Ein Artikel aus der Reihe:
Frankfurter Zeitungs-Archäologie
Im Januar 1889 hatte sich der Sohn der österreichischen
Kaiserin Sissi, Rudolph, das Leben genommen (andere sagen, er sei ermordet
worden). Um diesen schweren Schlag bewältigen zu können, fuhr die Kaiserin zur
Kur nach Wiesbaden. Auf dem Weg von Wien nach Wiesbaden fuhr ihr Hofzug
auch durch Frankfurt. Sie blieb einige Wochen in Wiesbaden und trat dann,
merklich erholt und auch gefasster, am 24. Mai 1889 die Rückreise nach
Wien an.
Eigentlich hätte der Zug auch damals
schon Frankfurt großräumig umfahren können, aber man wollte ihr wohl den gerade
ein Jahr zuvor eingeweihten Hauptbahnhof Frankfurts, den größten und
schönsten Europas, nicht vorenthalten und so ging der Weg quer durch Frankfurt,
über die alte Verbindungsbahn am Main entlang vom West- zum Ostbahnhof,
über die ansonsten nur die Ausflugszüge von Limburg nach Wilhelmsbad fuhren.
Als der Hofzug um 15.30 h gerade den Westhafen
passierte, sprang der letzte der acht Wagen des Zuges aus dem Gleis, schnell
auch der siebte. Man gab dem Lokführer ein Signal, das dieser anscheinend aber
nicht hörte. Auch der sechste und dann auch der fünfte Wagen sprangen aus der
Spur, bis der Lokführer endlich einen Polizisten wahrnahm, der seine Pickelhaube
schwenkend, neben dem Zug herlief. Der Zug hielt an und man begutachtete den
Schaden. Einer der Lakaien und eine der Hofdamen waren verletzt
worden, ein Wagen war vollständig zerstört und das Gepäck der Kaiserin
ordentlich durcheinander geworfen worden, aber Sissi, die im dritten Wagen
gesessen hatte, war unversehrt
geblieben.
Man wunderte sich, wie der Zug auf dieser
absolut geraden Strecke hatte entgleisen können. Heute würde man wohl sofort
einen Akt von Terrorismus vermuten, damals war aber sofort jedem klar, dass die
Österreicher halt keine Eisenbahnen bauen können. Innerhalb einer Stunde, in
der Sissi auf dem Bahndamm auf und ab ging, hob man die Wagen wieder ins
Gleis und die Fahrt nach Wien ging weiter.