht 
	mehr auf den Wällen, sondern am Sachsenhäuser Mainufer standen, konnte das 
	Feuer auch nicht erwidert werden. Auch rotglühend gemachte Kanonenkugeln 
	wurden von den Franzosen verschossen. Die Frankfurter zogen mit ihren 
	Feuerspritzen jetzt von hier nach da, überall musste gelöscht werden. Unter 
	anderem brannte auch das Gasthaus zum gelben Hirsch an der großen 
	Friedberger (ganz in der Nähe der Konstablerwache) lichterloh. Weil der 
	gelbe Hirsch einem preußischen Offizier gehörte, einem Neutralen, hatten 
	zuvor viele Kaufleute ihre Warenbestände dort eingelagert. Es gab Tote und 
	Verletzte. Als aber auch die - vollständig aus Holz erbaute - Judengasse 
	(gelbe 5) Feuer fing, wurde die Katastrophe allgemein. Das war nun auch 
	General Kleber nicht recht. Er brauchte das reiche Frankfurt dringend um 
	seine mürrische Armee mit gutem Silber besolden zu können, das 
	silberschwache französische Revolutionsgeld nahm in Deutschland kein 
	Kaufmann an. Ein verbranntes Frankfurt war also das letzte was er erobern 
	wollte. Kleber bespannte nun die Bornheimer Feuerspritzen mit französischen 
	Armeepferden und schickte diese zusammen mit 120 unbewaffneten Soldaten nach 
	Frankfurt zum Helfen. Die Hilfe der Soldaten lehnte man dankend ab, die 
	fünf Feuerspritzen aber ließ man nach Frankfurt herein. Die Judengasse, das 
	Ghetto, in dem Frankfurts Juden seit Jahrhunderten eingepfercht waren, war 
	nicht mehr zu retten, sie verbrannte zur Hälfte. Fast alle Juden waren aus 
	Frankfurt geflohen und hatten ihre Häuser mit schweren Schlössern 
	verriegelt, so dass das Löschen fast unmöglich war (schrieb Goethes Mutter 
	an ihren Sohn). Beim Löschen 
	besonders hervorgetan hatten sich in dieser Nacht also nicht französische 
	Soldaten, dafür aber italienische Matrosen. Um den Rhein und den Main vor 
	französischen Angriffen schützen zu können, hatten die Österreicher über 
	Land, auf Ochsenkarren, eine Kanonenbootflottille nach Frankfurt gebracht. 
	Deren italienischen Matrosen hatten sich dadurch hervorgetan, dass sie gegen 
	Geld zur Musik von kleinen Pfeifchen lustige Tänze vorführten und dass sie 
	sich geweigert hatten ohne Zahlung ihres Soldes gegen Mainz auszulaufen. 
	Erst als der Frankfurter Bankier Bethmann einen Teil des Soldes vorgestreckt 
	hatte, war ein Teil der Matrosen abgefahren. Die anderen waren in Frankfurt 
	geblieben und halfen jetzt aufopferungsvoll beim Löschen. Erst ein heftiger 
	Regen am nächsten Nachmittag rettete Frankfurt vor dem Schlimmsten.
	
	
	
	Insgesamt verbrannten in dieser Nacht 156 Häuser vollständig, davon 140 
	alleine in der Judengasse. Viele Dächer zwischen der Zeil und der 
	Schnurgasse waren zerstört. Es gab viele Verletzte aber nur drei Tote.
	Schon am Morgen des 
	13.Juli  hatte Kleber Emissäre nach 
	Frankfurt geschickt, die Kapitulationsverhandlungen mit Frankfurt führen sollten. Der 
	Frankfurter Stadtkommandant durfte derart weitreichende Entscheidungen aber 
	nicht ohne seinen Vorgesetzten in Offenbach treffen und der nicht ohne 
	seinen Vorgesetzten, den Erzherzog Karl. Nach vielen Mühen stimmte 
	Wartensleben endlich zu und er schickte den Offizier Bary zu Montsroi, um ihn 
	darüber zu informieren. Bary, Montsroi, klingt beides nach adeligen 
	französischen Exilanten, von der Revolution aus Frankreich vertrieben. Nach vielen Mühen, man wollte ihn am Affentor nicht 
	hereinlassen, war es diesem Abgesandten tatsächlich gelungen bis zum 
	Römischen Kaiser vorzudringen. Aber es war 22 Uhr und Oberst Montsroi war 
	schon zu Bett gegangen und er hatte strikte Anordnung gegeben, nicht gestört 
	zu werden und die Ordonanz ließ den Offizier nicht vor. Da wurde es dem Wirt 
	des römischen Kaiser zu bunt und eigenmächtig öffnete er das Zimmer des 
	Obersts. In Frankfurt fertig, ging es zu Kleber weiter. Ortsunkundig verirrte sich der österreichische Offizier Bary jetzt auch 
	noch und ritt erst einmal nach Hanau, bevor er morgens um 7h nach 
	Bornheim kam. Hätte er sich nicht verirrt, wäre Frankfurt nicht ab 23h 
	beschossen worden, konnte man in einer Zeitung damals lesen.
	
	
	
	Die Österreicher zogen in der Nacht vom 15.Juli ab und die Franzosen am 
	Morgen des 16.Juli 1796 durch das Friedberger Tor (die gelbe 4) ein, vorbei 
	am gerade erst errichteten Hessendenkmal, das des Heldentodes der hessischen 
	Soldaten gedenkt, die dort gerade mal vier Jahre zuvor Frankfurt den 
	Franzosen entrissen hatten. Jetzt waren die Franzosen wieder da.
	
	
	
	
	Und die französische Armee war hungrig. Sofort wurde eine Kontribution 
	erhoben und als die Frankfurter nicht schnell genug zahlten, wurden ihnen 
	die französischen Soldaten, die zuvor auf den Wällen und in Erd- und Strohhütten auf 
	dem Apothekerhof (gelbe 9) und auf der Pfingsweide 
	(gelbe 8) kampiert hatten, ins Quartier gelegt und erst 7, dann noch einmal 17 der 
	reichsten und einflußreichsten Frankfurter wurden als Geiseln genommen und 
	nach Frankreich geschafft, nach Givet, im heutigen Belgien. Zur Gewinnung von Baumaterial für die  
	französischen Erdhütten auf der Pfingsweide, war übrigens die Allee entlang 
	des Sandweges nach Bornheim abgeholzt worden. Jetzt sammelte man in Frankfurt ernsthafter und 
	die Frankfurter gaben ihr privates Silber, aber auch die Kirchenschätze. Aus 
	diesen Silberlöffeln und Meßkelchen schlug man Münzen, um die Franzosen 
	bezahlen zu können. Vielleicht hatte auch das Gerücht, der schwerreiche 
	Landgraf von Hessen-Kassel würde Frankfurt die Kontributionsgelder 
	vorstrecken, wenn die Stadt dafür zu Hessen-Kassel käme, den Sammeleifer der 
	Frankfurter beflügelt.
	
	
	
	
	
	Die Regierung in Paris schickte nun gleich einen Wunschzettel, was man 
	aus Frankfurt gerne alles hätte. Darunter waren die Krönungsinsignien der 
	deutschen Kaiser, die goldene Bulle, die erste Verfassung Deutschlands aus 
	dem Mittelalter und die zwölf Apostel des venezianischen Malers Piazzetta. 
	Nichts davon war in Frankfurt auffindbar, aber ein Piazzetta, die Anbetung 
	Mariens, hing in der Deutschherrenkirche, da nahm man halt die mit - hängt 
	heute im Louvre. Mitgenommen hat man auch die Glocken der abgerissenen 
	Barfüßerkirche, die im Zeughaus gelagert worden waren. Diese fehlten dann 
	der statt derer erbauten Paulskirche. Erst 1831 läuteten deren neue Glocken 
	zum ersten Mal.
	
	Massenhaft strömten jetzt auch Deserteure der österreichischen Armee 
	nach Frankfurt. 2000 innerhalb von drei Tagen. Die meisten dieser Männer waren in den österreichischen 
	Niederlanden (heute Belgien und Luxemburg) rekrutiert worden und waren damit 
	seit 1795 Franzosen. Ohne Bewachung schickten die Franzosen sie einfach nach 
	Hause. In Frankfurt atmete man da wohl auf, viele dieser Deserteure hatten 
	nämlich in den Wochen und Monaten zuvor das Umland der Stadt als Räuber 
	heimgesucht.
	
	Die Soldaten, die man als Besatzungstruppe in Frankfurt gelassen hatte 
	fehlten allerdings nun der französischen Hauptarmee, so dass diese Anfang September bei 
	Würzburg geschlagen werden konnte und marodierende Franzosen zogen jetzt 
	durch Spessart und Odenwald, wo sie die Bauern terrorisierten. Unter ihrem 
	Führer Philipp Witt, schlossen sich die Bauern nun zusammen und nahmen den 
	Partisanenkampf gegen die Franzosen auf. Jeden Tag wurden Gruppen gefangener 
	Bauern nach Frankfurt gebracht, um hier standrechtlich erschossen zu werden, 
	u.a. am Bettel-/Quirinsbrunnen in Sachsenhausen. 
	Am 07.September traf der Haupttrupp der geschlagenen Franzosen in Frankfurt 
	ein. Diese waren völlig demoralisiert, hungrig und disziplinlos. Sie 
	plünderten sogar das eigene Depot hier in Frankfurt und verkauften an den 
	Straßenecken ihre Schuhe. Sie überwältigten auch ihre eigenen französischen 
	Wachen am Stadttor, um weiter fliehen zu können. Der französische 
	Stadtkommandant, General Duvignot, packte nun auch zusammen. Die französische 
	Kommandantur hatte sich in der Bansa-Bank auf der Zeil befunden (gelbe 7). 
	
	General Duvignot war am 31.Juli, als die italienische Flottille einen 
	Ausfall aus dem belagerten Mainz, den Main hinauf wagte, verwundet worden 
	und erst am 05.August Stadtkommandant geworden.
	Am 08.September zogen die 
	Franzosen ab und die Österreicher wieder ein.
	
	Trotz der französischen Besatzung hatte die Herbstmesse in Frankfurt 
	stattgefunden, allerdings etwas lustlos, weshalb der Rat der Stadt Frankfurt 
	die Messe kurzerhand um zwei Wochen verlängerte.
	
	Und, der Vollständigkeit halber; während all der hier beschriebenen 
	Vorgänge grassierte auch noch die Löserdürre, die Rinderpest im 
	Rhein-Main-Gebiet, der die meisten der hiesigen Rinder zum Opfer fielen.
	
	„Traurige Aussicht für die Zukunft, und wenn auch keine Franzosen mehr 
	kämen.“ Konnte man dazu in der Zeitung lesen.
	
	Einer, für den die wiederholten Besetzungen, Durchmärsche und 
	Einquartierungen französischer Soldaten sein privates Glück bedeuteten, war 
	der Frankfurter Sprachlehrer Valentin Meidinger. 1783 hatte er erfolglos 
	einen Verlag gesucht, für sein Buch zum Selbststudium der französischen 
	Sprache und es in der Folge im Eigenverlag herausgegeben. Bis dahin war 
	Meidingers Grammatik ein Ladenhüter geblieben aber das änderte sich jetzt. 
	Jetzt war es auch für Kaufleute und das Kleinbürgertum wichtig geworden doch 
	zumindest ein paar Brocken Französisch sprechen zu können und aus Meidinger 
	wurde ein reicher Mann und aus seinen Lehrbüchern Klassiker.
	
	Die Franzosen hatten an der Hauptwache vor dem Zapfenstreich immer "Ah! 
	Ça ira" und die
	Marseillaise gespielt. Der erste Zapfenstreich nach dem Abzug der 
	Franzosen sollten jetzt wieder Frankfurter Soldaten blasen - ohne 
	Marseillaise. Als sie gerade dazu ansetzen wollten, tat es einen 
	riesigen Schlag und der Himmel wurde wieder taghell. Die Franzosen, die auch 
	die Festung Königstein im Taunus räumen mussten, hatten alles, was sie nicht 
	mitnehmen konnten, Kanonenrohre, Blei und Schießpulver in einen 
	Brunnen auf 
	der Burg geworfen. Durch ein Versehen hatte dieses Pulver sich vorzeitig entzündet und 
	große Teile der Festung, aber auch das französische Räumkommando in 
	Einzelteilen auf die Umgegend niederregnen lassen. So konnte die Burg aber 
	wenigstens nicht mehr als Demokraten-Gefängnis dienen, wie von 1793-95 für 
	die unglücklichen Mainzer Klubisten.
	
	Insgesamt hatten die Franzosen der Stadt Frankfurt 14 Millionen Livres 
	an Kontributionen und Schäden zugefügt. Die Einquartierungskosten nicht 
	gerechnet. 14 Mio. Livres entsprechen 56.000 Kilo Silber. Auf jeden 
	Frankfurter, auch die Kinder, kamen also etwa 1,5 Kilo Silber an 
	Kontributionen und Schäden, die Franzosen hatten sogar noch eine alte 
	Kontributionsschuld aus dem siebenjährigen Krieg eingetrieben. In jeder 
	französischen Stadt gibt es einen Place Kleber. warum das in Frankfurt nicht 
	so ist, ist damit wohl erklärt.
	
	
	
	
	Ein paar Monate darauf standen die Franzosen wieder vor Frankfurt und 
	mehrere hundert französische Reiter waren drauf und dran, sich durch das 
	Bockenheimer Tor hindurchzukämpfen. Aber, diesmal noch rechtzeitig, kam ein 
	französischer Kurier angeritten, der den Waffenstillstand, den Napoleon mit 
	dem deutschen Kaiser geschlossen hatte, verkündete. Fünf Tage lang 
	war der Kurier Josef Bellin unterwegs gewesen, anders als Bary aber, hatte 
	er unterwegs auch mal nach dem Weg gefragt und in der Augsburger Poststation 
	den Tipp erhalten, nicht den Weg über die württembergische, sondern den über 
	die fränkische Postlinie nach Frankfurt zu nehmen, da würde er ein paar 
	Stunden sparen.
	
	Dem französischen General Hoche, der den Angriff leitete, gefiel diese 
	Unterbrechung allerdings gar nicht. Er ließ Bornheim, in dem er sein 
	Hauptquartier aufgeschlagen hatte, plündern und zog sich dann zurück.
	
	
	
	
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