Alexander Ruhe: Apfelwein-Doktor Petsch – oder – Appelwein au Lait. Februar 2012

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

 

Das der Apfelwein unglaublich gesund ist, ja geradezu ein medizinisches Getränk, dass weiß man in Frankfurt schon lange, aber erst der Apfelwein-Doktor Petsch begann ihn auch wirklich als Medizin zu nutzen. Am 17. Juli 1804 wurde Johann Christian Wilhelm Petsch in Frankfurt geboren, wo er 1819 bei einem Maurer in die Lehre gegeben wurde. Nachdem er seine Lehre abgeschlossen hatte, wurde er krank, schwer krank, er war nicht mehr zu retten. Dachte man zumindest. In Frankfurt hält man es so: solange man gesund ist, trinkt man Apfelwein und wenn man krank wird, steigt man um auf Kamillentee. Diesen grundlegenden Fehler beging Petsch aber nicht und – siehe da – er wurde geheilt. Er wunderte sich, dass niemand außer ihm den Zusammenhang zwischen seiner Apfelweinkur und seiner Heilung sah und er erkannte, dass ihm eine Gabe gegeben worden war.

Er begann zu heilen. An einem Tuberkulose-Kranken erkannte er, dass der Apfelwein alleine nicht reichte und er begann weitere gesunde Zutaten beizumischen, welche da wären: Quellwasser und Milch. Das ganze gab er abgekochte dem Kranken und auch dieser wurde geheilt, das einzige Mittel gegen die Schwindsucht, das den Frankfurter davor zur Verfügung gestanden hatte, war ein Sud aus Weinbergschnecken gekocht.(„ Als ein gesundes Getränk hat man ihn steht betrachtet, die Heilkraft selbst jedoch blieb leider unbeachtet“ Petsch 1854 in einem – viel zu langen – Gedicht zum hundertsten Geburtstag des Frankfurter Apfelweins). Ende der 1820er ging Petsch als Maurermeister ins brandenburgische  Luckenwalde und von dort 1849 nach Berlin, wo er eine Apfelweinwirtschaft eröffnete. Er schenkte den Apfelwein aber nicht nur aus, er heilte auch damit und bezeichnete sich selbst als „Naturdoktor“ Er und der Apfelwein wurden in Berlin so populär, dass man schon fürchtete, der Apfelwein könnte das Berliner Weißbier verdrängen (eine der Atraktionen seiner Wirtschaft war seine hübsche junge Tochter, die dort jeden Abend saß und mit den Gästen Schach spielte). „Durch die Kraft des Herrn und des heiligen Geistes“ war es ihm möglich „viele Tränen zu trocknen und Segen zu verbreiten“ (Petsch 1856 vor Gericht). Durch seine 25.000 fachen Heilerfolge war es ihm möglich, ein ganzes Zimmer seiner Wohnung nur mit Krücken zu füllen.

Eine von hunderten Anzeigen, die Petsch und seine Anhänger schalten ließen.

 

Aber es gab auch Ungläubige und Zweifler. So spottete zum Beispiel der Berliner Kladderadatsch:

(Im Zusammenhang des gerade modernen „Tischerückens“:

Die Weisen von Berlin

... „Ich weiß es wohl, sprach schlau Herr Petsch, woher die Rucke stammen; Mein Apfelwein ist säuerlich, zieht Mensch und Holz zusammen. Ein wenig edlen Mostes ward wohl auf den Tisch gegossen: hat selbst mancher Mensch geknarrt, der Apfelwein genossen.“

Als dann 1860 auch der bayerische König Petsch in Berlin konsultierte, mutmaßte der Kladderadatsch, jetzt sei wohl auch in Bayern Hopfen und Malz verloren.

1856 behandelte er ein Cholera-krankes Mädchen, das trotz der Apfelweinbehandlung starb, Petsch wurde vor Gericht gestellt. Man warf ihm vor, er hätte als Arzt praktiziert, obwohl die Polizeibehörde ihm dies verboten hätte. Erfolglos wand sein Anwalt ein, auch die Polizeibehörde habe ja ihre Schutzmänner zu Petsch zur Behandlung geschickt und danach auch anstandslos die Rechnung bezahlt. Der Angeklagte, „ eine gedrungene, wohlgenährte Gestalt“, hatte auch 50 geheilte Patienten als Zeugen mitgebracht, nutzte aber alles nichts und Petsch wurde zu einer (lächerlich geringen ) Geldstrafe verurteilt.  Aber Petsch hatte Kontakte, nachdem auch der preußische König und sogar dessen Hofarzt zu Petschs Patienten gehörten, wurde das polizeiliche Praktizierverbot aufgehoben. Aus Frankfurt, wo Petsch es 1862 immerhin zu einem den „Apfelweindoktor“ verulkenden Motivwagen auf dem Fastnachtszug gebracht hatte,  mahnte noch Friedrich Stoltze, dass der Apfelwein gesund sei, wisse man ja, aber den Apfelwein „raacht“ man nicht mit Milch, den Apfelwein „raacht“ man mit Geselchtem. Womit eigentlich schon alles gesagt gewesen wäre, aber Petsch machte unbeirrt weiterweiter (und trieb mit seinen enormen Apfelwein- und auch Handkäse-Bestellungen die Preise dieser Produkte in Frankfurt in die Höhe), ja er versuchte sogar 1858 eine Filiale seiner Apfelwein-Kuranstalt in Frankfurt zu eröffnen, wozu er seinen Sohn hierher schickte. Aber in Frankfurt tönte man, man glaube nicht an die Heilkraft Petschs, sondern an die des vierten Schoppens und dabei blieb es dann auch.

1861 starb sein königlicher Patient und dessen Nachfolger Wilhelm war kein Freund schöngeistiger Dinge und dessen Ministerpräsident Bismarck ein richtiger Frankfurthasser – Petsch musste also weg aus Berlin und er nahm den Weg vieler damaliger „Natürärzte“ und Wunderheiler, er ging – auf Einladung des dortigen Herzogs - nach Gotha, wo er in einem schönen Haus, dass er gekauft hatte, seine Praxis bezog. Aber in Gotha hielt es ihn nicht, die preußische Juistiz erreichte ihn auch dort, er ging nach Dresden, wo er eine Apfelwein-Kelterei gründete. Seine Kelterei wurde eine der großen Deutschlands und erzielte Preise auf den großen Industrieausstellungen seiner Zeit. Am 12.November 1882 starb C.J.W. Petsch in Dresden. Sein Sohn Karl-Otto führte die Kelterei noch eine Zeitlang erfolgreich weiter, im Jahr 1900 aber wurde er in eine Geisteskrankenanstalt eingewiesen (war ihm der Erfolg zu Kopf gestiegen oder war es eine Intrige ?), wo sich Karl-Otto mit einem Revolver das Leben nahm.

            C.J.W. Petsch 

Hörbuch vom gleichen Autor

 

 

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