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Alexander Ruhe: 1826 - Heinrich Macklot, ein Frankfurter Kolonialabenteurer. Oktober 2020

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

  

 

Das 19.Jahrhundert war die Zeit der Entdeckungen. Nachdem man im 18.Jahrhundert vor allem nach neuem Land gesucht hatte, sollten diese neuen Länder jetzt auch erschlossen werden, die Zeit der Forscher war angebrochen. Von den napoleonischen Kriegen unterbrochen, legte man jetzt richtig los. Die Niederlande zum Beispiel. Die niederländische Ostindien Kompanie kontrollierte seit dem 17.Jahrhundert die Seewege der indonesischen Inselwelt und schaffte riesige Vermögen in Form von Gewürzen und Tee nach Europa. Mit Napoleon war dieses ganze System zusammengebrochen. Nach Napoleons Ende übernahm der neuentstandene niederländische Staat dieses Kolonialsystem. Bis 1824 musste man sich noch mit den Briten streiten, wem da was gehören sollte, aber dann konnte es wieder losgehen. Und jetzt sollte das Ganze Hand und Fuß haben. Hatte die Ostindische Kompanie sich noch damit begnügt, die Häfen zu kontrolieren und in deren Nähe Gewürze anbauen zu lassen, wollte die neue Administration nun das ganze Land, wollte man alle Inseln erforschen. Man wollte wissen, was einem da eigentlich gehörte und was man da rausholen könnte. Jetzt waren also nicht mehr nur Matrosen und Soldaten gefragt, sondern auch Forscher und Landvermesser.

1799 war Heinrich Macklot als Sohn eines schon bald verstorbenen Buchhändlers in Frankfurt geboren worden. Macklot ist wohl die deutsche Schreibweise des schottischen Namens Mac Leod, denn ein Vorfahre war im 17.Jahrhundert aus Schottland gekommen. Seine Mutter gab ihn bei einem Frankfurter Apotheker in die Lehre und nach Abschluss der Lehrzeit konnte er sogar in Heidelberg Medizin studieren, für einen vaterlosen Halbwaisen damals sicherlich nicht selbstverständlich. An der Heidelberger Universität waren auch die Werber des niederländischen Königs unterwegs und Heinrich nahm noch als Student deren Angebot an, nach seinem Doktorexamen in niederländische Dienste zu treten. 1822 holte ihn sein Heidelberger Freund Heinrich Boie an das Naturkundliche Museum in Leiden. Boie, fünf Jahre älter als Macklot, war ein bekannter Zoologe und Mitglied der Senckenbergischen Naturforschungsgesellschaft in Frankfurt. Diese hatte Boie angeboten, zusammen mit Eduard Rüppell Ägypten und Afrika zu bereisen, aber ihn zog es nach Java und akribisch bereitete er diese Reise vor. Als 1825 Boies geplanter Reisekompagnon starb, bot Macklot sich als Ersatz an und Ende 1825 ging es an Bord des Ostindien-Seglers Dyckzigt nach Java. Der Ornitologe Boie hatte auf der Überfahrt Sturmvögel sammeln wollen, die er dann ausgestopft nach Leiden hatte schicken wollen, die Fahrt war aber so stürmisch, dass sie die geschossenen Tiere nie aus dem Meer bergen konnten. Das sollte bei einem Zwischenstopp in Kapstadt nachgeholt werden und Boie und Macklot ließen sich auf die Bucht herausrudern um Vögel zu fangen. Aber das Wetter schlug um und nur knapp gelangten die beiden wieder, nass aber  lebend, ans Ufer. Nach insgesamt sechsmonatiger, sturmreicher,  Überfahrt kamen die beiden Freunde, der Tierpräperator Salomon Müller aus Heidelberg und der Zeichner van Oost im Juni 1826 auf Java an.

 Dort war zwischenzeitlich ein Volksaufstand ausgebrochen. Das neue niederländische Regime hatte für die Einheimischen eine Zwangs-Fronarbeit eingeführt.  Um die von den Niederländern geforderten Steuern zahlen zu können, musste jeder Javaner, zusätzlich zu den bisherigen Steuern an den einheimischen Adel, mindestens 90 Tage pro Jahr, meistens aber mehr, auf den neuangelegten Kaffeefeldern der Kolonialherren arbeiten, so dass nicht mehr genug Zeit für die Arbeit auf den eigenen Reisfeldern blieb. Während der Bekämpfung dieses Aufstandes hatte die Kolonialverwaltung erst einmal keinen Sinn für Forschungen und auch nicht für Forscher und man überließ die vier Leidener erstmal für sieben Monate  sich selbst - ohne Bezüge! Im Januar 1827 endlich, wurden die vier ausgesandt, Java zu entdecken. Macklot schickte man mit einem Trupp Soldaten ins Landesinnere, um das Land zu erkunden und zu vermessen. Vor allem sollte nach Erzlagerstätten Ausschau gehalten werden. Mit dem einzigen Niederländer vor Ort begab er sich hier auf die Jagd nach einem Rhinozeros, das im Dschungel gesichtet worden war. Wie sich aber herausstellte, waren die beiden dem Tier nicht gewachsen und Macklot verbrachte die nächsten Wochen damit, seinen Jadgkumpanen wieder zusammenzuflicken, denn außer Apotheker, Geologe (in Leiden hatte er die Mineraliensammlung betreut), Botaniker und Zoologe, war er ja auch Arzt.

Kaum war dies überstanden, wurde Macklot selber krank und die nächsten sieben Wochen verbrachte er im Hospital von Batavia, dem heutigen Jakarta. Wieder genesen, unternahm er, gemeinsam mit drei Pferden, einen 28 stündigen Non-Stop Ritt zurück ins Landesinnere, wo sein Freund Boie im Sterben lag, ihn traf er aber nur noch tot an.

Im Februar 1828 wurde er von der Kolonialverwaltung in ein Naturforscherteam versetzt, die eine Militärexpedition bei der Eroberung Neu-Guineas begleiten sollte. Ende Mai erreichte das Kriegsschiff Triton die Südküste dieser Insel, wo sie aber auf feindselige Einheimische trafen. Es kam zu Kämpfen und als das Trinkwasser knapp wurde, segelte man entlang der Küste in Richtung Norden, wo man eine Niederlassung errichtete und den Wald zu roden begann. In dieser Niederlassung grassierten aber Krankheiten, so dass man Neu-Guinea unverrichteter Dinge verließ und zur Nelkeninsel Amboina (westlich von Neu-Guinea) zurückkehrte, wo die Mannschaft erst einmal ins Hospital musste, auch Heinrich Macklot " lag mehrere Wochen hart darnieder".

Als man sich wieder erholt hatte, fuhr man weiter auf die Sandelholzinsel Timor. Hier sollte Macklot im Landesinneren der Insel nach Kupferlagerstätten suchen. Noch nie hatte ein Europäer das Innere Timors betreten und so musste Macklot ein halbes Jahr im niederländischen Küstenstützpunkt Kupang abwarten, bis man ihm 1000 Soldaten für diese Expedition mitgeben konnte. Die Zeit vertrieb der Forscher sich damit, dass er auf die Jagd ging. Auf einem dieser Jagdzüge schoß er ein vier Meter langes Krokodil, das heilige Tier der Timornesen. Aus der ganzen Umgebung kamen nun Abordnungen, um dem toten Tier Opfer darzubringen, was man als lustige Anekdote in deutschen Zeitungen lesen konnte, denn Heinrich Macklot schrieb fleißig an seine Familie in Frankfurt und die ließ diese Briefe in ganz Deutschland veröffentlichen. "Den Aufenthalt in Kupang findet unser Landsmann nicht sehr ergötzlich" konnte man da lesen. Auf Timor starben auch seine Reisebegleiter, der Zeichner Gerrit van Raalten (1797-1829), mit dem Macklot auf Java auf Rhinozerosjagd gegangen war und der Botaniker Alexander Zippelius (1797-1828).

Im Januar 1830 kehrte er nach Java zurück, wo man ihn wieder zur Erkundung des Landesinnerne einsetzte. Gemeinsam mit seinem Leidener Reisegefährten Pieter van Oorg (1804-1834) bestieg er dabei im Juli 1831 den Vulkan  Salak. Im Frühjahr 1832 sollte er eigentlich nur noch die Regenzeit abwarten, um dann nach Europa zurückzukehren, aber ein neuer Aufstand war ausgebrochen. Diesmal revoltierten die chinesischen Landarbeiter, die die Kolonialverwaltung zu tausenden ins Land gebracht hatte. Am 08.Mai 1832 lebte Mackrot in Pourmakarta "18 Stunden ostsüdöstlich von Batavia". Auch dort war gerade erst eine der neuen Plantagen angelegt worden und auch dort revoltierten die Zwangsarbeiter. Hunderte von Chinesen und Javanern stürmten den Ort und brannten die weiße Siedlung nieder - auch das Haus Macklots, inklusive aller seiner Aufzeichnungen. Die Aufständischen zogen sich vor der Feuerkraft der Kolonialherren zurück und Macklot wurde Teil der Verfolgungstruppe. Am 12.Mai stellte man die Chinesen zum Kampf und die meisten der Aufständischen fanden den Tod. Auch einige Europäer starben, darunter auch Heinrich Macklot, im Alter von noch nicht ganz 33 Jahren.

Als Wissenschaftler im Dienste der Leidener Forschungskommission starb man jung. Einer von ganz wenigen, der in der über dreißigjährigen Geschichte dieser Kommission wieder lebend nach Europa  zurückkehrte, war der Heidelberger Wirtesohn Salomon Müller (1804-1863), der nie eine Universität von innen gesehen hatte. Diesen hatten Boie und Macklot in der Wirtschaft seines Vaters kennengelernt, ihn als Tierpräperator ausgebildet und mit nach Leiden und dann auch nach Indonesien genommen. Müller kam zurück mit einer großen Zahl von Tierpräparaten und Berichten und wurde zu der Indonesieninstanz seiner Zeit. Müller hatte auch eifrig Päckchen mit ausgestopften Tieren an seinen Bruder in Heidelberg geschickt, der sie dann stolz in seiner Wirtschaft "zum Riesenstein" ausstellte.

Von seinen Frankfurter Zeitgenossen wurde Macklots Name gemeinsam mit dem von Eduard Rüppell (1794-1884), dem großen Frankfurter Afrikaforscher und dem von Georg Wilhelm Freireis (1789-1825), dem großen Frankfurter Brasilienforscher genannt. Da von Heinrich Macklot keinerlei Forschungen bekannt sind, kann man heute kaum noch sagen, ob er Frankfurts großer Indonesienforscher oder doch einfach nur ein Kolonialbeamter war. Zumindest aber hat ein Jahrzehnt gleich drei Frankfurter hervorgebracht, die es unbändig zog, die Welt zu erkunden.

 

 

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