·  Alexander Ruhe: Frankfurter Ganoven – der Ein- und der Ausbrecherkönig. Juli 2011

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

 

Im Jahre 1888 gab es in Frankfurt eine gefürchtete Bande von Silberdieben, die, im Gegensatz zu anderen Ganoven nur Geld, Gold und Silber stahlen, also Sachen, die man leicht wieder ausgeben konnte, ohne sich verdächtig zu machen. Trotzdem war es aber gelungen, ein Mitglied der Bande zu verhaften. Dazu das folgende Plakat, das Ende März 1888 an allen Straßenecken Frankfurts hing:

 

„ Der frühere Kellner Carl Langner, geb. am 03.Sept. 1848 zu Exau, Kreis Wohlau, welcher sich zeitweise hier in Frankfurt unter dem Namen Fritz Werner, aus Leipzig, Uhrmacher, aufgehalten hatte, ist am letzten Donnerstag [ 28.März 88] unter dem dringenden Verdacht, mit den hiesigen Silberdiebstählen in Verbindung zu stehen, verhaftet worden. Bei demselben wurden eine Menge verschieden gezeichneter Silber- und sonstiger Wertsachen Uhren ec. Vorgefunden, über deren rechtmässigen Erwerb Langner keine Auskunft geben konnte. Einzelne Stücke der vorgefundenen Wertsachen stammen aus den Einbruchdiebstählen in Worms und Heidelberg her. Andere Stücke scheinen auf hiesige Diebstähle hinzudeuten.

Es wurde durch die hiesige Kriminalpolizei schon am Donnerstag festgestellt, dass der p. Langner ein schon vielfach bestrafter und augenblicklich steckbrieflich verfolgter Verbrecher ist.

Am Donnerstag machte Langner einen Selbstmordversuch, indem er sich in der Gefängniszelle zu erhängen versuchte, er wurde aber noch rechtzeitig durch die Gefängnisbeamten abgeschnitten und wieder zum Leben gebracht.

Um weiter Selbstmordversuche zu verhindern, ließ der Gefängnis-Inspektor den p. Langner in geöffneter Zelle Tag und Nacht durch Aufseher bewachen, welche den Auftrag hatten, sich nicht von der Tür des Inhaftierten zu entfernen.

Am Freitag Abend etwa ½ - ¾ 11 Uhr scheint der zum Aufsichtsdienst bestimmte Gefangenenaufseher Brocar eingeschlafen zu sein; der p. Langner scheint diesen für ihn glücklichen Moment benutzt zu haben, um unter Mitnahme von fremden Kleidungsstücken, welche auf dem Flur hingen, und wahrscheinlich  unter Benutzung der Schlüssel des eingeschlafenen p. Brocar auf den Hof des Gefängnisses zu entweichen um von dort entweder die Mauer zu übersteigen oder das hintere Tor mit dem Brocar’schen Schlüssel geöffnet zu haben.

Der Gefangenenaufseher Brocar hat, vermutlich hat vermutlich im Bewusstsein seiner Schuld, heute [ 01. April 88] früh nach 6 Uhr seinem Leben durch Erhängen ein Ende gemacht .

Nachts um 12 Uhr, als der p. Brocar abgelöst werden sollte, wurde das Verschwinden des p. Langner bemerkt.

( in der Zeitung stand einige Tage später, Brocar hätte bis zur Wachablösung keinen Alarm ausgelöst, weil er hoffte, die Schuld am Entkommen Langners könnte so auf seinen wachablösenden Kollegen abgewälzt werden, wodurch Langner einige Stunden Vorsprung hatte.)

Vorne durch das Haupttor des Gefängnisses – welches fortgesetzt durch einen Schutzmann bewacht wird – ist Langner nach Aussage des Schutzmannes nicht entwichen, was auch daraus zu folgern scheint, dass der Musketier Born vom 81. Infanterie Regiment – welcher vor dem Gerichtsgefängnis auf Posten stand – um ¾ 11 Uhr einen Mann, dessen Beschreibung auf den p. Langner vollständig passt, die Gerichtsstraße entlang durch die Klapperfeldstraße in die Seilerstraße hinein hat gehen sehen.

Der Langner ist 39 Jahre alt, 1,58 m groß hat dunkelblonde, ins rötliche schimmernde Haare, ebensolchen Schnurbart und Knebelbart und an der rechten Hand zwei Warzen – Derselbe trug bei der Entweichung graue Unterhosen, einen grauen Sackrock, blaue Arbeitsschürze, Schlappen an den Füssen und ein helles, buntes Taschentuch um den Kopf.

Es wird jedermann gebeten, Anzeigen, welche auf den Verbleib des p. Langner hindeuten könnten, so schnell wie möglich beim Polizeipräsidium hierselbst zur Anzeige zu bringen.

Auf die Ergreifung des p. Langner sind schon seit längerer Zeit hohe Belohnungen ausgesetzt.“

 

Der Hinweis auf eine Belohnung überzeugte anscheinend, den schon am Folgetag wurde Langner in Höchst bei Gelnhausen gestellt und in die Kinzig getrieben, wo er ertrank; erst als man einige Tage später den abgetriebenen Leichnam fand stellte es sich heraus, dass man einen einfachen Obdachlosen in den Tod getrieben hatte.

Am 04.April wurden gleich mehrere Langners verhaftet, ein paar Wochen später ein Frankfurter Wirt in Ziegenhain, Aber gefasst hat man Langner nie (zumindest haben die Frankfurter Zeitungen darüber nicht mehr berichtet) .

 

Im Juli 1888 wurde dann ein weiteres Mitglied der Silberdieb-Bande verhaftet, Karl Bergmann. Bergmann war des Nachts in der Lersnerstraße 12, vom Holzhausen-Park aus in die Wohnung des Chemikers Dr.Rumpf eingebrochen. Wie es sich für einen Meisterdieb gehört, bewegte er sich absolut lautlos durch die Wohnung, ja er schob sogar im Schlafzimmer der Rumpfs das Kinderbett, mit einem zwei Wochen alten Säugling darin, zur Seite, um einen Sekretär aufbrechen zu können, ohne das Herr und Frau Dr.Rumpf davon erwacht wären. Das der Schurke aber ihr Kind angefasst hatte, das verzieh ihm Frau Dr. Rumpf nicht . Diesmal hatte Bergmann nämlich einen Fehler gemacht, anstatt nur Geld, Gold und Silber mitzunehmen, hatte der Dieb diesmal auch ein kornblumenblaues Halstuch gestohlen und als gute Hausfrau wusste die Frau Doktor: wenn er das einer Frau schenken will, muss er es vorher färben lassen und so klapperte sie alle Frankfurter Wäscher- und Färbereien ab, beschrieb dort das Tuch, wie es aussah, wo es kunstgestopft war und bat um Meldung falls solch ein Tuch abgegeben würde. Und tatsächlich, Bergmann wollte das Tuch wollte das Tuch der Marie Else, seiner Frau zum Geschenk machen und brachte es vorher – selbstverständlich – zum Färben zu einer Wäscherei auf den Römer (dort, wo sich heute die evangelische Akademie befindet) .

 

                                                          

 Die Wäscherei Klein entwickelte sich bis in die 1960er zu einem richtigen Reinigungs-Imperium, die Ersten, die in Frankfurt Wäsche nicht wuschen, sondern mit Benzin reinigten.

 

Als er das Tuch dann wieder abholen wollte stand da der Schutzmann Dietz, der ihn verhaftete. Bei der Verhaftung setzte sich Bergmann zwei Messerstiche ins Herz, traf dieses aber nicht und wurde nun, nicht etwa in ein Krankenhaus, sondern aufs Klapperfeld gebracht. Auf der Toilette des Polizeipräsidiums schlitzte er sich mit seinem Taschenmesser die Pulsadern auf, aber wieder erfolglos.

Jetzt fingen die Mühlen der Justiz an zu mahlen, als erstes ließ man mal seinen Hausrat versteigern, um seine Schulden zu decken, inklusiven seinem Weinlager und seinem Papagei.

Man glaubte ihm nicht, dass er wirklich Bergmann hieß, er verweigerte aber mürrisch jede Aussage, man ließ ihn deshalb fotografieren und schickte die Bilder an alle Polizeidienststellen Deutschlands. Das hatte Erfolg. Aus Köln kamen sechs Zuchthaus-Wächter, die ihn als Carl Werner, geboren 1841 in Danzig, erkannten, als Carl Werner hatte er im dortigen Zuchthaus sechs Jahre (bis 1880) abgesessen. Man vermutete jetzt, dass Langner und Bergmann sich kannten. Mürrisch gab Bergmann jetzt zu, dass er nicht Bergmann, sondern Werner sei. Aber der p. Werner war er wohl auch nicht (ich habe versucht herauszufinden, wofür p. steht, das ist mir aber nicht gelungen) jetzt kam Nachricht, dass er der Weber August Wilhelm Willer, geboren am 25. Sept. 1835 in Lauenburg sei. Als Willer hatte er noch zehn Jahre Zuchthaus gut, denn bevor er die im Zuchthaus Naugard absitzen konnte, war er vorher, auf dem Weg zum Schwurgericht in Prenzlau, entkommen.

In Frankfurt bekam er kurz vor Weihnachten 1888 fünf Jahre ßfür seine hiesigen Einbrüche aufgebrummt, die sich mit den anderen zehn Jahren auf 15 addierten. Zusätzlich wurde er noch für das Spielen in einer nicht-preußischen Lotterie bestraft (das war verboten. Man hatte bei ihm eine große Geldsumme gefunden, die er tatsächlich im Lotto gewonnen hatte, man hätte also seinen Papagei gar nicht verkaufen müssen)

Willer kam ins Zuchthaus Wehlheiden bei Kassel, seine Frau (mit der er nicht wirklich verheiratet gewesen war) bekam auch fünf Jahre, die sie in ihrer Heimat Köln absitzen dürfte, wo sei ihn kennengelernt hatte.

 

 

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