Alexander Ruhe: 1945 - Ein erfolgreicher Massenprotest gegen die Gestapo in Frankfurt. Februar 2024

Ein Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie

Im Februar 1945 gelang einem Frankfurter die Flucht nach Schweden. Hier gab er zu Protokoll, kurz bevor er Frankfurt verlassen habe, sei es dort zu einem Binnenschifferstreik gekommen. Im Frankfurter Hafen habe die Gestapo einen Matrosen und dessen Frau, die Schiffsköchin, verhaftet. Die verbliebenen Matrosen des Schiffes weigerten sich nun, ihr Schiff weiter zu entladen und traten in einen Streik. Dies wollte die Polizei unterbinden, aber die Besatzung weiterer Schiffe und die Hafenarbeiter solidarisierten sich und die Polizei musste sich zurückziehen. Man zog jetzt über die Zeil zum Gestapo-Gefängnis und der Zug wurde immer größer, denn Frauen, die zuvor schon auf dem Römer gegen die schlechte Versorgungslage mit Lebensmitteln protestiert hatten und auch viele Soldaten auf Urlaub, schlossen sich der Demonstration an. 2000 Demonstranten zogen jetzt vor das Gefängnis, warfen dort Scheiben ein und forderten die Freilassung der beiden Gefangenen. Nach einiger Zeit seien drei Lastwagen, besetzt mit SS-Leuten, aufgetaucht, die mit Maschinengewehren in die Menge gefeuert hätten. Dabei habe es viele Tote und Verletzte gegeben, aber keine einzige Verhaftung. Auch ein SS-Mann sei von der wütenden Menge "gelyncht" worden. Die Binnenschiffer hielten ihren Streik aufrecht und zwei Tage später seien die beiden Gefangenen freigelassen worden.

Diese Nachricht strahlte der schwedische Rundfunk am 20.Februar 1945 aus, die Demonstration wird dann wohl Ende Januar, Anfang Februar 1945 stattgefunden haben. Englische und Schweizer Zeitungen griffen diese Nachricht auf und veröffentlichten sie im Februar 1945 ihrerseits. Ich versuchte jetzt für diesen doch sehr ungewöhnlichen Vorfall auch eine Bestätigung in Frankfurt zu finden, was mir aber bisher noch nicht gelang. Weder hat eine der beiden im Januar/Februar 1945 noch in Frankfurt erscheinenden Tageszeitungen darüber berichtet (was mich auch nicht erstaunt hat, eher hätte mich das Gegenteil gewundert), noch gibt es in einem hessischen Archiv Aufzeichnungen darüber, was ich schon erstaunlicher fand, aber vor dem Einmarsch der Amerikaner, und das war in Frankfurt Ende März, hatte die Gestapo ihr Aktenmaterial in Frankfurt vernichtet, das könnte das Fehlen offizieller deutscher Berichte erklären.

Da es ja auch Tote gegeben haben soll, bin ich jetzt die Frankfurter Sterbeverzeichnisse durchgegangen. Im Januar und im Februar 1945 gibt es eine ganze Reihe von Verstorbenen, die dem Frankfurter Standesamt vom Polizeipräsidium gemeldet worden waren und bei all diesen vielen Toten gibt es eigentlich nur zwei Todesursachen, einmal "gefallen durch Feindeinwirkung", das sind die Toten der Luftangriffe, von denen es im Frühjahr 1945 etliche gab und alle anderen sind einen Herztod gestorben.

Entweder tauchen die Opfer von Gestapo und SS gar nicht in den Totenlisten auf oder sie stecken unter den Herztoten.

In England schrieb man, des Gefängnis sei in der Eschersheimer Landstraße gewesen, da es dort aber kein Gefängnis gab, nehme ich an, dass eines der beiden Gestapo-Gefängnisse in der Nähe der Friedberger Landstraße gemeint ist, auf dem Klapperfeld, wo bis heute noch eines dieser beiden Gebaude steht. Schon seit vielen Jahren kämpft eine Initiative darum, das von ihr besetzte Haus zu einer Gedenkstätte zu machen, ein baldiger Abriss und ein Neubau sind aber auch nicht unwahrscheinlich.

 

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