Ein Artikel aus der Reihe:
Frankfurter Zeitungs-Archäologie
Den wilden Westen für die Deutschen entdeckt, hat
nicht etwa Karl May, wie man denken könnte, sondern ein Frankfurter, Emil
„Buffalo“ Drescher.
Zugegeben, das „Buffalo“ habe ich hinzugedichtet,
aber so nennen hätte man ihn mit Fug und Recht können, war er, der spätere Oberlehrer
(seit 1862) an der Sachsenhäuser Dreikönigsschule , doch mit einem echten
„Westener“ bekannt, mit Friedrich von Wrede. Wrede war hessischer
Berufssoldat gewesen und hatte in Waterloo geholfen Napoleon zu besiegen. In
den dreißiger Jahren war er mit seiner Familie nach Texas ausgewandert, um dann
in den 1840ern nach Deutschland zurückzukehren und im August 1844 in Frankfurt,
unter Dreschers Co-Autorschaft, ein Reisehandbuch für Texas zu schreiben. Das
Handbuch wurde vom Mainzer Adelsverein vertrieben, der den Plan hatte, aus
Texas eine deutsche Kolonie zu machen: Tatsächlich bewog die Lektüre des Buches
in der Folge fast 8000 Deutsche nach Texas zu emigrieren. Auch Wrede ging 1844,
im Auftrage des Adelvereins, wieder nach Texas, wo er im Jahr drauf von Komanchen
skalpiert wurde.
Emil Drescher aber war nicht nach Texas gegangen, sondern in Frankfurt-Sachsenhausen geblieben, wo er in der Schulstraße wohnte. Die dankbare Regierung von Texas aber schenkte ihm für sein Engagement um die Besiedlung des Landes ein Gebiet von der Größe des Herzogtums Hessen-Nassau. Leider war das Gebiet unerschlossen, es führten keine Straßen hindurch und es war von Indianern besiedelt, so dass Drescher nie hinfuhr und lieber zuhause blieb, wo er im März 1870 starb. Das Land wurde aber an andere Frankfurter, nämlich die Familie Eyssen verkauft.
Nachdem also die ersten Frankfurter schon zu den Indianern gegangen waren, kamen die Indianer dann auch nach Frankfurt: Denn Anfang machte Kah-Ge-Ga-Gah-Bowh, Häuptling der Oibway-Indianer, der im August 1850 als Delegierter am zweiten internationalen Friedenskongress in der Paulskirche teilnahm (zumindest war er der erste Indianer der freiwillig, und nicht als Schaustellerdarbietung gekommen war). Der Häuptling hielt eine 40minütige Rede vor 2000 Zuhörern über die Unmoralität und Irreligiosität des Krieges (er war methodistischer Prediger), danach beantragte er, der Kongress möge das Prinzip der Nicht-Einmischung beschließen, jeder Staat habe das Recht auf die Regelung seiner eigenen Angelegenheiten. Die Begeisterung für Rede und Antrag waren groß, ganz besonders die Begeisterung auf den Zuschauerrängen der, über und über mit schwarz-rot-goldenen Fahnen geschmückten, Paulskirche, die hauptsächlich von Damen besetzt waren. Viele waren nur gekommen um den Häuptling zu sehen. Ein bisschen enttäuscht äußerten sich die Frankfurter aber darüber, dass Kah-Ge-Ga-Gah-Bowh nicht mit seinem traditionellen Federschmuck, sondern mit einem europäischen Hut aufgetreten war. Aber auch der Indianer zog ein Urteil über die Deutschen. Nachdem er mehrere Deutsche hatte reden hören, hatte er verstanden, warum die Revolution von 1848 zu keinem Erfolg gekommen war „Die Reden enden so vage, wie sie begannen ... und dabei sprachen die Redner so kompliziert und immer so, als ob sie dabei eine Toga trügen.“ Er verglich Deutschland mit der Jungfrau, die schläft und dabei versäumt auf ihre Hochzeit zu gehen, von der sie so lange geträumt hat.
Kah-Ge-Ga-Gah-Bowh
Anzeige zur Herbstmesse 1855. Rudoph Knie (1808 -58) war der älteste Sohn des Gründers der Artisten-Dynastie Knie. Dieser, Friedrich Knie hatte
sich mit Rudolph überworfen und ihn per Zeitungsanzeigen aufgefordert zur Ostermesse 1831 nach Frankfurt zu kommen, um sich hier zu versöhnen.
Anfang der 1850er Jahre ging der 17 Jahre alte Frankfurter Andreas Schliesmann in den Wilden Westen, trat dort in die US-Kavallerie ein und bekämpfte für die nächsten zehn Jahre die Indianer dort, um dann nach Frankfurt zurückzukehren und die nächsten Jahrzehnte hier auf dem Reisebüro der Bahn zu arbeiten.
1859 unternahmen dann drei junge Frankfurter einen Ritt über eineinhalbtausend Kilometer quer durch die Indianergebiete Colorados, um sich im neugegründeten Denver anzusiedeln. Der Ritt entpuppte sich als ein dauernder Kampf gegen Indianer und Bären. Einer der Drei siedelte sich dauerhaft in Denver an, die anderen beiden fanden den Wilden Westen wohl etwas zu wild und kehrten nach Frankfurt zurück, wo der ein "Agent" und der andere Kaffeehändler wurden.
Im April 1888 dann, kehrte ein Frankfurter, der in
den Vereinigten Staaten sein Glück gemacht hatte, mit einem Vermögen von
300.000 Mark und einer indianischen Squaw als Ehefrau nach Hause zurück, womit
wohl die erste Indianerin Frankfurterin wurde.
Gleich zwei Jahre darauf aber kamen die Indianer
gleich haufenweise: Buffalo Bill zog mit seiner Show, mit 200
Darstellern, Pferden, Büffeln, Elchen und vielem mehr, in den Palmengarten ein.
Jeweils bis zu 8000 Zuschauern kamen gleichzeitig und zahlten das damals
exorbitante Eintrittsgeld von 4 Mark auf den besten Plätzen. Dafür bekamen sie
in zwei Vorstellungen am Tag einiges geboten, die Häuptlinge „Schwarzes Herz“,
„Adlerhorn“ und „Felsiger Bär“, echte Indianer, die auf ihren Pferden einer
Postkutsche hinterher jagten, Rodeovorführungen und den leibhaftigen Buffalo
Bill, der mit einem von ihm selbst erbeuteten Skalp in der Hand, durch den
Palmengarten ritt. Die Zuschauer waren begeistert, die Frankfurter Presse
allerdings war teilweise ein wenig verschnupft, woraufhin Buffalo Bill die
Pressevertreter zu einem „Indianerfrühstück“ einlud. Danach war auch die Presse
begeistert und Friedrich Stoltze dichtete: Buffalo Bill der muss sich denke:
Die fresse wie die Dieb vorm Henke.
Damit
diese zahlreichen Besucher des Palmengartens die dortigen Beete nicht
zertrampelten, hatte man die Gärtnerlehrlinge aufgestellt, die über die Beete
wachen sollten. Aber einer dieser Lehrlinge, der 14 jährige Ernst Tobis achtet weniger auf die Beete und
dafür viel mehr auf die Buffalo Bill begleitenden Sioux-Indianer, die in ihren
Tipis im Palmengarten zelteten. ( Für Buffalo Bill hatte man auch ein Zelt
aufgebaut, aber der zog es vor, im Frankfurter Hof abzusteigen.) Er freundete
sich mit den Indianern an und als die Buffalo Bill Show ins Winterquartier nach
Straßburg weiterzog, zieht er als Pferdejunge mit. Nach sechs Wochen spürte ihn
seine Mutter in Straßburg auf und holte ihn nach Hause. Aber der junge Lehrling
war inzwischen vom Indianer-Virus befallen, der ihn nie wieder losließ. Er
nannte sich von da an „Isto Maza“
„Eisenarm“ und wurde in der Folge einer der großen deutschen Artisten
(er war berühmt geworden als Standmann einer menschlichen Pyramide) und
Indianer-Forscher und – Sammler. Und unter seinem Künstlernamen Patty Frank
liegt er auf dem Radebeuler Friedhof, nur wenige Meter vom Grab Karl Mays
entfernt.