Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie
Status, Ehre und Ruhm, das sind Kategorien, in denen wir heute nicht mehr gewohnt sind zu denken. Im 18.Jahrhundert war das noch anders. Mit ganz besonderem Renomee waren die Krönungsinsignien und -kleinodien der deutschen Kaiser versehen, die in Aachen und in Nürnberg aufbewahrt und wie Reliquien verehrt wurden.
Jeweils zu den Kaiserkrönungen mussten diese Utensilien, z.B. die Krone, das Zepter und der Reichsapfel aber nach Frankfurt gebracht werden. Aachen sträubte sich zwar jedesmal ein wenig; eigentlich müssten die Krönungen ja in ihrer Stadt stattfinden und das nächste Mal würde man auch darauf bestehen, schickte die Sachen aber dann doch immer los. Das Wichtigste aber, die Krone, wurde in Nürnberg aufbewahrt.
Ganz besondere Ehren konnte man sich durch den Schutz und die Beherbergung der Kleinodien auf dem Weg nach Frankfurt erwerben. So hatten sich z.B die Freie Stadt Frankfurt und das Kurfürstentum Mainz jahrzehntelang darum gestritten, wo das Mainzer Geleit der Krönungsutensilien ende und das Frankfurter Geleit beginne. Frankfurt war der Meinung, da das Frankfurter Messegeleit traditionell in Seligenstadt beginne, könne das ja auch für das Geleit der Krone gelten und wenn nicht, dann doch zumindest von der Landwehr bei Oberrad an. Die Mainzer aber meinten, ihr Geleit reiche traditionell bis zur Quirinspforte (ca. 100 Meter vor der Stadtmauer in Sachsenhausen), da diese aber 1552 abgerissen worden sei, dann halt bis zu Affentor. Woraufhin Frankfurt 1790 einen Obelisk aufstellen ließ, auf dem "Quirinspforte" stand. Über solche Querelen füllte man damals Aktenordner über Aktenordner. Sechs Jahre nach dessen Errichtung, machte die französische Besatzungsarmee aus dem Obelisken eine Hinrichtungsstätte.
Zwischen Nürnberg und Frankfurt lagen 1790 noch einige eigenständige Territorien, diese zu durchqueren, war für die Krone kein Problem, die Begleitmannschaften aber brauchten Visa. Für die Territorien Mainz und Würzburg war das kein Problem, aber Preußen stellte sich quer. Am Abend des 26.September 1790 ritt der brandenburgische Gesandschaftshauptmann des unter preußischer Kontrolle stehenden Fürstentums Ansbach, der Herr von Falkenhausen nach Nürnberg ein und erklärte, der morgige Krönungszug nach Frankfurt könne nicht stattfinden, In den Visaanträgen befänden sich die Titel "Krongesandter", "Kronkavalier" und "Kronmarschall", das ginge so unmöglich, die richtigen Titel seien doch wohl "Abgeordnete", "Beigeordnete" und "Kronjunker". Sicherlich verbrachten jetzt einige Schreiber die ganze Nacht damit, neue Dokumente für die fast hundertköpfige Begleitmannschaft auszustellen. Am nächsten Morgen ging es dann aber los und überall wo die Kaiserkrone durchkam, wurden Salutkanonen abgefeuert, die Glocken geläutet und die Kronen-Begleiter zu einem Umtrunk eigeladen. So dauerte es einige Tage, bis man in Miltenberg ankam und übernachtete. Von hier bis nach Frankfurt galt es jetzt nur noch Mainzer Gebiet zu durchqueren. Einzige Ausnahme war der Flecken Kleinheubach, eine am Main liegende Exklave der Grafschaft Wertheim. Die Wertheimer Obrigkeit war aber der Meinung, für die vier Kilometer lange Durchquerung ihres Gebietes, würde das Recht den militärischen Schutz des Krönungsutensilienzuges zu stellen wohl ihnen obliegen und so warteten wertheimische Grenadiere an der Landesgrenze, um von hier ab zu übernehmen. Nachdem zuvor Nürnberger, preußische und Würzburger Soldaten die Bewachung des Kronwagens vollzogen hatten, hatten nun Mainzer Soldaten übernommen, die sich jetzt für solch ein kurzes Wegstück nicht noch verdrängen lassen wollten. Eine Brücke, über die man die Mainseite hätte wechseln können gab es noch nicht (keine einzige zwischen Würzburg und Frankfurt) und so wurde die Wertheimer Absperrung einfach durchbrochen. Das ließ man sich aber nicht gefallen und, mit Dreschflegeln und Mistgabeln bewaffnete Bauern aus Kleinheubach wie auch mainzerseits bewaffnete Miltenberger wurden herangeholt und es entwickelte sich ein zweistündiger Kampf mit vielen Verletzten. Hinter der Mainzer Grenze mussten erst einmal die Verwundeten versorgt werden.
Am 02.Oktober kam der Kronwagen dann endlich in Frankfurt an und der Kaiser konnte gekrönt werden.