Alexander Ruhe: 1820. Emilie von Busch – eine
skandalöse Frankfurterin. März 2015
Ein
Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie
„Das Jahr 1820, so reich an merkwürdigen Ereignissen,
scheint sich durch die, in einer deutschen Stadt jüngst vorgefallene Revolution
schließen zu wollen. Wenn auch gleich diese Umwälzungen mit den
Revolutionen, wodurch Spanien, Neapel und Portugal das politische System von
Grund auf geändert und auf Haiti Seine allerschwärzeste Majestät enttront
wurde, rücksichtlich der Folgen keine Vergleichung aushalten mag, so ist doch
wohl in jenen Ländern der Feuereifer der Parteien schwer größer gewesen.“
Konnte man Ende 1820 in der Zeitung lesen.
Tatsächlich hatte sich in Frankfurt eine Revolution
ereignet, aber nicht Deutschlands Demokraten hatten ihre Stimme erhoben,
sondern Frankfurts Theaterbesucher und
Sittenwächter. Ziel der Wut war Emilie von Busch, Schauspielerin am Frankfurter
Schauspielhaus und der Star des Ensembles.
„Die blendend schöne Emilie“, wie sich alte Frankfurter noch 50 Jahre nach den Vorfällen in ihren Memoiren an die Schauspielerin erinnerten, war 1808 erstmals nach Frankfurt gekommen und auch schon bald fest engagiert worden. Die damals noch Großmann heißende Emilie hatte erste Theatererfahrungen in Breslau und Hannover gesammelt, hier in Frankfurt wuchs sie mehr und mehr in ihre Paraderolle hinein, in die der herrischen Koketten, ihr 1801 geborener Sohn Carl trat neben ihr in Kinderrollen auf. Emilie war so schön, dass der damals bekannte Hannoveraner Maler und Theaterdekorateur Johann Heinrich Ramberg sie in Öl als Madonna malte.
Aus Hannover nachgereist, war ihr ein Verehrer, der
Freiherr Georg Wilhelm Ernst von Busch, den Sie, Johanna Albertina Emilie
Großmann, geborene von Sydow am 12.April 1812 in zweiter Ehe in
Frankfurt heiratete. Die Familie ihres Mannes fand eine Verbindung mit einer
geschiedenen Schauspielerin überhaupt nicht standesgemäß und enterbte ihn, aber
die Liebe war groß und so störte dies nur wenig, denn Emilie verdiente gut.
Anfangs traten die Beiden auch in gemeinsamen Konzerten auf, Georg von Busch war ein begabter Musiker. Aber schon bald erkaltete die Liebe und das Paar lebte nur noch „wie innige Freunde und Geschwister in häuslicher Ruhe beisammen“, wie Emilie in einer Rechtfertigungsschrift schrieb. Sie wurde zum bewunderten Star, ging auch auf Tourneen, auf denen sie gefeiert wurde, während er sich mehr und mehr zurückzog und eine Depression entwickelte.
Nicht nur ihr Publikum, auch andere Männer begannen
sich für sie zu interessierten und es wurde zum Stadtgespräch, als sie
mit einem Baron in dessen Kutsche vierspännig durch Frankfurt fuhr. Ihr
depressiver Mann beging nun, so glaubten zumindest viele Frankfurter, einen
Selbstmordversuch. Das war Frankfurts Sittenwächtern nun zuviel und ein Theaterkrawall
wurde geplant. Der Krawall war so öffentlich geplant worden, dass die Polizei
über das ganze Theatergebäude (der Vorgängerbau des Prachtbaus am Ostende des
Goetheplatzes) Zivilbeamte verteilte. Auch die Theaterleitung war informiert, in Erwartung
eines vollen Hauses zog man Emilie von Busch aber an diesem Abend nicht zurück,
sondern ließ sie ins Messer laufen.
Als „eine eifersüchtige Frau“, ein Dauerbrenner der Frankfurter Bühne, trat sie am 19.Dezember auf und kaum war sie hervorgetreten fing man an sie auszuzischen, auszubuhen und auf mitgebrachten Trillerpfeifen zu blasen. Emilie von Busch stellte sich nun, die Arme in die Seiten gestemmt, an den vorderen Bühnenrand und ließ das Zischkonzert wütend über sich ergehen.
Mit ihr hatte der Schauspieler Henkel auf der Bühne gestanden, der neben Frau Busch deren gehörnten Ehemann zu geben hatte. Während des Pfeifkonzerts war er aufgeregt auf der Bühne auf und ab gegangen um nach dem Ende des Stücks fluchtartig das Theater zu verlassen. Selbstverständlich erwartete niemand, dass Emilie von Busch danach auf die Bühne treten würde, um den Applaus des Publikums entgegen zu nehmen, statt desse verlangte dieses nach Herrn Henkel und wurde immer aufgeregter, als dieser nicht erneut auf die Bühne trat. Man wollte auch nicht zulassen, dass das zweite Stück des Abends, eine Kotzebue-Komödie, begonnen wurde, bis man Henkel von seiner Wohnung abgeholt und auf die Bühne gebracht hatte. Hier erhielt er einen rauschenden Applaus.Damit zufrieden verließen die Krakeler das Theater und Kotzebue wurde vor fast leeren Rängen zum Besten gegeben.
Am nächsten Morgen verließ Frau von Busch, mit ihrem Baron und der vierspännigen Kutsche,
Frankfurt und kehrte nicht zurück.
Der große Ludwig Börne meinte in seiner
„Waage“ dazu: “Wenn diese Schauspielerin alles das begann, dessen man sie
beschuldigt, so ist ihr recht geschehen, und die Verseher des
Sittenrichter-Amtes sind nicht zu tadeln; ich aber – möchte kein Scharfrichter
auch an Missetätern werden, die ihre Strafe voll verdient hätten.“ Aber der
Ludwig musste dann ja auch bald gehen.
Emilie von Busch ging jetzt auf Deutschland-Tournee
und dann schon bald nach Mannheim, wo sie bis 1849 festes Mitglied der
dortigen Bühne war und wo sie 1868 hoch betagt starb. Ihr Mann Georg wurde von
seiner Familie in einen Bremer Gasthof einquartiert, wo er – ganz alleine für
sich – bis in die Nacht hinein Geige spielte.
Trotz allem, war man aber mit Frau von Busch in Frankfurt noch recht glimpflich umgegangen, man konnte auch anders !
Im Mai 1831 war in einer Frankfurter Zeitung geschrieben worden, die Opernsängerin Wilhelmine Backofen hätte falsch gesungen, das ärgerte diese so, dass sie Frankfurt verließ. Durch diese abrupte Abreise, mussten einige Opernaufführungen abgesagt werden und die Frankfurter waren sauer.
Als die Sängerin am
17. Juli zum ersten mal wieder als Pamina in der Zauberflöte auftreten
sollte, kamen sie in Massen
ins Schauspielhaus, von den Backofengegnern
waren Freikarten verteilt worden. Als Wilhelmine Backofen die
Bühnen betrat, fingen sie an zu buhen, zu johlen und auf Trillerpfeifen zu
blasen. Erst als ein Backofen-Anhänger auf die Bühne sprang und die
Schauspielerin des Schutzes der wohlwollenden Hälfte des Auditoriums
versicherte, wurde es ruhiger und die Sängerin trat nun nach vorne,
entschuldigte sich nochmals und das Pfeifen verstummte, die Vorstellung ging
weiter. Die Nicht-Backofenianer wollten es dabei aber nicht beruhen lassen,
als zwei Tage später die nächste Aufführung stattfand, fanden sie sich
wieder zahlreich ein. Als sie wieder zu pfeifen anfingen, kam es zu Tumulten
und Rangeleien im Publikum. Die Unruhe nutzten 20 Krawaller „junge
Kannibalen“ um auf die Bühne zu springen, sich der Sängerin zu bemächtigen,
ihren Po zu entblößen und diesen zu versohlen ! Jetzt kam es zu ernsthaften
Schlägereien im Publikum, die sich dann vom Theatersaal auch noch auf den
Theatervorplatz verlagerten und erst hier griff die zahlreich anwesende
Polizei ein.
Nun verließ
Wilhelmine Bockofen Frankfurt endgültig und wo ging sie hin ? Ebenfalls, wie
schon Emilie von Busch, nach Mannheim.
Das Wilhelmine
Backofen Frankfurt verließ, obwohl ihre Schwester gerade erst hier
angekommen war und auch für die Frankfurter Bühne engagiert werden sollte,
könnte auch an einer Karikatur, die im Anschluss an diese Szenen in
Frankfurt verkauft wurde liegen, wie eine Münchner Zeitung mutmaßte . Das Bild zeigt einen rauchenden Backofen auf
der Bühne stehend, umgeben von weinenden Frauen und prügelnden Männern. Die
Bildunterschrift lautet: „Wie der Krähwinkeler Kunstsinn durch einen
Backofen erhitzt wird“.